PRAXEN & IMMOBILIENDesign 

Architektur: Arztpraxen im neuen Look

Die schmucklose, trostlose Ordination war gestern. Mit ausgefeilten Grundriss-lösungen, Farbenspiel

und Kunstelementen kann viel bewirkt werden – vor allem ein gesteigertes Wohlbefinden der Patienten.

Beim Entwurf der Ordination von Dr. Oliver Lammel haben sich Hammer- schmid Pachl Seebacher Architekten stark an den für das Ennstal

typischen landwirtschaftlichen Nutzbauten orientiert. Ein

weiteres Entwurfsthema: Ausblicke in die Berglandschaft.

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Der Eingangsbereich der Ordination für Augenheilkunde und plastische Chirurgie des Ärztepaares Dr. Gertraud und Dr. Reinhard Kaliwoda in Zwettl. Die dominanten Farbtöne Weiß und Elfenbein

vermitteln eine gemütliche Atmosphäre.

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Gut aufeinander abgestimmte Farben, Materialien und Lichtelemente ver- mitteln eine elegante aber trotzdem warmherzige Atmosphäre

in einer Praxis in Wolkersdorf

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Die umlaufende Glasfassade der Ordination Orthopädie Wienerwald

in Purkersdorf wird von einem Filter aus 280 Birkenstämmen umgeben.

Letztere sorgen für eine angenehme Atmosphäre in den Innenbereichen. Gleichzeitig dienen sie als Sicht- und Sonnenschutz.

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FotoS:Dieter Schewig, Hammerschmid Pachl Seebacher Architekten, Juri Troy Architects/Kurt Kuball, Attila Karpati

„In den letzten Jahren war zu beobachten, dass bei der Gestaltung von Arztpraxen mehr und mehr von der zuvor üblichen Standard- Gestaltung Abstand genommen wurde. Viele Ärzte schätzen heute eine individuelle und funktionale Innenarchitektur, die sich positiv auf das Wohlbefinden der Patienten auswirkt“, erklärt Thomas Abendroth von Abendroth Architekten, die sich unter dem Namen MedLounge auf Ordinationen spezialisiert haben. Die konkrete Gestaltung hängt dabei von der jeweiligen Disziplin der Ärzte ab. In einer Zahnarztpraxis gehe es etwa in den Warteräumen darum, von der Angst vor Schmerz abzulenken und das Gefühl zu vermitteln, dass man gut aufgehoben ist.


Grüntöne senken Blutdruck

In einer chirurgischen Ordination, wo die wartenden Patienten in der Regel noch größere Angst vor dem haben, was auf sie zukommt, geht es laut Abendroth dagegen noch mehr darum, Seriosität zu vermitteln. Das kann mit unaufgeregten Farben gelingen. „Ich setze gerne gezielt Farben ein. Dadurch kann mit wenig Geld viel erreicht werden“, so Abendroth. Grüntöne würden etwa dafür sorgen, dass der Blutdruck der Patienten sinkt, was beispielsweise für Kardiologen interessant ist. Und indem in den unterschiedlichen Räumen von Ordinationen und Praxen mit verschiedenen Farbtönen gearbeitet werde, könne mitunter auch der Heilungsprozess angedeutet werden. Ein perfektes Beispiel für eine moderne Mehrfachpraxis ist die Ordination Orthopädie Wienerwald, die seit 2017 von Dr. Josef Krugluger, Dr. Thomas Moser und Dr. Sylvia Salem geführt wird. Angeboten werden neben klassischer Therapie für den Bewegungsapparat wie orthopädisch-chirurgische Therapie, physikalische Therapie oder Heilgymnastik auch Additivtherapien wie Akupunktur. Für den 2013 abgeschlossenen Umbau der ursprünglich 1995 von Krugluger gegründeten Praxis zeichnete Juri Troy Architects verantwortlich. Der Massivbau umfasst drei Geschoße. Während sich im Obergeschoß drei Wohneinheiten befinden, die über eingeschnittene Terrassen belichtet werden, beherbergt das Erdgeschoß auf 250 m2 die Ordination.

Besonders auffällig gestaltet ist die Außenfassade und der Freiraum der Gruppenpraxis. So ist die umlaufende Glasfassade von einem Filter aus rund 280 Birkenstämmen umgeben. Diese fungieren nicht nur als Sicht- und Sonnenschutz, sondern spenden auch für die Innenbereiche eine angenehme Atmosphäre. Einerseits sorgen die großen Glasfassaden für Tageslicht und ermöglichen einen stimmigen Ausblick in den großzügig angelegten Garten, in dem sich ein Birkenhain findet. Andererseits sichern die Birkenstämme für die Patienten Intimität und Diskretion. Im Innenbereich wird die Praxis lediglich durch zwei Meter hohe Möbel aus Birkenholz unterteilt. Dadurch wirkt die Innenraumgestaltung offen, modern und hell.


Kurze Wege sparen Zeit

Nahe dem Ortskern von Zwettl befindet sich wiederum die 2017 eröffnete Ordination für Augenheilkunde und plastische Chirurgie des Ärztepaares Dr. Gertraud und Dr. Reinhard Kaliwoda. Die Gestaltung geht auf das Konto von Abendroth Architekten. Der von ihnen neu geordnete Grundriss bzw. die Anordnung und Proportionierung der Räume stellen einen reibungslosen Ordinationsablauf sicher. „Kurze Wege ersparen Zeit, die den Patienten zugutekommt“, erklärt Abendroth. So gelangen die Patienten vom hell und einladend wirkenden Eingangsbereich aus, wo sich Empfang und Wartezimmer befinden, direkt zu den Behandlungsräumen.

Die Innenräume wurden insgesamt modern und zurückhaltend gestaltet. Dabei wurde auch auf einige besondere Designdetails gesetzt. Der in den Farben Weiß und Elfenbein gehaltene Empfangsraum vermittelt etwa eine gemütliche Atmosphäre. Für einen „Loungecharakter“ sorgt die Möblierung mit einer ledergepolsterten Bank, Tischen, Stühlen und einem Trinkwasserspender. Farblich aufgelockert werden die Möbel von der Iriden-Wandgrafik der Grafikdesignerin Catarina Trost, die die Vielfalt der Natur und das Spektrum des Sehens thematisiert. „Ich arbeite gerne mit künstlerischen Elementen“, so Abendroth. Insgesamt wurde hoher Standard bezüglich Hygiene, Barrierefreiheit und harmonischer Raumgestaltung realisiert.

Auf den ersten Blick erinnern die Typologie und Materialität des frei in der Landschaft stehenden kleinen Gebäudes in Ramsau, in dem sich die Ordination von Dr. Oliver Lammel, Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Innere Medizin, befindet, an die für das Ennstal typischen Heuschober. Entworfen wurde das Objekt von Hammerschmid Pachl Seebacher Architekten in Massivbauweise mit Holzverschalung. Auf eine raue und natürliche Gestaltung wurde auch im Inneren der Ordination gesetzt. So kamen beim Möbelbau massives Lärchenholz und im Ort hergestellter grober Lodenstoff zum Einsatz. Durch die Orientierung am regionalen Umfeld wirkt die Ordination durchwegs der Umgebung angemessen.


Entwurfsthema: Berglandschaft

Dass sich der Entwurf stark an den freistehenden landwirtschaftlichen Nutzbauten und Nebengebäuden der Region orientiert, wird mit dem überschaubaren Raumprogramm für die Ordinationsräumlichkeiten und der Randlange im Ortsgefüge begründet. Wie es auch die

umliegenden Gebäude vermitteln, wurde die Ordination nach den Grundsätzen Einfachheit, Angemessenheit und kunstvoller Originalität entworfen. So besteht das Ordinationsgebäude aus einem einfachen rechteckigen Erdgeschoßkörper und einem teilweise ausgebauten Dachraum. Ein zentrales Entwurfsthema waren laut den ausführenden Architekten auch die imposanten Ausblicke in die Berglandschaft.


pb