MEDIZIN | Kardiologie 

FOTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO/ SELVANEGRA

LDL-Zielwerte:

Todesfälle vermeidbar

Führende Experten aus dem Bereich Kardiologie und Stoffwechselerkrankungen appellieren, konkre- te Lösungen für die Reduktion der alarmierend ho- hen Todeszahlen durch erhöhtes Cholesterin zu erarbeiten.

In der Literatur ist der Zusammenhang von erhöhtem LDL-Cholesterin und kardiovaskulären Erkrankungen längst belegt. Eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) belegt, dass 8,2 % aller Todesfälle in Österreich durch die Erreichung der LDL-C-Zielwerte vermieden werden könnten.1 Erstmals liegen nun für Österreich aussagekräftige Daten zum kausalen Beitrag von LDL-Cholesterin zu Mortalität und volkswirtschaftli- che Kosten vorliegen. Zudem ortet die Studie eine Milliarde Euro an jährlichem Einsparungspotenzial bei den volkswirtschaftlichen Kosten der Er- krankung. Durch die Senkung von Krankenstand, Invalidität und Mortalität wäre ein jährlicher Produktionsgewinn von 300 Millionen Euro für die Volkswirtschaft absolut realistisch. Diese Ergebnisse sind Grundlage für diesen Schulterschluss der Experten auf breiter Basis.


Lebensstiländerung allein reicht nicht aus

Hätten alle Personen der Risikogruppe im Jahr 2019 ihren LDL-C-Zielwert erreicht, so wären damit 6.800 Todesfälle verhindert worden. Allein eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten und des Lebensstils löst das Problem nicht, denn bei erhöhtem LDL-Cholesterin können Le- bensstilveränderungen nachweislich nur 5 bis 10 % Reduktion bewirken. Neben den Betroffe- nen müssen daher auch die Verantwortlichen im Gesundheitssystem aktiver werden, etwa durch die stärkere Einbindung des niedergelassenen Bereichs, um die Risikopatienten besser identifizieren zu können. Bekanntlich hinkt Österreich auf dem Gebiet der Gesundheitskompe- tenz der Bevölkerung weit hinten nach, daher muss durch Aufklärung und Schulung das Be- wusstsein und der Informationsstand in der Bevölkerung gesteigert werden, um so auch die die Therapietreue und die Nutzung sämtlicher therapeutischer Optionen zu steigern. Am Ende, so ein Ergebnis der Studie, wäre der Aufwand für solche Maßnahmen deutlich geringer als die volkswirtschaftlichen Kosten.


Datenklarheit und neue Technologien

Univ.-Prof. Dr. Peter Siostrzonek, Past-Präsident und Pressereferent der Österreichischen Kar- diologischen Gesellschaft (ÖKG), beschreibt eine unbefriedigende Therapiesituation: „Viel zu

wenige Betroffene erhalten eine adäquate Behandlung. Fast 80 % der Österreicher, die bereits ein kardiovaskuläres Ereignis wie Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten, erreichen ihr Therapieziel nicht. Oft ist die nicht ordnungsgemäße Einnahme der Medikamente der Grund.“2 Siostrzonek liefert auch einen passenden Lösungsvorschlag: „Eine Zusammenführung der oft bereits verfügbaren Daten wäre wichtig, um die Situation zu verbes- sern. Auch Ärzte im niedergelassenen Bereich müssten deutlich besser eingebunden werden. Neue Technologien könnten sogar kurzfristig helfen. Zum Beispiel ein Software-Tool, das die Ärzte bei der Identifikation von Risikopatienten unterstützt. Dieses könnte dem Arzt ermöglichen, aufgrund von Risikoparametern jene Patienten zu erheben, die genauer beobachtet werden müssen. Bindet man Betroffene in die Applikation ein, stärkt das die aktive Beteiligung und damit die Adhärenz.“


Politik in die Pflicht nehmen

Helmut Schulter, Bundesgeschäftsführer des Österreichischen Herzverbands, weist darauf hin, dass das Prinzip der Reparaturmedizin ein Teil des Problems ist: „Es wäre besser, die Bedro- hung früher zu erkennen und zu wissen, wer besonders gefährdet ist. Wir wünschen uns, dass das engmaschige Screening ausgebaut wird, damit die existierenden Behandlungen auch bei den Patienten ankommen.“ Damit dringend benötigte Lösungen auch realisiert werden, sehen die Experten die Politik gefordert.

„Es ist seit Langem bekannt, dass die Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen derzeit keine gesundheitspolitische Priorität mehr genießt, obwohl diese die Todesursache Nummer eins in Österreich sind, wie aus Zahlen der Statistik Austria hervorgeht. Das Problem ist im Mo- ment kaum mehr am Radar der Entscheidungsträger im Gesundheitssystem, daher fehlt bis- lang ein konkreter Plan für dessen Lösung“, sagt Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi, Vorstand der Ab- teilung für Innere Medizin am Konventhospital Barmherzige Brüder Linz und Präsident der Ös- terreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG). Siostrzonek betont die Notwendigkeit zu handeln: „Nur ein nationaler Schulterschluss kann die gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Schä- den reduzieren. Alle Entscheidungsträger müssen gemeinsam Maßnahmen zur Früherkennung und zur Verbesserung der Therapiesituation in Angriff nehmen.“


rh