MEDIZIN & RECHT | Anstellung

Anstellung von Ärzten bei Ärzten

Die neuen berufsrechtlichen Rahmenbedingungen zur „Anstellung von Ärzten bei Ärzten“ sind seit März dieses Jahres in Kraft.

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Gemäß der Neuregelung in § 47 a ÄrzteG dürfen Ärzte in Einzelordinationen im Ausmaß von 40 Stunden wöchentlich angestellt werden, wobei eine Aufteilung auf maximal zwei teilzeitbeschäftigte Ärzte erfolgen kann. In Gruppenpraxen beträgt das Ausmaß 80 Stunden wöchentlich. Hier ist eine Aufteilung auf maxi- mal vier Ärzte möglich. Die Anstellung darf nur im Fachgebiet des Ordinations- inhabers oder der Gesellschafter der Gruppenpraxis erfolgen. Der Ordinations- inhaber oder die Gesellschafter der Gruppenpraxis bleiben ungeachtet der An- stellung eines Arztes zur selbständigen Berufsausübung verpflichtet. Der Pati-

ent hat das Recht auf freie Arztwahl.

Im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass zwischen dem Hauptverband und der Österreichischen Ärztekammer eine für die Vertragsärzte verbindliche gesamtvertragliche Regelung zur Verrechenbarkeit der Leistungen zu treffen ist, die von angestellten Ärzten für Vertragsärzte oder Vertragsgruppenpraxen auf Kosten der Kran- kenversicherungsträger erbracht werden können. Im August 2019 wurde eine solche Einigung zu einer gesamtvertraglichen Vereinbarung erzielt.

Angestellte Ärzte

oder Vertretungsärzte?

§ 47 a ÄrzteG unterscheidet zwischen der Anstellung von Ärzten und der regelmäßigen oder fallweisen Vertretung des Ordina- tionsinhabers oder der Gesellschafter der Gruppenpraxis. Der vom Gesetzgeber normierte Unterschied zwischen Anstellung und Vertretung besteht darin, dass der angestellte Arzt in der Regel zugleich mit dem Ordinationsinhaber oder Gesellschafter der Gruppenpraxis in der Ordination tätig wird, während die Vertretung ihre ärztlichen Leistungen überwiegend in der Abwe- senheit des Ordinationsinhaber oder Gesellschafters der Gruppenpraxis erbringt.

Die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der Vertretungstätigkeit von Ärzten wurde im Freiberuflichen-Sozialversiche- rungsgesetz („FSVG“) ausdrücklich geregelt. Spiegelbildlich wurde die Tätigkeit der Vertretungsärzte aus der Pflichtversiche- rung nach ASVG ausgenommen. Die zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht stets mit großer Rechtsunsicherheit ver- bundene Prüfung im Einzelfall, ob der Arzt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Arbeitgeber tätig wird und dementsprechend der Pflichtversicherung nach ASVG unterliegt, erübrigt sich aufgrund der gesetzlichen Qualifizierung der Vertretung als freiberufliche Tätigkeit.

Eine entsprechende sozialversicherungsrechtliche Klarstellung nimmt die Novelle für angestellte Ärzte nicht vor. Angestellte Ärzte unterliegen der Pflichtversicherung gemäß ASVG, wenn sie gegen Entgelt in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängig- keit vom Ordinationsinhaber oder von der Gruppenpraxis beschäftigt werden.


Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften

Nach der Rechtsprechung liegt ein („echtes“) Arbeitsverhältnis vor, wenn die Merkmale persönlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Die fachliche Weisungsfreiheit der angestellten Ärz- te schadet für das Vorliegen eines echten Dienstverhältnisses nicht. Diese ist im Regelfall ein bloßes Indiz für eine selbständi- ge Tätigkeit.

Entscheidend ist, ob der angestellte Arzt bei Ausübung seiner Tätigkeit in einem arbeitsrechtlichen Unterordnungsverhältnis zum Ordinationsinhaber oder zur Gruppenpraxis tätig wird. Die Rechtsprechung prüft dabei stets das Gesamtbild des Ver- tragsverhältnisses und stellt darauf ab, inwieweit eine Bindung an Ordnungsvorschriften über Arbeitsort, Arbeitszeit und ar- beitsbezogenes Verhalten gegeben ist und inwieweit dem Arbeitgeber entsprechende Weisungs- und Kontrollbefugnisse zukommen.

Der („echte“) Arbeitsvertrag unterliegt den arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften. Diese können zu Lasten des Arztes, der in persönlicher Abhängigkeit tätig wird, nicht abbedungen werden. Es besteht zwingend Anspruch auf Urlaub nach dem Ur- laubsgesetz und im Falle einer Dienstverhinderung, zum Beispiel wegen Krankheit, Anspruch auf ungeschmälerte Entgeltfortzahlung.


Kollektivvertrag fehlt noch

In Ordinationen oder Gruppenpraxen beschäftigte Ärzte unterliegen dem Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetz. Bei Ärzten, die Nebenbeschäftigungen – zum Beispiel als Spitalsarzt – ausüben, ist darauf zu achten, dass es bei Zusammenrechnung sämtli- cher Tätigkeiten zu keiner Arbeitszeitüberschreitung kommt. Derzeit besteht noch kein Kollektivvertrag, der die spezifische In- teressenslage von Ärzten berücksichtigt. Es gibt daher im Bereich der niedergelassenen Ärzte keine kollektivvertraglichen Mindestlöhne für angestellte Ärzte. Von den Landesärztekammern mit der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) abge- schlossene Kollektivverträge bestehen für in Ordinationen und Gruppenpraxen angestellte Dienstnehmer, die dem Angestell- tengesetz unterliegen. Kraft der Außenseiterwirkung von Kollektivverträgen auf Arbeitnehmerseite gilt ein von der Gewerk- schaft für alle Angestellten in Ordinationen abgeschlossener Kollektivvertrag grundsätzlich auch für Ärzte, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind. Dass in den bestehenden Kollektivverträgen keine Ausnahme von Ärzten aus dem persönlichen Gel- tungsbereich des Kollektivvertrages vorgesehen ist, mag darin liegen, dass die Möglichkeit der Anstellung von Ärzten – noch nicht Bedacht wurde. Ein die spezifische Interessenlage der Ärzte berücksichtigender Kollektivvertrag, der von der Kurie der angestellten Ärzte und der Kurie der niedergelassenen Ärzte abgeschlossen wird, wäre sowohl für die Arbeitgeber- als auch für die Arbeitnehmerseite von Vorteil.


Haftung aus dem Behandlungsvertrag

Der Behandlungsvertrag kommt zwischen dem Ordinationsinhaber und dem Patienten zu Stande. Der Patient steht zum ange- stellten Arzt in keiner vertraglichen Beziehung, sodass im Außenverhältnis der Ordinationsinhaber für Behandlungsfehler des angestellten Arztes die volle vertragliche Haftung trägt. Der angestellte Arzt ist Erfüllungsgehilfe des Ordinationsinhabers. Ver- ursacht die persönliche Behandlung des angestellten Arztes beim Patienten einen Schaden, für den der Ordinationsinhaber als Vertragspartner des Behandlungsvertrages einzugestehen hat, ist bei der Geltendmachung von Regressansprüchen des Ordinationsinhabers gegenüber dem angestellten Arzt das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) zu berücksichtigen, das Haf- tungserleichterungen für den Arbeitnehmer vorsieht.

Die Anwendung des DHG auf den als Arbeitnehmer einzustufenden Arzt steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu den berufsrechtlichen Vorgaben, die bei der Anstellung von Ärzten in Ordinationen oder Gruppenpraxen zu berücksichtigen sind. Der in einer Einzelordination oder einer Gruppenpraxis angestellte Arzt ist in fachlicher Hinsicht weisungsfrei und trägt die me- dizinische Letztverantwortung, was im Schadensfall bei Regressansprüchen des Ordinationsinhabers von wesentlicher Bedeu- tung ist. Die fachliche Weisungsfreiheit führt zu einer Haftungsverschärfung, die das Gericht bei der Bemessung der Ersatz- pflicht des angestellten Arztes zu berücksichtigen hat. Neben dem Ausmaß der Verantwortung des Dienstnehmers, der Ar- beitsbedingungen und der Schadensgeneigtheit der Tätigkeit an sich stellt das DHG darauf ab, ob bei der Bemessung des arbeitsvertraglichen Entgelts ein mit der ausgeübten Tätigkeit verbundenes Wagnis berücksichtigt worden ist. Das Ausmaß der Haftung des angestellten Arztes gegenüber dem Ordinationsinhaber im Schadensfall hängt daher auch von der Höhe des ar- beitsvertraglichen Entgelts ab.