Epilepsie bei Erwachsenen:
Diagnose und Therapie
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Eine Epilepsie kann in jedem Lebensalter auftreten. Zwischen den Anfällen zeigen sich meist keine körperlichen Beschwerden.
Epilepsie zeigt sich durch eine Überaktivität einzelner Hirnregionen, die in Folge epi- leptische Anfälle auslösen. Dabei können lediglich einzelne Muskeln betroffen sein oder der gesamte Körper krampft. Eine Epilepsie kann unterschiedliche Ursachen ha- ben. 60 von 100.000 Kindern pro Jahr haben epileptische Anfälle, 30 bis 50 aus 100.000 der unter 60-Jährigen sind betroffen. Ab dem 60. Lebensjahr sind es 140 von 100.000.
Einzelne epileptische Anfälle sind noch keine Epilepsie, sondern gelten als sogenann-
te Gelegenheitsanfälle, bei denen bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die als Auslöser fungieren. Gelegenheitsanfälle bergen aber ein hohes Risiko, dass sich eine Epilepsie entwickelt. Bei manchen Menschen können das zum Beispiel Reize wie Flackerlicht auslösen. Zu wenig Schlaf oder übermäßiger Alkoholgenuss ebenso wie Alkoholentzug sind ebenfalls mögliche Ursachen. Bei Kindern kann hohes Fieber ein Auslöser für Krampfanfälle sein. Oft zeigt auch die Familienanamnese, dass Epilepsie über mehrere Generationen hinweg auftritt, sodass Hinweise auf eine ge- netische Veranlagung für die Erkrankung vorliegen.
Eine weitere „Gelegenheit“ kann auch eine akute Erkrankung wie etwa eine Enzephalitis, eine Meningitis oder eine Kopfverletzung sein. Nach Ab- klingen der ursprünglichen Erkrankung hören die Anfälle dann häufig wieder auf. Typisch ist, dass sich der Gelegenheitskrampf zu Beginn einer akuten Erkrankung ereignet. Wenn zwei Anfälle im Abstand von 24 Stunden auftreten, so kann man davon ausgehen, dass es eine manifeste Epi- lepsie ist – alles andere wäre ein Gelegenheitsanfall. Häufig lässt sich jedoch keine eindeutige Ursache für das Auftreten von epileptischen Anfäl- len feststellen.
Formen und Symptome
Zur Einteilung der sich stark unterscheidenden epileptischen Anfallsformen wird die Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie (Internatio- nal League Against Epilepsy – ILAE) herangezogen. Danach wird eine Epilepsie zunächst anhand ihres Beginns klassifiziert und das äußere Er- scheinungsbild des Anfalls betrachtet:
• Generalisierter Anfall: Bei der generalisierten Epilepsie ist das ganze Gehirn am Anfallsgeschehen beteiligt. Häufig ist das Bewusstsein beein- trächtigt oder Betroffene werden bewusstlos.
• Fokaler bzw. partieller Anfall: Klar zu identifizierende Teilbereiche des Gehirns sind am Anfall beteiligt.
• Akut symptomatische Anfälle (ASA): Sie werden nicht als Teil einer epileptischen Erkrankung eingestuft, sondern sind den epileptischen Anfällen lediglich ähnlich. Die Ursachen für einen solchen akut symptomatischen Anfall treten in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Erkrankun- gen auf.
Mögliche Symptome eines epileptischen Anfalls reichen von motorischen Ausfällen wie Stürzen oder Einschränkungen des Seh- und Sprechvermögens über Muskelzuckungen einzelner Regionen oder am ganzen Körper bis zu Schwindel oder Bewusstlosigkeit. Die meisten Betroffenen suchen bereits nach dem ersten Ereignis einen Hausarzt oder Neu- rologen auf.
Diagnose und Therapie
Über bildgebende Diagnostik (MRT) wird das Vorliegen einer organischen Störung aus- geschlossen. Mittels EEG werden Areale im Gehirn identifiziert, die möglicherweise eine erhöhte Erregungsbereitschaft zeigen. Ist eine Epilepsie diagnostiziert, so stehen sehr gut wirksame Antiepileptika als Monotherapie oder als Kombinationstherapie zur Verfü- gung, die eine übermäßige Aktivität in bestimmten Gehirnregionen hemmen. Antiepilep- tika heilen zwar nicht die Ursachen der Epilepsie, können aber das Risiko senken, dass
es zu Anfällen kommt. Um die Wirkstoffkonzentration im Blut konstant zu halten, muss das Medikament regelmäßig eingenommen werden. Ein häu- figer Grund für mangelnde Adherence sind auftretende Nebenwirkungen. Dazu zählen unter anderem Müdigkeit, Schwindel, Sehen von Doppelbil- dern, Gewichtsabnahme oder -zunahme und Hautausschlag. Dosisanpassungen sind möglich, um Nebenwirkungen zu verringern. Bei den meis- ten Antiepileptika wird zu Beginn der Behandlung eine relativ niedrige Dosis eingesetzt, die schrittweise erhöht wird, um eventuelle Nebenwirkun- gen zu vermeiden. Prinzipiell sollte das Heraufsetzen der Dosis langsam erfolgen, damit der Körper sich an die neuen Dosierungen gewöhnen kann und möglichst wenige Nebenwirkungen auftreten.
Bessert sich eine Epilepsie trotz medikamentöser Therapie nicht, kann in bestimmten Fällen eine Operation helfen. Diese Möglichkeit besteht bei einer fokalen Epilepsie, bei der die Anfälle von einer bestimmten Stelle im Gehirn ausgehen, also der Herd gut lokalisiert und entfernt werden kann. Helfen weder Medikamente noch ist eine Operation indiziert, können die Stimulationsverfahren wie die sogenannte Vagusnerv-Stimulation (VNS) oder tiefe Hirnstimulation (THS) eine Alternative sein. Sie können bewirken, dass Anfälle seltener auftreten oder deren Dauer zumindest verkürzt wird. Allerdings führen sie nur in Ausnahmefällen zur vollkommenen Anfallsfreiheit.
Während bisher unter kurativen Gesichtspunkten überwiegend resektive Eingriffe zur Verfügung standen, erlaubt die minimalinvasive interstitielle Laserthermoablation (LITT) nun auch den Zugang zu kleineren Läsionen in der Tiefe des Gehirns, die operativ nur schwer zugänglich sind. Die Vorteile dieser neueren Methode gegenüber traditionellen Verfahren ist die Möglichkeit der Probenentnahme zur Diagnosesicherung und die wie- derholte Anwendung und Kombination mit anderen Therapien. Neurologische, neuropsychologische und kognitive Funktionen können besser be- wahrt werden. Die bisherigen Erfahrungen mit dieser Methode sind vielversprechend und zeigen eine deutliche Reduktion der Anfallhäufigkeit.
Tipps für Ihre Patienten
Was tun bei einem epileptischen Anfall?
• Ruhe bewahren und den Betroffenen nicht alleine lassen
• Für Sicherheit sorgen: Hinlegen, Kopf weich polstern
• Nichts in den Mund schieben!
• Gefährliche Gegenstände aus dem Umfeld entfernen
• Enge Kleidung lockern, eventuell Brille entfernen
• Abwarten und Betroffenen beruhigen
• Dauert der Anfall länger als fünf Minuten: Notruf wählen