Forschung & Covid | Covid-Update
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Hot Topics aus der Diabetesforschung
Obwohl in den letzten Monaten der gesellschaftli- che, mediale und auch wissenschaftliche Alltag von der Covid-19-Pandemie beherrscht wurde, kann jedoch auch im Bereich der Diabetesfor- schung über Neuigkeiten berichtet werden.
Die Entwicklung völlig neuer blutzuckersenkender Therapeutika beziehungswei- se die Modifizierung altbekannter Substanzen wird ebenso wie die Weiterent- wicklung von diabetestechnologischen Instrumenten zukünftig dazu beitragen, die individualisierte Diabetestherapie, die einen unabdingbaren Faktor aktueller diabetologischer Therapieempfehlungen darstellt, weiter in den Vordergrund zu rücken.
Neue langwirksame Insuline: Nur noch 1x pro Woche
Die Ergebnisse zweier Phase-II-Studien, in welchen ein einmal wöchentlich zu verabreichendes Langzeitinsulin bei Menschen mit Typ-2-Diabetes über einen Zeitraum von sechs Monaten getestet wurde, zeigten, dass Insulin Icodec (Novo Nordisk) im Vergleich zum bereits vermarkteten Insu- lin glargin U100 eine ähnliche HbA1c-Senkung bei vergleichbarem Sicherheitsprofil sowohl bei insulinnaiven1 als auch bei bereits mit Insulin be- handelten Patienten2 bot. Obwohl mit Icodec eine höhere Insulindosis zur Erreichung einer suffizienten Blutzuckerkontrolle notwendig war, wurde keine größere Gewichtszunahme verzeichnet. Offen blieben in dieser Studie Fragen zur Patientenzufriedenheit und auch die fehlende Möglichkeit einer tagtäglichen Basalinsulindosisadaptierung, zum Beispiel im Rahmen von Sport oder im Rahmen von akuten Erkrankungen.
Ein zweites, ebenfalls einmal wöchentlich zu verabreichendes Basalinsulin (LY3209590, Eli Lilly) wird aktuell auch im Rahmen von Studien unter- sucht. In einer randomisiert-kontrollierten Studie wurden Menschen mit Typ-2-Diabetes über 32 Wochen entweder mit dem Studieninsulin oder mit Insulin degludec behandelt. Während in der mit LY3209590 behandelten Gruppe eine vergleichbare HbA1c-Senkung demonstriert wurde, zeigte sich unter Insulin degludec zwar eine niedrigere Nüchternglukose, allerdings eine höhere Rate von leichten Hypoglykämien, wenn mit zwei ver- schiedenen Dosierungen des Studieninsulins verglichen wurde. Auch in dieser Studie war kein signifikanter Unterschied im Gewichtsverlauf objek- tivierbar. Diese Insuline werden nun auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes untersucht.
Modifizierte Inkretinmimetika: Duale/Triple-Agonisten
In den letzten Jahren gewannen Glukagon-like-Peptide-1-Rezeptor-Agonisten (GLP1-RA) zunehmende Bedeutung im therapeutischen Einsatz bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Neben einer signifikanten Gewichtsabnahme und Blutzuckersenkung konnten in Studien einzelner Substanzen (Li- raglutide, Dulaglutide, Semaglutide, Albiglutide) auch positive Effekte auf kardiovaskuläre Endpunkte demonstriert werden, sodass aktuelle Leitlini- en auf den bevorzugten Einsatz dieser Substanzklassen bei kardiovaskulären Vorerkrankungen oder einem hohen Risiko für solche hinweisen. Bis- her nur im klinischen Studiensetting unter Verwendung sind sogenannte Dualagonisten oder Twincretins, bei welchen neben GLP1 auch das glu- koseabhängige insulinotrope Peptidhormon (GIP) eingesetzt wird. Im Rahmen des SURPASS-Programms hat der duale Agonist Tirzepatide eine überlegene HbA1c- und Gewichtssenkung gegenüber Placebo3, einmal wöchentlich injizierbarem Semaglutide4, sowie Insulin degludec5 gezeigt. Gastrointestinale Nebenwirkungen, vor allem Übelkeit, wie schon unter GLP1-RA beobachtet, traten in den mit Tirzepatide behandelten Gruppen häufiger auf. Vielversprechende präklinische Studienergebnisse zeigten auch Triagonisten, bei welchen zusätzlich zu den beiden Inkretinhormo- nen auch Glukagon therapeutisch eingesetzt wird. In Tiermodellen wurde neben einer noch besseren Gewichtsreduktion auch ein erheblicher Ef- fekt auf die Blutfette und das Leberfett beobachtet6.
Von der blutzuckersenkenden Therapie zur Diabetesremission
Auf Basis der Entwicklung der oben beschriebenen modifizierten Inkretinmimetika und positiven Daten ernährungsmedizinischer Interventionen oder bariatrischer Eingriffe wurde kürzlich ein Konsensuspapier publiziert, welches sich mit der Definition der Diabetesremission beschäftigt7,8. Dies ist wissenschaftlich von großer Bedeutung, da es darum geht, wie sehr die Pathophysiologie des Typ-2-Diabetes beeinflusst werden kann, wie nachhaltig derartige Remissionen sein können und welcher langfristige Benefit zu erwarten ist.
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1. Lingvay, I., et al., A Randomized, Open-Label Comparison of Once-Weekly Insulin Icodec Titration Strategies Versus Once-Daily Insulin Glargine U100. Diabetes Care, 2021.
2. Bajaj, H.S., et al., Switching to Once-Weekly Insulin Icodec Versus Once-Daily Insulin Glargine U100 in Type 2 Dia- betes Inadequately Controlled on Daily Basal Insulin: A Phase 2 Randomized Controlled Trial. Diabetes Care, 2021.
3. Rosenstock, J., et al., Efficacy and safety of a novel dual GIP and GLP-1 receptor agonist tirzepatide in patients with type 2 diabetes (SURPASS-1): a double-blind, randomised, phase 3 trial. Lancet, 2021. 398(10295): p. 143-155.
4. Frias, J.P., et al., Tirzepatide versus Semaglutide Once Weekly in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med, 2021. 385(6): p. 503-515.
5. Ludvik, B., et al., Once-weekly tirzepatide versus once-daily insulin degludec as add-on to metformin with or without SGLT2 inhibitors in patients with type 2 diabetes (SURPASS-3): a randomised, open-label, parallel-group, phase 3 trial. Lancet, 2021. 398(10300): p. 583-598.
6. Capozzi, M.E., et al., Targeting the Incretin/Glucagon System With Triagonists to Treat Diabetes. Endocr Rev, 2018. 39(5): p. 719-738.
7. Riddle, M.C., et al., Consensus Report: Definition and Interpretation of Remission in Type 2 Diabetes. Diabetes Care, 2021.
8. Riddle, M.C., et al., Consensus report: definition and interpretation of remission in type 2 diabetes. Diabetologia, 2021. 64(11): p. 2359-2366.