Fortbildung & Klinik I Verband der leitenden Krankenhausärzte Österreichs

Spitäler als Impulsgeber für Nachhaltigkeit

Das Krankenhaus von morgen ist smart, green und vor allem nachhaltig.

Der aktuelle Megatrend „Nachhaltigkeit“ ist und wird noch mehr zum „Motor“ des Wandels unserer Gesellschaft und des Gesundheitssystems werden. Nachhaltigkeit mit Umweltschutz gleichzusetzen, wäre dabei aber viel zu kurz gedacht. Denn es geht um viel mehr, vor allem auch um wirtschaftliche und soziale Aspekte.


Agenda 2030

Bei einem Gipfeltreffen der Vereinten Nationen (United Nations, UN) vom 25. bis 27. Septem- ber 2015 wurde die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ unter dem Titel „Transforma- tion unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ beschlossen. Alle 193 Mit- gliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichteten sich damals, auf die Umsetzung der Agen-

da 2030 mit ihren 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene bis zum Jahr 2030 hinzuarbeiten (siehe Kasten Ziele für nachhaltige Entwicklung).

In Österreich wurden mit dem Ministerratsbeschluss vom 12. Jänner 2016 die Bundesministerien zur kohärenten Umsetzung der „Agenda 2030“ beauftragt. In der zugleich geschaffenen interministeriellen Arbeitsgruppe „Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“, in der alle Bundesministerien durch offizielle SDG-Verantwortliche vertreten sind, wurde im März 2017 unter Vorsitz des Bundeskanzleramtes und des Bun- desministeriums für Europa, Integration und Äußeres eine erste Darstellung auf Basis beispielhaft angeführter Implementierungsmaßnahmen der Bundesministerien erarbeitet und veröffentlicht. Im Sinne eines Multi-Stakeholder-Ansatzes sind Bundesländer, Städte und Gemeinden, Sozialpart- ner und Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in die Umsetzung der Agenda 2030 involviert. Der Fokus der Interministeri- ellen Arbeitsgruppe (IMAG) zur Agenda 2030 liegt auf der allgemeinen Koordinierung und dem Austausch mit relevanten Akteuren. Die SDGs sind in Österreich aktuell nicht nur in bundesweiten Strategiedokumenten verankert, wie der aktuellen Klima- und Energiestrategie #mission2030, dem Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik 2019–2021, der Außenwirtschaftsstrategie, den Gesundheitszielen Österreichs, den Baukulturellen Leitlinien des Bundes oder der Österreichischen Jugendstrategie, welche die SDGs über die European Youth Goals einbindet. Auch Österreichs Bundesländer nehmen in ihren Strategiedokumenten auf die SDGs Bezug. Die SDGs sind zum Teil auf Bundes- und Landesebe- ne mit den Wirkungszielen der Verwaltung verbunden und werden auch im öffentlichen Förderwesen berücksichtigt.


Klima und Gesundheit

Von der WHO werden weltweit etwa ein Viertel aller Krankheits- und Todesfälle als umweltassoziiert angesehen. Dazu gehören viele Faktoren wie beispielsweise unsicheres Trinkwasser, schlechte sanitäre und Hygienebedingungen, Umweltverschmutzung, aber natürlich auch der Klimawan- del. Der Klimawandel stellt ein wirkliches Gesundheitsproblem dar und wird in Zukunft noch einen größeren Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Leben haben. Das Journal Lancet nannte den Klimawandel sowohl die „größte globale Gesundheitsbedrohung“, aber auch zugleich „größte Chance des 21. Jahrhunderts“.

Von den Folgen des Klimawandels werden grundsätzlich alle Menschen betroffen sein, doch nicht alle sind gleichermaßen gefährdet. Dies hängt in hohem Maße von der individuellen Disposition und vom individuellen Verhalten ab. Speziell ältere Menschen, Kinder, Schwangere und Men- schen, die im Freien arbeiten oder an chronischen Krankheiten leiden, werden von den klimatischen Veränderungen stärker betroffen sein.


Emissionen durch das Gesundheitswesen

Nicht nur der Klimawandel hat einen gewaltigen Ein- fluss auf die Gesundheit der Menschen und somit auf unser Gesundheitssystem, die Gesundheitsleistungen tragen wiederum ihrerseits zum Klimawandel bei. Konkret beträgt der Beitrag des Gesundheitssektors weltweit am Klimawandel rund 5-7 %. Der größte An- teil an Treibhausgasemissionen (THG) wird von medi- zinischen Produkten und Arzneimitteln sowie durch den Energieverbrauch verursacht. Dabei entstehen die Emissionen oft nicht bei der Verwendung, son- dern bei Rohstoffgewinnung, Produktion und Trans-

port von Produkten und Verpackungen (ca. 70 % der Emissionen im Gesundheitssektor werden durch die oft lineare „Lieferkette“ verursacht).

Krankenhäusern, die sicherlich eine zentrale Bedeutung im Gesundheitssystem und bei der Patientenversorgung spielen, kommt somit eine zentra- le Bedeutung zu, denn sie sichern nicht nur Versorger, sondern sie können auch als Impulsgeber für Nachhaltigkeit einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie in ihrer eigenen Funktionsweise Kriterien der Nachhaltigkeit berücksichtigen (Tabelle rechts).

Krankenhäuser und ihre Mitarbeitenden haben bereits heute die Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags so ressourcen- und klimaschonend wie mög- lich zu arbeiten, ohne die Qualität der medizinischen Versorgung zu gefährden. Das fängt bereits bei Planung und Bau des Krankenhauses an und beinhaltet dann auch viele unterschiedliche Aspekte beim Betrieb. Die heutigen modernen Krankenhäuser sind Einrichtungen mit hohem Technisie- rungsgrad. Daher geht eine patientenorientierte Spitzenmedizin auch immer mehr mit einem hohen Energieverbrauch einher. Gleichzeitig bringt aber auch der Einsatz unterschiedlicher moderner Technologien ein hohes Einsparungspotenzial mit sich. Dazu gehören zum Beispiel betriebliche Nachhaltigkeitskonzepte, vor allem mit den Schwerpunkten Energie- und Wasserverbrauch sowie die Abfallreduktion. Viele noch in Betrieb befindli- che Krankenhäuser wurden bereits in den 60er- bis 80er-Jahren erbaut; somit führen Investitionen in moderne Anlagentechnik und eine effektive Wärmedämmung sowie sparsamer Wasserverbrauch schon unmittelbar zu einer verbesserten Energiebilanz und somit auch zu verringerten Kos- ten. Gleiches gilt für ein professionelles Abfallmanagement.


Digitalisierung schafft Nachhaltigkeit

Somit kann Hochleistungsmedizin unter dem Einsatz neuster Methoden und Maschinen auch klimafreundlich betrieben werden. Hochleistungsme- dizin ist somit eine Synergie aus dem Einsatz von hoch leistungsstarken Techniken und den bestmöglichen Leistungen des medizinischen Perso- nals. Krankenhäuser haben somit nicht nur ein großes Potenzial in Bezug auf ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, sondern vor allem auch in Bezug auf Vorbildfunktion. Das Krankenhaus der Zukunft wird aber nicht nur effizienter als bislang arbeiten „müssen“, sondern auch deutlich menschen- bzw. mitarbeiterorientierter, denn die „Ressource“ Mitarbeiter scheint derzeit auch in vielen Bereichen „limitiert“ zu sein. Exemplarisch sei hier nur der Pflegemangel erwähnt. Somit wird die notwendige Effizienzsteigerung auch nur durch den vermehrten Einsatz digitaler Technologi- en möglich sein – auch wenn nur teilweise. Schon die Pandemie-Zeit hat uns klar die Bedeutung der Digitalisierung vor Augen geführt. Exempla- risch sei hier nur die Telemedizin erwähnt, die uns einerseits den „direkten“ Kontakt zu unseren Patienten ermöglicht und andererseits dazu geführt hat, dass einigen Patienten längere Autofahrten erspart geblieben sind. Somit stellt Telemedizin einen Beitrag zu mehr Patientenorientierung und auch einen Beitrag zum Umweltschutz dar, da Patienten nicht ins Krankenhaus fahren müssen, sondern das Krankenhaus virtuell zu ihnen nach Hause kommt.

Damit bringt die Digitalisierung nicht nur eine Patientenorientierung mit sich, sondern sie führt auch zu Effekten zugunsten der Umwelt. Die positi- ven Effekte auf die Umwelt (Green Effects) durch die Umsetzung des Smart Hospitals stehen teilweise aber noch am Anfang und können und sollen auch nicht konventionelle Maßnahmen wie die Dämmung von Gebäuden, Investitionen in moderne Heizungsanlagen und vieles mehr ersetzen.


Verantwortung der Mitarbeiter

Entscheidend ist aber, dass Nachhaltigkeit immer die Summe zahlreicher Einzelmaßnahmen ist, und nicht nur Aspekte wie Digitalisierung, effiziente Wassernutzung, eine erhöhte Energieeffizienz und die Verbauung von umweltfreundlichen Materialien beinhaltet, sondern vor allem auch Aspekte der Kommunikation und Bewusstseinsbildung beinhaltet: nämlich zur Bewusstseinsbildung in Bezug auf einen bewussteren Umgang mit Ressourcen.

Denn hier gilt der Grundsatz: Motiviert ist nur, wer auch informiert ist. Das Wissen und das Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge und kon- krete Verbesserungsvorschläge sind die Grundvoraussetzung dafür, dass Mitarbeitende ökologisch handeln und routinierte Abläufe im Alltag ver- ändern. Dazu gehören einfachste Verhaltensweisen wie das Licht bei Verlassen des Büros auszuschalten, Computer herunterzufahren und nicht ganztägig bei offenem Fenster im Büro zu heizen. Schätzungen zufolge können durch verändertes Nutzerverhalten 20 bis 30 %  der aufgebrachten Energie eingespart werden. Ich glaube, dass in Zukunft Krankenhäuser „smarter“ und „grüner“ sein werden und das Thema „Nachhaltigkeit“ noch massiv an Bedeutung gewinnen wird, denn smart und green stehen für eine nachhaltige Medizin und nachhaltige Gesundheit im Interesse unserer Gesellschaft.

Ein nachhaltiges Krankenhaus fördert also die öffentliche Gesundheit, verbessert die medizinische Versorgung und das unter kontinuierlicher Re- duktion seiner Umweltauswirkungen. Ein nachhaltiges Krankenhaus erkennt den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Umwelt und demons- triert dieses Verständnis durch seine Governance, Strategie und seinen Betrieb. Es verbindet lokale Bedürfnisse mit Umweltmaßnahmen und prakti- ziert Primärprävention durch aktives Engagement in den Bemühungen um die Förderung der Gesundheit. Somit ist das Krankenhaus von morgen smart, green und vor allem nachhaltig.

FOTO: ZVG, ISTOCKPHOTO/ PANAEK