GVA, Kur & Präventivmedizin | Gastkommentar

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Ich kann das nicht, ich schaff das nicht …

Das letzte Jahr hat nicht nur die bekannten Veränderun- gen im Zusammenhang mit der Pandemie erscheinen las- sen. Auch allgemein sind die Patienten – oder wir selbst? – anders geworden. Das hat Folgen für den Therapiealltag.

Objektiv gesehen haben die Klagen über Erschöpfung, Auslaugung, Ermüdung oder Schlafstörungen zugenommen. Burnout wird häufig angegeben und ist salonfähig gewor- den. Die Ursachen für diese Klagen sind vielfältig: zu wenig Freizeit, chronische Überfor- derung, häuslicher Stress, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch der Status post einer Covidinfektion wird genannt. Meist aber gibt es keine harten Parameter, wie zum Beispiel pathologische Laborbefunde oder Herzinsuffizienz. Nur der zeitliche Zusammenhang mit der Pandemie wird anamnestisch häufig angegeben.


Mangelnde Belastbarkeit

Fakt ist, die zu uns auf Kur und Reha kommenden Personen sind nicht mehr so belastbar wie früher und das hat Auswirkungen auf die Therapien und die Patientenführung. Im Bereich der Therapien zeigt sich, dass die Anzahl der Therapien als zu hoch empfunden wird, insbesondere die der aktiven Therapien, wie Gymnastik oder Ausdauertraining. Das Sitzfahrrad mit 25 Watt über nur fünf Minuten treten zu können ist für manche Perso- nen unvorstellbar, geschweige denn länger. Gymnastik, auch sehr moderat, wird nicht durchgehalten. Übrigens wird das Wandern als regenerie- rend empfunden und unterstützt den Kurerfolg, aber die Strecken sind kürzer geworden, man ist nicht mehr so fit. Die Basisfitness ist allgemein gesunken.

Änderungen im Therapieplan im Sinn längerer Pausen zwischen den Therapien zwecks Erholung lösen das Problem fallweise. Die Regenerations- fähigkeit scheint eingeschränkt. Interessanterweise werden auch die sogenannten passiven Therapien wie Packungen oder Bäder als anstrengend empfunden, ein Umstand, der früher nicht so häufig zu beobachten war. Wärme wird nicht so gut toleriert. Teilweise berichten Patienten, dass sie nach den Thermalbädern ein erhöhtes Schlafbedürfnis haben. Frühere Studien zeigen, dass manche natürlichen Heilmittel sehr wohl auch im Be- reich der Neurotransmitter eine Wirkung zeigen und das erhöhte Schlafbedürfnis spiegelt das wahrscheinlich wider.


Hohes Maß an Motivation erforderlich

In der Patientenführung sind derzeit besonderes Verhandlungsgeschick, Motivierungsvermögen und Geduld gefordert. Sehr viel Motivation ärztli- cherseits ist erforderlich. Diese Situation erfordert gute Teamarbeit mit der Psychologie, der Sportmedizin und der Physiotherapie. Auch die Thera- pieeinteilung ist gefordert, da oftmals Therapien umgeteilt oder geändert werden müssen. Und bei Sozialversicherungspatienten muss der vorge- gebene Therapierahmen, das Leistungsprofil, eingehalten werden können. Manchmal wünscht man sich, es gäbe ein eigenes Programm für die erwähnte Personengruppe. Aus all diesen Beobachtungen kann man nur lernen und besser werden. Übrigens: Die natürlichen Heilmittel können, geschickt eingesetzt, die Erholung und Regeneration unterstützen. Diese Option sei den Kurorten ans Herz gelegt.