MEDIZIN | Cholesterin

FOTOS: MED UNI WIEN/MATERN - FEELIMAGE, ADOBE STOCK/ ALEXANDER RATHS, ADOBE STOCK/ HYWARDS

Gender- Perspektive:

Weibliche

Cholesterin- Patienten

Es gibt wesentliche geschlechtsspezifi- sche Unterschiede in der Therapie von Hy- perlipidämien, wobei vor allem Frauen sel- tener die empfohlenen Cholesterin-Ziel- werte erreichen, eine schlechtere Thera- pieadhärenz und auch ein höheres Neben- wirkungsprofil aufweisen.

AUTOREN:

Priv.-Doz. Dr. Michael Leutner, MSc PhD

Universitätsklinik für Innere Medizin 3,

Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel,

MedUni Wien





Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer

Universitätsklinik für Innere Medizin 3,

Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel,

MedUni Wien,

Wissenschaftliche Leitung des Instituts für

Gendermedizin, Gars am Kamp

Die Zahl an atherosklerotisch-kardiovaskulären Erkrankungen ist in vielen Teilen Europas rückgängig. Dennoch haben sie noch immer ei- nen beträchtlichen Anteil an der Morbiditäts- und Mortalitätsrate der Bevölkerung. Ein gesunder Lebensstil, wie zum Beispiel eine ausge- wogene und gesunde Ernährung oder die Vermeidung von Nikotin- konsum, werden von der europäisch kardiologischen Gesellschaft als wichtige Maßnahmen bei Fettstoffwechselstörungen und in der Prä- vention von atherosklerotischen Herzkrankheiten angeführt. Da diesen Empfehlungen häufig nicht Folge geleistet wird und alleine damit auch oft die Zielwerte nicht erreicht werden können, sind medikamen- töse Therapien zur Senkung des Cholesterinspiegels notwendig.

Frauen haben allgemein ein niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Er- krankungen als Männer und entwickeln diese zumeist

auch erst circa zehn Jahre später. Diese geschlechtsspezifischen Un- terschiede resultieren hauptsächlich durch den Wegfall des protekti- ven Effektes der weiblichen Geschlechtshormone mit Eintritt der Me- nopause. Interessanterweise treten kardiovaskuläre Erkrankungen bei

Frauen zwar später auf als bei Männern, dennoch ist die Rate an Todesfällen verursacht durch kardiovaskuläre Erkrankungen bei Frauen höher.


Therapieadhärenz bei Frauen

Therapieadhärenz ist ein wichtiger Faktor, um die maximalen Effekte einer cholesterinsenkenden Therapie erreichen zu können. Aus früheren Studi- en geht hervor, dass Frauen eine schlechtere Therapieadhärenz unter Statintherapien haben, verglichen mit Männern. Mit einer Odds Ratio von 1.10 wurde das höhere Risiko einer schlechteren Therapieadhärenz bei Frauen in einer Meta-Analyse numerisch dargestellt. Ähnliches geht auch aus einem weiteren Review hervor, der zusätzlich aufzeigen konnte, dass der Zusammenhang zwischen höherem Einkommen und Therapieadhä- renz bei Frauen nicht so stark ausgeprägt ist wie bei Männern. Interessanterweise war vor allem auch ein höheres Bildungslevel bei Frauen nicht so ausschlaggebend bei der Therapieadhärenz, wie es bei den Männern der Fall war. Neben den geschlechtsspezifischen Unterschieden spielen beim Zugang zu Gesundheitseinrichtungen auch das Alter, die Herkunft, der Zugang zu Medikamenten oder der sozioökonomische Status eine wichtige Rolle bei der Therapieadhärenz.

Hinsichtlich Nebenwirkungsprofil konnten auch relevante geschlechtsspezifische Unter- schiede bei cholesterinsenkenden Medikamenten beobachtet werden. Dabei dürfte vor al- lem auch das höhere Risiko Statin-assoziierter Muskelschmerzen bei Frauen mit der schlechteren Therapieadhärenz zusammenhängen. In einer rezent publizierten Meta-Analy- se wurde das weibliche Geschlecht generell mit einer Odds Ratio von 1.47 (im Vergleich zu Männern) mit einem deutlich höheren Risiko für Statinintoleranz in Verbindung gebracht. Es gibt Evidenz dafür, dass Frauen neben dem erhöhten Risiko für Muskelschmerzen auch ein höheres Diabetesrisiko unter Statintherapien im Vergleich zu Männern haben. Aus einer Stu- die, bei der mehr als 252.000 Patientinnen und Patienten mit einer neu begonnenen lipid- senkenden Therapie untersucht wurden, geht hervor, dass Frauen ein höheres Risiko für die gefürchtete Statin-induzierte Rhabdomyolyse hatten. Hinsichtlich Nebenwirkungsprofil unter PCSK-9-Inhibitoren liegen nur wenige Daten vor, klare Evidenz gibt es dafür noch nicht.


Cholesterinsenkender Effekt

In der Cholesterinsenkung erreichen Frauen unter lipidsenkenden Therapien seltener die vorgegebenen Zielwerte. Dies konnte auch unter Hoch- dosis-Statintherapien bei Frauen beobachtet werden. Erschreckenderweise wurde bei Frauen mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko in vor- liegenden Studien auch eine geringere Verschreibungsrate von cholesterinsenkenden Medikamenten im Vergleich zu Männern beobachtet. Prinzi- piell ist nicht auszuschließen, dass Statine generell bei Frauen einen schwächeren lipidsenkenden Effekt haben. Unter einer Therapie mit dem Cho- lesterinabsorptionshemmer Ezetimib wurden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Effektivität der Cholesterinsenkung beschrieben.

Bempedoinsäure hat in vorliegenden Studien bessere cholesterinsenkende Effekte bei Frauen gezeigt. In einer gepoolten Datenanalyse von vier Phase-3-Studien war das weibliche Geschlecht mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit verbunden, unter einer Therapie mit Bempedoinsäure eine >30 % Reduktion des LDL-Cholesterins zu erreichen. Auch in einer randomisiert Placebo-kontrollierten Studie konnten die stärkeren cholesterin- senkenden Effekte von Bempedoinsäure bei Frauen im Vergleich zu Männern gefunden werden.

Unter einer Therapie mit PCSK-9-Inhibitoren konnten auch geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich Cholesterinsenkung beobachtet wer- den. In einer Studie mit einer Nachbeobachtungszeit von 20,4 Monaten hatten Frauen im Vergleich zu Männern eine geringere relative LDL-Chole- sterin-Reduktion unter einer neu begonnen Therapie mit einem PCSK-9-Inhibitor. Ähnliche Ergebnisse konnten auch in einer weiteren Studie bestä- tigt werden, bei der auch festgestellt wurde, dass die Menopause keinen Einfluss auf diese Ergebnisse hatte. Für eine Therapie mit Inclisiran wur- den bisher keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Cholesterinsenkung gefunden. Trotz einer sehr geringen Rate an Ne- benwirkungen, haben Frauen auch in einer weiteren retrospektiven Multicenter-Studie eine geringere LDL-Cholesterinsenkung unter Alirocumab und Evolocumab gezeigt.


Kardiovaskulärer Outcome

Bei einer Meta-Analyse, die die Daten von mehr als 134.000 Statin-therapierten Patientinnen und Patienten analysierte, wurde untersucht, ob es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Prävention von signifikanten vaskulären Ereignissen gibt. Dabei konnten keine Unterschiede in der Effektivität von Statinen gefunden werden – Statine waren bei beiden Geschlechtern gleichermaßen effektiv in der Prävention. In der SATURN-Stu- die konnte aufgezeigt werden, dass es bei Frauen mit einer koronaren Herzkrankheit unter einer Hochdosis-Statintherapie zu einer stärkeren Volu- menreduktion von koronaren Atheromen gekommen ist. Auch unter einer Therapie mit Evolocumab konnte eine stärkere Reduktion koronarer Athe- rosklerose bei Frauen beobachtet werden. Personalisierte Verschreibungen sollten vermehrt in den klinischen Alltag integriert werden, um die be- wiesene Effektivität von lipidsenkenden Therapien sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention in vollem Umfang ausnutzen zu können.

_____________________________________________________________________________________________________________________________________________

LITERATUR:


1.Visseren FLJ, Mach F, Smulders YM, Carballo D, Koskinas KC, Bäck M, et al. 2021 ESC Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. Eur Heart J. 2021;42(34):3227-337.

2.Cangemi R, Romiti GF, Campolongo G, Ruscio E, Sciomer S, Gianfrilli D, et al. Gender related differences in treatment and response to statins in primary and secondary car- diovascular prevention: The never-ending debate. Pharmacol Res. 2017;117:148-55.

3.Nicholas M, Townsend N, Scarborough P, Rayner M. Corrigendum to: cardiovascular disease in Europe 2014: epidemiological update. Eur Heart J. 2015;36(13):794.

4.Hope HF, Binkley GM, Fenton S, Kitas GD, Verstappen SMM, Symmons DPM. Systematic review of the predictors of statin adherence for the primary prevention of cardiovas- cular disease. PLoS One. 2019;14(1):e0201196.

5.Lewey J, Shrank WH, Bowry AD, Kilabuk E, Brennan TA, Choudhry NK. Gender and racial disparities in adherence to statin therapy: a meta-analysis. Am Heart J. 2013;165(5):665-78, 78.e1.

6.Mann DM, Woodward M, Muntner P, Falzon L, Kronish I. Predictors of nonadherence to statins: a systematic review and meta-analysis. Ann Pharmacother. 2010;44(9):1410-21.

7.Desai NR, Farbaniec M, Karalis DG. Nonadherence to lipid-lowering therapy and strategies to improve adherence in patients with atherosclerotic cardiovascular disease. Clin Cardiol. 2023;46(1):13-21.

8.Goldstein KM, Zullig LL, Bastian LA, Bosworth HB. Statin Adherence: Does Gender Matter? Curr Atheroscler Rep. 2016;18(11):63.

9.Bytyçi I, Penson PE, Mikhailidis DP, Wong ND, Hernandez AV, Sahebkar A, et al. Prevalence of statin intolerance: a meta-analysis. Eur Heart J. 2022;43(34):3213-23.

10.Schech S, Graham D, Staffa J, Andrade SE, La Grenade L, Burgess M, et al. Risk factors for statin-associated rhabdomyolysis. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2007;16(3):352-8.

11.Feng Z, Li X, Tong WK, He Q, Zhu X, Xiang X, et al. Real-world safety of PCSK9 inhibitors: A pharmacovigilance study based on spontaneous reports in FAERS. Front Phar- macol. 2022;13:894685.

12.Schoen MW, Tabak RG, Salas J, Scherrer JF, Buckhold FR. Comparison of Adherence to Guideline-Based Cholesterol Treatment Goals in Men Versus Women. Am J Cardiol. 2016;117(1):48-53.

13.Kosoglou T, Statkevich P, Johnson-Levonas AO, Paolini JF, Bergman AJ, Alton KB. Ezetimibe: a review of its metabolism, pharmacokinetics and drug interactions. Clin Phar- macokinet. 2005;44(5):467-94.

14.Ballantyne CM, Bays HE, Louie MJ, Smart J, Zhang Y, Ray KK. Factors Associated With Enhanced Low-Density Lipoprotein Cholesterol Lowering With Bempedoic Acid. J Am Heart Assoc. 2022;11(15):e024531.

15.Ray KK, Bays HE, Catapano AL, Lalwani ND, Bloedon LT, Sterling LR, et al. Safety and Efficacy of Bempedoic Acid to Reduce LDL Cholesterol. N Engl J Med. 2019;380(11):1022-32.

16.Vicente-Valor J, García-González X, Ibáñez-García S, Durán-García ME, de Lorenzo-Pinto A, Rodríguez-González C, et al. PCSK9 inhibitors revisited: Effectiveness and safe- ty of PCSK9 inhibitors in a real-life Spanish cohort. Biomed Pharmacother. 2022;146:112519.

17.Paquette M, Faubert S, Saint-Pierre N, Baass A, Bernard S. Sex differences in LDL-C response to PCSK9 inhibitors: A real world experience. J Clin Lipidol. 2022.

18.Ray KK, Wright RS, Kallend D, Koenig W, Leiter LA, Raal FJ, et al. Two Phase 3 Trials of Inclisiran in Patients with Elevated LDL Cholesterol. N Engl J Med. 2020;382(16):1507-19.

19.Cordero A, Fernández Del Olmo MR, Cortez Quiroga GA, Romero-Menor C, Fácila L, Seijas-Amigo J, et al. Sex Differences in Low-Density Lipoprotein Cholesterol Reduction With PCSK9 Inhibitors in Real-world Patients: The LIPID-REAL Registry. J Cardiovasc Pharmacol. 2022;79(4):523-9.

20.Fulcher J, O'Connell R, Voysey M, Emberson J, Blackwell L, Mihaylova B, et al. Efficacy and safety of LDL-lowering therapy among men and women: meta-analysis of individ- ual data from 174,000 participants in 27 randomised trials. Lancet. 2015;385(9976):1397-405.

21.Puri R, Nissen SE, Shao M, Ballantyne CM, Barter PJ, Chapman MJ, et al. Sex-related differences of coronary atherosclerosis regression following maximally intensive statin therapy: insights from SATURN. JACC Cardiovasc Imaging. 2014;7(10):1013-22.

22.King P, Puri R, Ballantyne C, Cho L, Brennan D, Kassahun H, et al. SEX-RELATED DIFFERENCE IN THE REGRESSION OF CORONARY ATHEROSCLEROSIS WITH THE PC- SK9 INHIBITOR, EVOLOCUMAB: INSIGHTS FROM GLAGOV. Journal of the American College of Cardiology. 2018;71(11, Supplement):A1077.