(v.l.): ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, PhD, Präsident der Ärztekammer für Wien, Dr. Regina Ewald, Ärztin für Allgemeinmedizin und Sprecherin für das
Primärversorgungszentrum Donaustadt, Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc, Bundesministerin für Gesundheit und Frauen, Dr. Ursula Pichler-Neu, Ärztin für
Allgemeinmedizin, Mag. Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, Dr. Ida Kubik, Ärztin für Allgemeinmedizin, Sandra Frauenberger, Stadträtin für Soziales,
Gesundheit und Frauen
„Nimmt man die Bedürfnisse von
Patienten und Ärzten zum Maßstab,
so ist eine möglichst breite Angebots-
vielfalt zu fordern.“
Dr. Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelasse- ne Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer
Im Bezirk Donaustadt werden sich künftig drei Allgemeinmediziner und Angehörige anderer Gesundheitsberufe 50 Stun- den pro Woche, 52 Wochen im Jahr um Patienten kümmern. Urlaubssperren gibt es keine. Ziel ist es, eine umfassende hausärztliche Versorgung zu bieten und die Ambulanzen im nahegelegenen Donauspital wirkungsvoll zu entlasten, etwa in den Bereichen Diabetes oder Orthopädie. Das Angebot der Einrichtung ist umfassend: Zusätzlich zur allgemeinmedizi- nischen Versorgung stehen eine Psychotherapeutin, eine Diätologin sowie eine diplomierte Krankenschwester zur Verfü- gung. Abgerundet wird das Team durch eine Ordinationsassistentin und mehrere Mitarbeiter am Empfang, um ein opti- males Zeitmanagement zu gewährleisten. „Die kürzlich veröffentlichte Sozialversicherungsstudie bestätigt den eingeschla- genen Weg, die Primärversorgung weiter zu stärken. Nur so können Spitäler entlastet und das Gesundheitssystem nach- haltig abgesichert werden“, betont Gesundheitsministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner im Zuge der Eröffnung. Da die Grün- dung solcher Zentren auch größtenteils Neuland für Ärzte ist, verspricht die Ministerin, mit viel Information – von rechtli- cher Beratung, Hilfe bei der Erstellung eines Versorgungskonzeptes bis hin zu organisatorischer Unterstützung bei Förde- rungen – zur Seite zu stehen.
Längere Öffnungszeiten, kürzeres Warten
Im Primärversorgungszentrum Donaustadt will sich das medizinische Team verstärkt um chronisch Kranke kümmern, so beispielsweise im Rahmen des Diabetes-Programms „Therapie Aktiv“. Für WGKK-Obfrau Reischl sind flexible Öffnungs- zeiten ein Schlüssel für die effiziente Versorgung: „Die Erfahrungen zeigen, dass längere Ordinationszeiten sehr gut von den Patienten angenommen werden. Dabei sind es besonders die Tagesrandzeiten am Morgen und am späten Nachmit- tag, die etwa von berufstätigen Menschen gerne genutzt werden.“ Verbunden mit dem breiten medizinischen Angebot so- wie der familienfreundlichen Arbeitszeit für die Mitarbeiter ergibt sich eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Schon jetzt erntet das Primärversorgungszentrum Donaustadt Vorschusslorbeeren, gilt es doch als ein Leuchtturmprojekt, um wohnortnah den niedergelassenen Bereich zukunftsfit zu machen. Das vernetzte Arbeiten kommt zudem den Wünschen vieler junger Ärzte entgegen. Außerdem wird das Primärversorgungszentrum Donaustadt aufgrund seiner räumlichen Nähe und des medizinisch und organisatorisch attraktiven Angebots die Ambulanzen des Donauspitals entlasten, sodass im Krankenhaus mehr Kapazitäten für Notfälle frei werden.
Frauenpower in der Donaustadt
Betrieben wird die neue Einrichtung von den drei Allgemeinmedizinerinnen Dr. Regina Ewald, Dr. Ursula Pichler-Neu und Dr. Ida Kubik. Der Teamgedanke ist für Ewald bei der Umsetzung des Projektes besonders wichtig: „Wir können vielfältige Erfahrungen aus der hausärztlichen Versorgung ebenso wie aus dem Notfallmanagement einbringen.Das funktioniert nicht zuletzt dank des perfekten Zusammenspiels im Team. Ein besonderes Angebot für unsere Mitarbeiter sind daher Teamsupervisionen, um Wertschätzung und Feedback zu fördern. Ich bin überzeugt, dass unsere Patienten von diesem positiven Teamklima in jeder Hinsicht profitieren werden.“ Die Vernetzung mit den umliegenden Kollegen ist den Ärztin- nen zudem ein wichtiges Anliegen.
Unterstützung kommt auch von Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer für Wien: „Die Eröffnung des neuen Pri- märversorgungszentrums ist ein großer Schritt Richtung Zukunft und zeigt, wie wichtig die partnerschaftliche Zusammen- arbeit zwischen Ärzteschaft, Sozialversicherung und Stadt ist, wenn man, so wie hier, die Ärzteschaft von Anfang an in die Planung und Umsetzung einbindet. Die Ärztinnen haben sich trotz zahlreicher Hürden nicht davon abbringen lassen, die- ses in Wien einzigartige Projekt eines PHC gegenüber einem großen Spital umzusetzen. Hier wird ein neues Modell gebo- ten, mit dem die Bundeshauptstadt ihre Vorreiterrolle in Sachen innovativer und moderner Versorgung einmal mehr unter Beweis stellt.“
Junge Ärzte wollen gemeinsam arbeiten
Auch von Dr. Johannes Steinhart, Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, kommt Lob: „Das Versorgungszentrum im 22. Wiener Bezirk trägt zur Vielfalt der niedergelassenen Versor- gung bei.“ Primärversorgungseinheiten sind nach Ansicht des Experten eine sinnvolle zusätzliche Angebotsvariante in der niedergelassenen Versorgung, die ihren Stellenwert haben und auch haben sollten, sofern dort Ärzte die medizinische und wirtschaftliche Letztentscheidung haben. „Nimmt man die Bedürfnisse von Patienten und Ärzten zum Maßstab, so ist eine möglichst breite Angebotsvielfalt zu fordern“, so Steinhart.
Aus der bisher größten, aktuellen Umfrage unter Medizinstudierenden und Turnusärzten in Österreich ist bekannt, dass deren Wünsche und Vorstellungen von einer Tätigkeit als niedergelassener Arzt sehr unterschiedlich sind. „Die Arbeit in Gemeinschaftspraxen und multiprofessionellen Teams ist beim medizinischen Nachwuchs positiv besetzt, aber immerhin jeder Zweite würde am liebsten selbstständig in einer Einzelpraxis arbeiten“, zitiert Steinhart aus der Studie der Medizini- schen Universität Graz und ergänzt: „Also keine Rede davon, dass Einzelpraxen ein ‚Auslaufmodell‘ seien, wie es gelegent- lich von Befürwortern von Versorgungszentren unterstellt wird.“ Er weist auch darauf hin, dass ohne zusätzliche 1.300 Kas- senarztpraxen für Österreich und attraktivere Rahmenbedingungen der kassenärztlichen Tätigkeit der steigende medizini- sche Versorgungsbedarf einer größer und älter werdenden Bevölkerung nicht zu bewältigen sein wird. Von der Entlastung der Spitäler ist hier noch keine Rede.
Foto: Andreas Scheiblecker