KUR & GESUNDHEITSVORSORGE | GVA in der Praxis 

FotoS:  Lebens.Med Zentrum Bad Erlach

Krebs: Vom Überleben

zurück ins Leben

Seit 2014 wurden im Lebens.Med Zentrum Bad Erlach rund 5.000 on- kologische Patienten behandelt. Mit ihnen wurde gezielt an der Ver- besserung ihrer Lebensqualität, der Leistungsfähigkeit und zeitna- her Reintegration in den beruflichen oder sozialen Alltag gearbeitet.

Die Prävalenz onkologischer Erkrankungen nimmt trotz tendenziell sin- kender Inzidenz stetig zu. Dies ist zum einen auf moderne Behandlungs- konzepte, welche die Prognose deutlich verbessern, zurückzuführen, zum anderen können diese aufgrund eines günstigen Nebenwirkungs- profils auch immer älteren Patienten angeboten werden. Zusätzlich se- hen wir uns mit der Diagnose „chronische Krebserkrankung“ konfrontiert. Sofern eine Kuration nicht anzustreben ist, lässt eine Zunahme der Be- handlungskonzepte auch die Lebenszeit stetig steigen. Somit erleben immer mehr Menschen die Diagnose „Krebs“, leben mit oder nach einer

solchen. Umso wichtiger ist es, in das Behandlungskonzept aus spezialisierten Krebszentren und niedergelassenen Ärzten die onkologische Rehabilitation zu integrieren, um physische wie psychische Regeneration nach der Behandlung zu unterstützen und Patienten auch in der Rückkehr in den sozialen oder beruflichen Alltag zu begleiten.


Multidisziplinäres Management

Onkologische Erkrankungen stellen nicht nur Patienten vor große Herausforderungen, auch benötigt diese Patientengruppe oft ein intensives, multidisziplinäres Management. In spezialisierten Krebszentren werden multimodale Therapiekonzepte etabliert, der Fortschritt der modernen Medizin hat die Prognose onkologischer Erkrankungen deutlich verbessert. Zum einen fällt die Re- zidivrate und immer mehr Patienten sind nach einer Krebserkrankung dauerhaft geheilt, zum anderen steigt die Überlebenszeit bei unheilbaren Krebserkrankungen mit guter Lebensqualität und der Begriff „chronische Krebserkrankung“ wurde damit ge- prägt. Für die unterschiedlichen Entitäten lassen sich Beispiele nennen, mit denen jahrelange, gar jahrzehntelange Überlebens- zeiten möglich sind. Auch in bisher aussichtlosen Situationen, wie zum Beispiel einer fortgeschrittenen Bronchialkarzinomer- krankung können dank moderner Therapien Tumorkontrollen über Jahre hinweg dokumentiert werden. Aufgrund hoher Studien- aktivität österreichischer Zentren und internationaler Zusammenarbeit gibt es eine sehr gute Datenqualität, eine gute Aufarbei- tung onkologischer Erkrankungen im Hinblick demographischer Entwicklung, Wirksamkeit und Nebenwirkungsprofil onkologi- scher Therapiekonzepte.

Dennoch gibt es kaum eine andere Erkrankung, die mit so vielen Mythen konfrontiert ist. Hartnäckig halten sich Gerüchte um auslösende Faktoren, wie zum Beispiel die Krebspersönlichkeit, Infektiosität von malignen Erkrankungen und somit unmittelbare Gefahr für Angehörige – der Fantasie scheint keine Grenzen gesetzt zu sein. Auch werden Patienten mit einer Vielzahl an kom- plementären und alternativen Therapiemöglichkeiten überflutet. Die Information im Internet lässt den Laien News von Fakenews nicht unterscheiden.

Dies und viel mehr machen alleine die Diagnose „Krebs“ zu einer Herausforderung, mit der Patienten schlagartig konfrontiert sind. Oft folgen multimodale Therapiekonzepte mit Operationen, Strahlentherapie, Immunopolychemotherapien, modernen Antit- umortherapien und antihormonellen Therapien, die nachhaltig – physisch und psychisch – Einfluss nehmen. Hinzu kommen oft gravierende Einschnitte im beruflichen und sozialen Leben. Arbeiten ist unter Therapie meist nicht möglich. Es folgt ein finanziel- ler Engpass oder auch sozialer Rückzug. Auch hier sind diese Patienten einer ganz speziellen Situation ausgesetzt.

Trotz guter Prognose und zunehmenden Therapiemöglichkeiten verändert die Diagnose Krebs und deren Therapie das Leben der Betroffenen oft nachhaltig. Genau hier ist das multimodale Therapiekonzept um onkologische Rehabilitation zu erweitern, um das integrative Behandlungskonzept der Medizin zu unterstützen.


Teil eines Gesamtkonzepts

Im Rahmen der onkologischen Rehabilitation kommen unterschiedliche Therapieformen zusammen, ergänzen sich und unter- stützen somit Patienten. Die Elemente, die in der onkologischen Rehabilitation angewandt werden, kommen aus den Teilberei- chen der Physiotherapie und physikalischer Maßnahmen, der Medizin, der Psychologie und Psychotherapie, der Ergotherapie, der Diätologie, wie auch der Logopädie. Darüber hinaus finden Pflege- und Sozialberatung statt. Das Programm wird je nach Beschwerdebild auf die Patienten abgestimmt.


Die Säulen der onkologischen Rehabilitation

Mit der gezielten psychoonkologischen Unterstützung bekommen die Patienten Werkzeuge, um mit den neuen Herausforderun-

gen umzugehen. Therapiemaßnahmen onkologischer Erkrankungen kön- nen das Körperbild und das Empfinden verändern, Sexualität und Partner- schaft wird von den Betroffenen „anders“ wahrgenommen. Aufgrund von körperlichen Veränderungen, antihormonellen Therapien kann es zu redu- zierter Libido kommen, die zusätzlich die Partnerschaft auf die Probe stellt. Hier sollen psycho-onkologische Maßnahmen entsprechende Information geben und die Kommunikation mit Partnern sowie Angehörigen verbes- sern. Auch nach Abschluss der Therapie folgen Nachsorgeuntersuchun- gen, die Angst vor einem Rezidiv und das Warten auf Ergebnisse stellen herausfordernde Situationen dar. Durch onkologische Rehabilitation wird die Stärkung des Selbstwertgefühls, das Kennenlernen und die Förderung der eigenen Fähigkeiten und Stärken und auch das Erlernen neuer Mög- lichkeiten im Umgang mit der Erkrankung unterstützt. Gesamt betrachtet wird eine Verminderung der psychischen Belastungen, eine Reduktion von Angst, Depression, Depressivität sowie Hilf- und Hoffnungslosigkeit, eine Stärkung des Selbsthilfepotenzials und eine Unterstützung in der Krank- heitsbewältigung erzielt.


Sport und Bewegung

Dass Sport und Bewegung eine Vielzahl unterschiedlicher Beschwerden lindern kann, Körper und Geist unterstützt und zu ei- nem gesunden Lebensstil einfach dazu gehört, ist generell bekannt und anerkannt. Ebenso, dass damit auch Nebenwirkungen onkologischer Erkrankungen und deren Therapie gelindert werden können. Um hier einige Beispiele zu nennen: Bewegung und Sport nimmt positiven Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden, den Schlaf, die Libido und die Stim- mung. Auch spezifische Nebenwirkungen, wie reduzierte Kontinenz, Polyneuropathie oder Dyspnoe können durch gezieltes Training günstig beeinflusst werden.

Seit einigen Jahren findet sich auch Literatur zur Reduktion von Mortalität (auch zur krebsspezifischen Mortalität) durch regel- mäßige Bewegung. Die Daten sind zu einigen Entitäten vorhanden, mehrere Studien mit ähnlichem Ergebnis finden sich vor al- lem bei Patienten mit Mammakarzinomen, Colonkarzinomen und Prostatakarzinomen. Auch die Grundlagenforschung nimmt in diesem Bereich stetig zu. Nebst Regulation von Stoffwechsel, Hormonhaushalt, Immunsystem und Gewicht gibt es viele Model- le, wie Bewegung Einfluss auf das Zellwachstum und Genregulation nimmt.

Somit gibt es nun viele Gründe, auch onkologischen Patienten Bewegung nahezubringen und dies trotz der unglaublichen Leis- tungen, die sie im Zuge der moderner Krebstherapien bereits erbracht haben. Jedoch scheint es umso wichtiger, die Bewe- gung an das aktuelle Leistungsniveau, laufende Therapien, spezifische Einschränkungen, wie vor allem auch die Fatigue, anzu- passen. Hier ist im Rahmen von Studien sehr wenig bekannt, die Datenlage im Hinblick auf Trainingsformen, -intensitäten und - einheiten zu heterogen. So scheint ein Herantasten – wie im Rahmen der onkologischen Rehabilitation – eine gute Möglichkeit, um das Gleichgewicht aus Regeneration, Bewegung und Training herzustellen.


Ernährung bei Krebs

Eine weitere wesentliche Säule der onkologischen Rehabilitation ist die Ernährungsberatung, da es durch die Tumorbehand- lung zu Veränderungen der Ernährungsbedürfnisse oder der Verdauungssituation kommen kann. Die Mehrheit onkologischer Therapiekonzepte haben Nebenwirkungen, welche die Nahrungsaufnahme per se, die Stoffwechselsituation, wie etwa die Ver- dauung, beeinflusst. Zudem ist ein beträchtlicher Anteil der Tumorpatienten von einer Mangelernährung betroffen. Ursachen dafür sind Störungen der intestinalen Passage, Kau- und Schluckbeschwerden, Appetitverlust, Übelkeit und Erbrechen, Ge- schmacksveränderungen bzw. gestörte Nährstoffverwertung und -aufnahme. Interessant ist, dass bei nicht belegtem Nutzen auch viele spezielle Krebsdiäten zur Mangelernährung führen.


Fähigkeiten und Fertigkeiten stärken

Ebenso ist die Ergotherapie Teil des Therapieplans, um die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die für die Tätigkeiten des Alltags der Patienten notwendig sind, zu stärken. Zudem sind ergotherapeutische Maßnahmen wesentlicher Bestandteil der Behandlung von Polyneuropathie, die vornehmlich durch ein multimodales Therapiekonzept, wie im Rahmen onkologischer Rehabilitation, günstig beeinflusst werden kann. Das Training kognitiver Fähigkeiten, die durch Narkosen sowie Medikamente und Chemothe- rapien nachlassen können, wird durch Ergotherapie ergänzt. Um den Einstieg in den sozialen und beruflichen Alltag zu fördern bzw. zu erleichtern werden zentrale Anliegen im Zuge von Sozialarbeit-Beratungen geklärt. Abgerundet wird das Rehabilitati- onsprogramm mit physikalischen Therapien und Massagen zur Muskelentspannung und Durchblutungsförderung. Die Förde- rung der Mobilität und Schmerzlinderung sind hier die wesentlichen Ziele.

Dieses multimodale, evidenzbasierte Therapiekonzept wird je nach dem Beschwerdebild, das im Rahmen einer Aufnahmeun- tersuchung von Ärzten erhoben wird, individuell angepasst. Die bei Aufnahme mit den Patienten definierten Ziele sollen im Rah- men des dreiwöchigen Aufenthalts erreichbar sein. Diese Ziele werden regelmäßig beurteilt und der Therapieplan bei Bedarf adaptiert. Auch werden zum Beispiel sportmedizinische und psycho-onkologische Beratungen durchgeführt, um die weiteren Trainingsmöglichkeiten, Betreuungsmöglichkeiten und somit Empfehlungen für zu Hause zu erarbeiten.

Das onkologische Rehabilitationsprogramm ist für Patienten geeignet, deren primäre Krebstherapie abgeschlossen ist. Aber auch Patienten, bei denen Behandlung schon länger zurückliegt, können von dem hochwirksamen Verfahren profitieren.

Die onkologische Rehabilitation ist in Österreich seit 2012 als eigene Indikationsgruppe im österreichischen Rehabilitationsplan verankert. Nur jeder zehnte Patient mit onkologischer Erkrankung nimmt Rehabilitation wahr, obwohl onkologische Rehabilitation einen wichtigen Platz im multimodalen Therapiekonzept onkologischer Erkrankungen einnimmt. Ziel im Lebens.Med Zentrum Bad Erlach ist es, den Anteil der jener Patienten, die das „hochwirksame Medikament“ onkologische Rehabilitation einnehmen,

Foto:  Lebens.Med Zentrum Bad Erlach