Nobel Media. III. Niklas Elmehed

Nobelpreis 2020:

Physiologie oder Medizin

Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin geht dieses Jahr jeweils zu gleichen Teilen an Harvey J. Alter, Michael Houghton und Charles M. Rice für die Identifikation des Hepatitis-C-Virus. Hepatitis ist mit erheblicher Morbidität und Mortalität verbunden und verursacht weltweit mehr als eine Million Todesfälle pro Jahr. Die Weltgesundheitsorganisation WHO vermeldet alleine für Hepatitis C eine erschreckende Zahl von weltweit rund 70 Millionen Fällen pro Jahr. 400.000 Betroffene sterben daran. Hepatitis C gilt als eine der häufigsten Ursachen für Leberkrebs, -zirrhose und -trans- plantationen. Schon die Entdeckung der Hepatitis-A- und Hepatitis-B-Viren in den 1940er-Jahren war ein entscheidender Schritt gewesen, um die Ursache für Hepatitis-Erkrankungen nach Bluttransfusionen zu eruieren. Doch die Mehrheit der durch Blut übertragenen Hepatitis-Fälle blieb unge- klärt. Rasch wurde klar, dass es eine weitere Ursache geben müsse.

Harvey J. Alter

Harvey J. Alter, Forscher an den amerikanischen National Institutes of Health in Bethesda, Maryland, und sein Team zeigten, dass mit dem Blut die- ser ungeklärten Hepatitisfälle die Krankheit auf Schimpansen übertragen wurde und der unbekannte Infektionserreger hatte die Eigenschaften ei- nes Virus. Die methodischen Untersuchungen von Alter hatten auf diese Weise eine neue, eigenständige Form der chronischen Virushepatitis defi- niert. Die mysteriöse Krankheit wurde als „Non-A, Non-B“-Hepatitis bekannt. Die Identifizierung des neuartigen Virus hatte nun hohe Priorität. Alle traditionellen Techniken zur Virusjagd wurden angewandt, dennoch entzog sich das Virus über ein Jahrzehnt lang der Isolierung.

Michael Houghton

Der Biochemiker Michael Houghton, tätig für die University of Alberta, Edmonton, Kanada, der zu jener Zeit für das Pharmaunternehmen Chiron ar- beitete, widmete seine Arbeit der Isolierung der genetischen Sequenz des Virus. Houghton und seine Mitarbeiter erstellten eine Sammlung von DNA-Fragmenten aus Nukleinsäuren, die im Blut eines infizierten Schimpansen gefunden wurden. In der Annahme, dass im Blut von Hepatitis-Pati- enten Antikörper gegen das Virus vorhanden sein würden, verwendeten die Forscher Patientenseren, um geklonte virale DNA-Fragmente zu identi- fizieren, die virale Proteine kodieren. Nach einer umfassenden Suche wurde ein positiver Klon gefunden. Weitere Arbeiten zeigten, dass dieser Klon von einem neuartigen RNA-Virus aus der Familie der Flaviviren stammte. Er wurde als Hepatitis-C-Virus bezeichnet. Antikörper bei chroni- schen Hepatitis-Patienten legten nahe, dass dieses Virus der gesuchte Erreger war.

Charles M. Rice

Der amerikanische Virologe Charles M. Rice, Wissenschaftler an der Washington University in St. Louis und heute an der Rockefeller University in New York, war es schließlich, der den Nachweis erbrachte, dass das Virus in der Lage ist, sich zu vermehren und Hepatitis auszulösen. Rice und sein Team entdeckten eine bisher nicht charakterisierte Region am Ende des Hepatitis-C-Virus-Genoms, von der sie vermuteten, dass sie für die Virusvermehrung wichtig sein könnte. Rice beobachtete auch genetische Variationen in isolierten Virusproben und stellte die Hypothese auf, dass einige von ihnen die Virusvermehrung behindern könnten. Durch Gentechnik erzeugte er eine RNA-Variante des Hepatitis-C-Virus, die die neu defi- nierte Region des Virusgenoms einschloss und frei von den inaktivierenden genetischen Variationen war. Als diese RNA in die Leber von Schim- pansen injiziert wurde, wurde das Virus im Blut nachgewiesen und pathologische Veränderungen wurden beobachtet, die denen ähneln, die bei Menschen mit dieser chronischen Krankheit festgestellt werden. Dies war der endgültige Beweis dafür, dass das Hepatitis-C-Virus allein die uner- klärlichen Fälle von transfusionsvermittelter Hepatitis verursachen kann.