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Pollensaison 2022:
Früher Start und
starke Belastung
Allergiker haben es heuer in der Pollensaison doppelt schwer, denn die Belastung ist besonders hoch und gleichzeitig sind die Diagnose und Therapie durch die Pandemie beeinträchtigt.
„Der Pollenflug startete heuer deutlich früher und heftiger als in den Jahren davor“, stellen die Experten des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien und der Interessensgemeinschaft Allergenvermeidung (IGAV) fest. Diese Entwicklung wird sich auch im Lauf der diesjährigen Pollensaison weiter fortsetzen. Dazu kommt, dass die Pandemie die ohnehin oft ungenügende Versorgung von Betroffenen weiter ausbremst. Neue Maßnahmen sollen Verbesserungen in Diagnose und Therapie von Pollenallergien bringen.
Kollateralschäden bei Allergikern?
Wie eine EU-weite Befragung von Ärzten zeigt, kam vor allem zu Beginn der Pandemie die allergenspezifische Immuntherapie (AIT) deutlich weni- ger zum Einsatz als davor.1 „Die AIT ist jedoch die einzige Behandlungsform, die ursächlich wirkt und das Potenzial hat, die Entstehung weiterer Allergien oder Folgeerkrankungen wie Asthma zu verhindern“, sagt Univ.-Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim vom Institut für Pathophysiologie und Aller- gieforschung der MedUni Wien und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (ÖGAI). Nur einer von zehn Ärzten initiierte die Injektionskur wie gewohnt. Fast 60 % gaben an, den Beginn der Therapie auf einen Zeitpunkt nach der Pandemie verschoben zu haben. Etwas besser war die Situation bei der AIT in Form von Tabletten oder Tropfen: Rund ein Drittel sagten, die Therapie unabhängig von der Pandemie einzuleiten.
„Inzwischen hat sich die Lage zwar gebessert, aber den entstandenen Rückstau spüren Behandler und Patienten nach wie vor“, berichtet Univ.-Prof. DDr. Wolfram Hötzenecker, MBA, Vorstand der Klinik für Dermatologie und Venero- logie am Kepler Universitätsklinikum Linz und ÖGAI-Vizepräsident. „Allergiker müssen deutlich länger als üblich auf Termine in spezialisierten Zentren warten. Dazu kommen die Ausfälle des Gesundheitspersonals durch die aktuelle, hochansteckende Omikron-Variante.“
Starke Belastung durch Birkenpollen erwartet
Neben den pandemiebedingt verschärften Bedingungen traten die Belastungen für die Pollenallergiker heuer aufgrund der überdurchschnittlich milden Temperaturen im Jänner und Februar früher und intensiver auf. „Der Pollenflug von Ha- sel und Erle setzte sehr plötzlich ein. So gaben die Bäume und Sträucher überdurchschnittlich viele Pollen an den Wind ab, was für Allergiker besonders belastend war“, erläutert Uwe Berger, MBA, von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen und Ohrenkrankheiten der MedUni Wien und Leiter des Österreichischen Pollenwarndienstes der MedUni Wien.
Die nächste Belastungswelle folgt mit Esche und Birke. Auch ihre Blüte wird heuer voraussichtlich intensiver ausfallen. „Der Start der Birkenpollensaison ist heuer in der letzten Märzwoche zu erwarten und damit ebenfalls früher als üb- lich“, so Berger. Der weit verbreitete Alleebaum hat ein biologisches Muster: Einer schwächeren Saison folgt eine star- ke. „Nachdem 2021 eine eher milde Saison war, müssen wir heuer mit einer starken Pflanzenblüte rechnen. Dies zeigt auch der Besatz an Birkenkätzchen, der heuer überdurchschnittlich stark ist.“
Neue Services für Ärzte
Um Verbesserungen in der Diagnose und Therapie von Pollenallergien zu erreichen, wurden nun beim Österreichischen Pollenwarndienst neue Services für Ärzte und Patienten gestartet: „Über die Plattform www.pollenallergie.at können Ärzte auf Symptom-Informationen ihrer Patienten zu- greifen und eine Verbindung zum Pollenflug in der jeweiligen Region der Betroffenen herstellen“, erklärt Dr. Markus Berger vom Institut für Patho- physiologie und Allergieforschung und Österreichischen Pollenwarndienst der MedUni Wien. Basis für diesen Service sind die regelmäßigen Ein- träge der Patienten zu ihren Allergiebeschwerden in das Pollentagebuch, das auf www.pollentagebuch.at zu finden und Teil der Pollen-App ist.
„Dieser Service bringt Ärzten wertvolle Information und spart Zeit“, ist sich Hötzenecker sicher. „Denn wenn die Behandler wissen, auf welches All- ergen ihre Patienten reagieren, können sie ein zielgerichtetes Anamnesegespräch führen und ihre Therapieentscheidung zusätzlich absichern. Zu- dem kann damit über die Jahre der Behandlungserfolg evaluiert werden.“ Je mehr Nutzer ihre Beschwerden in das Pollentagebuch eintragen, des- to zielgerichteter können die Angebote des Österreichischen Pollenwarndienstes ausfallen. So gibt die Pollen-App stets einen raschen und indivi-
duellen Überblick, wo und in welchem Ausmaß die zwölf wichtigsten Allergieauslöser gerade in der Luft sind. Dieses Angebot wird laufend weiterentwickelt. Aktuell wurde für eine leichtere Lesbarkeit gesorgt. Außerdem wurde ein FAQ-Be- reich eingerichtet. Neu kann die Polleninformation nun auch über den Instant-Messaging-Dienst Telegram bezogen werden.
Neue Ausbildung zu Allergie-Experten startet
Mit der kontinuierlich steigenden Zahl an Pollenallergikern wächst auch der Bedarf an Spezialisten, die sich mit der Diagnose und Behandlung dieser Erkrankung auskennen. Die neue, fächerübergreifende Ausbildung „Spezialisierung in Allergologie“ soll hier Abhilfe schaffen. Ab Sommer können Fachärzte und Allgemeinmediziner mit der 18 Monate dauernden Weiterbildung beginnen.
rh
Linktipps
• www.pollenwarndienst.at
• www.pollenallergie.at – Neuer Service für Ärzte
• www.allergenvermeidung.org –
Informationsplattform für Allergiker