RECHT & STEUERN I Benchmarking

fotoS: istockphoto/ seksan mongkhonkhamsao, Österr. Ärzte- und Apothekerbank AG

Der Vergleich macht sicher

Der Sprung in die Selbständigkeit sollte genau vorbereitet werden. Fehler, die in der Gründungsphase begangen werden lassen sich oft nur schwer korrigieren – häufig auch mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand.

„Es gibt viele Fragestellungen, bei denen das sogenannte ,Finanz- EKG‘ Auskunft geben kann.“



Prokurist Harald Reigl, MAS, Österreichische Ärzte- und Apotheker- bank AG


Die Neugründung oder die Übernahme einer Praxis können entweder als Wahl- oder als Kassenarzt erfolgen. Für die Über- nahme einer bestehenden Wahlarztpraxis bedarf es „nur“ einer vertraglichen Einigung zwischen dem Übergeber und Über- nehmer. Die Übernahme einer bestehenden Kassenarztpraxis setzt neben dieser vertraglichen Einigung voraus, dass der Übernehmer Erstgereihter im Rahmen des für diese Vertragsarztstelle erfolgten Ausschreibungsverfahrens ist.


Benchmarking hilft

Während eine Ablöse für den Kassenvertrag unzulässig ist, ist bei Übernahme einer Praxis eine Ablöse für den Wert der Or- dination gerechtfertigt. In der Praxis wird dieser aus Sachwert zuzüglich eines Ertragswertes ermittelt. Der Sachwert ist der Zeitwert der zu übergebenden Gegenstände. Als Ablöse für den Ertragswert wird nach langjähriger Übung ein Drittel des Jahresumsatzes für angemessen erachtet. Klingt einfach – ist es allerdings nicht. Denn gerade beim Umsatz spielen viele Faktoren mit. Praxen nach bloßen Zahlen zu beurteilen greift zu kurz – hier hilft regelmäßiges Benchmarking. Erst der Ver- gleich mit anderen Praxen ähnlicher Größe, Struktur und Fachrichtung zeigt, wie gut man im Branchenvergleich abschnei- det und belegt, wo spezifische Stärken und Schwächen einer Praxis liegen. Vor allem aber gibt Benchmarking die Möglich- keit, auch den erwirtschafteten Ertrag der Ordination mit anderen Praxen vergleichen zu können. Wobei man hier nicht Äp- fel mit Birnen vergleichen darf. Die Praxis eines Zahnarztes in Wien mit der eines Praktischen Arztes am Land vergleichen zu wollen, wird wohl keine aufschlussreichen Ergebnisse bringen. Mitunter fehlt es aber an Vergleichsunternehmen, die ein ähnliches Leistungsangebot und eine vergleichbare Größe haben. „Dann ist ein sinnvoller Betriebsvergleich kaum möglich“, erklärt Prokurist Harald Reigl, MAS, von der Österreichischen Ärzte- und Apothekerbank AG, der für die Ärzte- und Apothe- kerbank ein eigenes Tool für Ärzte entwickelt hat. Die Basis bilden die von den Kunden an die Bank übermittelten Jahresab- schlüsse. „Diese brauchen wir für die bankinterne Bonitätsprüfung, um das potenzielle Ausfallsrisiko – im Bankenjargon ,possible default‘ – zu ermitteln. Diese Daten werden anonymisiert und in ein Benchmarking übernommen, das wir unseren Kunden zur Verfügung stellen können.“


Finanz-EKG: Einnahmen, Kosten, Gewinn

Der Vorteil gegenüber Benchmarking-Systemen, die bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern zum Einsatz kommen, liegt in der Fülle der Daten. „Wir greifen auf Tausende Datensätze zurück, die sich in unserer Datenbank befinden. Wir sind da- durch in der Lage, die Daten auch zu kategorisieren und damit die Treffsicherheit zu erhöhen“, erklärt Reigl. Kategorien sind zum Beispiel das Bundesland, in dem der Arzt tätig ist, die Fachrichtung oder ob es sich um einen Wahl- oder Kassenarzt handelt. „Das sind entscheidende Parameter, die unser System abbilden kann.“ Dabei werden immer die Kennzahlen des letzten und vorletzten Jahres mit der Benchmark, den durchschnittlichen Zahlen vergleichbarer Arztpraxen, verglichen. „Der Arzt erhält dadurch schnell einen guten Überblick über die betriebswirtschaftliche Situation seiner Ordination.“ Doch das ist erst der Anfang. „Die Zahlen zeigen schnell auf, wo die Problemfelder oder die besonderen Stärken liegen.“ Reigl hat gleich ein Beispiel parat: „Liegt der ‚Scheinwert‘, also der Beitrag den der Arzt pro Patient pro Quartal von der Krankenkasse er- hält, deutlich schlechter als die Benchmark, sollte er sich auf die Suche nach den Ursachen begeben.“ Genauso könnten die Kosten analysiert werden. „Zahlen meine Kollegen weniger Miete, wie schaut es bei den Personalkosten aus? Welche Umsätze sind mit der Hausapotheke erzielbar? Es gibt viele Fragestellungen, bei denen unser Finanz-EKG – Einnahmen, Kosten, Gewinn – hilfreich zur Seite stehen kann“, ist Reigl überzeugt. Für Ärzte, die ihre Praxis übergeben wollen, aber auch potenzielle Übernehmer, ist das Finanz-EKG ebenfalls ein hilfreiches Tool.


Simulation von Entwicklungen

„Durch das Benchmarking kann der Ist-Zustand im Vergleich mit anderen Praxen erhoben werden, und der Arzt erhält einen guten Überblick über den tatsächlichen Wert der Praxis für den Abgeber und das mögliche Potenzial für den Übernehmer,“ betont Reigl. Auch bei der Planung der kommenden Jahre leistet das Finanz-EKG gute Dienste, denn es ist auch in der Lage ein Worst-Case-Szenario zu rechnen. „Das heißt, wir simulieren ein 20%iges Minus und schauen nach, was dann pas- siert“, so Reigl. Bei der Auswertung werden die historischen und aktuellen Daten, die Benchmark-Daten, Prognoserechnun- gen für zwei weitere Jahre und das Worst-Case-Szenario dargestellt. Zusätzliche Tools des Finanz-EKG ermöglichen auch eine genaue Planung der anstehenden Investitionen. „Hier wird auch die fristenkonforme Abschreibung berücksichtigt. Ein Zinsenrechner ermittelt parallel dazu die laufenden Kosten für Kredite“, beschreibt der Experte.


mn