Hochgradige Ein- engungen der Carotis interna
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Während das allgemeine Screenen nach Carotisste- nosen nicht empfohlen wird, ist die Carotisuntersu- chung bei Patienten mit arteriellen Gefäßerkrankun- gen eine sinnvolle Maßnahme zur primären Schlaganfallvermeidung.
Erkrankungen des Kreislaufsystems sind die häufigste Todesursache in der westlichen Welt. Der Schlaganfall ist innerhalb der Gefäßerkrankungen die zweithäufigste Todesursache und kann bei Überleben lebensqualitativ stark einschränkende Behinderungen verursachen. Fast jeder fünfte Schlaganfall wird durch hochgradige Verengungen der Carotis interna verursacht. Hinter diesen nüchternen Zahlen verbergen sich immer persönli- che Schicksale und erhebliche Kosten für die Volkswirtschaft.
Durch die anatomische Lage ist die Carotis für nichtinvasive Untersuchungen mittels Ultraschalls sehr gut zugänglich und es wird tatsächlich ein Segment der Carotis – die Intima-Media-Dicke – in der Gefäßmedizin als Surrogat für die Atheriosklerosebelastung herangezogen. Die Carotisun- tersuchung ist bei Patienten mit arteriellen Gefäßerkrankungen eine sinnvolle Maßnahme zur Vermeidung primärer Schlaganfälle. Ein allgemeines Screening nach Carotisstenosen wird nicht empfohlen.
Anders als bei den meisten Gefäßregionen stellen Einengungen im Bereich der gehirnversorgenden Gefäße selten ein Problem der Minderdurch- blutung dar. Die Gefahr der Einengungen der Carotis liegt in der Zusammensetzung der Plaque. Diese kann sich aus verletzlichen, inhomogenen, emboligenen Strukturen zusammensetzen, die sich ablösen und so einen Schlaganfall auslösen können.
Indikation, Art und Zeitpunkt der invasiven Behandlung
Das Ziel der Behandlung hochgradiger Einengungen der Carotis ist die Vermeidung weiterer Schlaganfälle oder die Prävention des erstmaligen In- sultes. Es müssen nicht immer und nicht alle Einengungen der Carotis interna invasiv behandelt werden. Verengungen der Halsschlagader unter 70 %, die keine hemisphärischen Symptome verursacht haben – eingeschränkte Motorik von Armen und/oder Beinen oder Sprachstörungen –, müssen nicht chirurgisch behandelt werden, da der Patient keinen Nutzen aus der Behandlung hat. Die optimale konservative Therapie mit Nikotin- karenz, Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzuckerkontrolle sowie eine Plättchenaggregationshemmung sowie eine jährliche Ultraschallkontrolle der Carotiden sind in dieser Population die Behandlung der Wahl.
Bei asymptomatischen Verengungen der Carotis interna über 70 % ist der Vorteil der Schlaganfallvermeidung durch die Operation gegenüber ei- ner medikamentösen Therapie alleine gesichert. Asymptomatische Patienten, die einer Therapie zugeführt werden sollten, jedoch eine projektierte Lebenserwartung von mehr als fünf Jahren haben, haben einen mathematischen Nutzen durch die Operation. Neben Berechnungen, die aus Gründen der Effektivität und Effizienz der Behandlung erwachsen, sollte jedoch die emotionale Komponente der Patienten nicht vernachlässigt werden. Behandelnde Ärzte müssen Patienten objektiv über den natürlichen Verlauf der Erkrankung und die Risiken der invasiven Behandlungs- möglichkeiten – Operation oder Stent – aufklären, ohne Angst zu schüren, und gleichzeitig auf die Angst mancher Patienten vor einem Schlaganfall eingehen.
Kontraindikationen für die Operation
Für Patienten, die Symptome einer ischämischen Gehirnläsion – transitorische ischämische Attacke (TIA), PRIND (prolongiertes reversibles ischä- misches neurologisches Defizit) oder Insult – hatten, ist die baldige Behandlung dringlich geboten. Bei diesen Patienten besteht ab einem Ein- engungsgrad von mehr als 50 % eine Verringerung der Schlaganfallwahrscheinlichkeit durch die Operation gegenüber einer medikamentösen Therapie alleine.
Die zeitlichen Abläufe der Behandlung haben sich in den letzten Jahren grundsätzlich geändert. Eine moderne Schlaganfalltherapie infolge einer Carotisstenose sieht eine Behandlung der verursachenden Läsion idealerweise unter einer Woche ab Indexereignis vor. Als Kontraindikation gelten Patienten mit schwersten internistischen Komorbiditäten, die eine Operation nicht zulassen, oder schweren Funktionseinschränkungen infolge des Insultes, die für das operative Ergebnis für den Patienten als prognostisch ungünstig zu sehen sind.
In den letzten Jahren hat sich herauskristallisiert, dass die Stent-gestützte Angioplastie der Operation über alle Gruppen in allen Belangen unterle- gen ist. Es gibt jedoch Patientengruppen, die von der Operation weniger profitieren als von einem Carotisstent. Diese stellen jedoch eine Minder- heit dar.
Präoperative Diagnostik
Die Erstdiagnose stellt die Ultraschalluntersuchung dar. Dadurch können der Stenosegrad in der Bifurkation sowie die Plaquemorphologie evaluiert werden. Problematisch sind verkalkte Plaques, da sie im Schallschatten teilweise nur schwer verwertbare Ergebnisse zulassen. Weitere nicht inva- sive Verfahren zur Darstellung der Stenose sind die Magnetresonanzangiografie (MRA) und die CT-Angiografie (CTA). Beide Verfahren – Ultraschall und CTA oder MRA – sollten zur Sicherung der Diagnose, aber auch zur Darstellung von Pathologien, die dem Schall nicht zugänglich sind (intrat- horakal und intrakraniell), durchgeführt werden. Bei sehr komplexen supraaortalen Gefäßveränderungen ist die Katheterangiografie eine sehr wert- volle diagnostische Maßnahme. In etwa
1 % der Fälle bestehen proximal oder weit distal der Carotisgabel Stenosen, die die Indikation zur Operation beziehungsweise die Operationstech- nik – Kombinationseingriff Stenting aortennaher Pathologie und Operation an der Carotisgabel – ändern.
Wichtige Rahmenbedingungen der Operation
Die Operation kann in den meisten Fällen in lokaler Betäubung erfolgen, ein kombinierter oberflächlicher und tiefer Cervikalblock wird gesetzt, die seitens der Anästhesie gesteuerte Sedoanalgesie ist für eine unproblematische Operation essenziell. Für die Operation sollen die plättchenhem- menden Medikamente wie Acetylsalicylsäure und/oder Clopidogrel weitergeführt werden. Eine duale Plättchenhemmung bei symptomatischen Pa- tienten oder asymptomatischen Patienten, die eine kardiologische Indikation der Medikation haben, ist ebenfalls keine Kontraindikation einer Ope- ration. Lediglich modernere plättchenhemmende Medikamente stellen eine Kontraindikation zur Operation dar und sollten, wenn möglich, auf ASS und Clopidogrel umgestellt werden. Eine Korrektur der plasmatischen Gerinnung bei Patienten unter Vitamin-K-Antagonisten und NOAK mit Um- stellung auf niedermolekulares Heparin ist ebenfalls anzustreben.
Postoperative Nachsorge
Patienten werden je nach Wohlbefinden und medizinischer Notwendigkeit nach drei bis fünf Tagen entlassen. Vor der Entlassung steht eine neuro- logische Kontrolle im Krankenhaus beziehungsweise beim zuweisenden Facharzt nach der Entlassung. Als antithrombotische Therapie werden 100 mg Acetylsalicylsäure verordnet, falls keine andere Therapie internistisch indiziert ist. Eine jährliche Ultraschallkontrolle ist notwendig, die Res- tenoserate der operierten Carotis ist mit 2 % in fünf Jahren gering.