Foto: andreas krause, adobe stock/ Cla78
Rheuma und interstitielle Lungener-
krankungen
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen betreffen häufig auch die Lunge. Das Risiko dafür ist nicht bei allen entzündlich-rheuma- tischen Erkrankungen gleich hoch.
Besonders häufig tritt die interstitielle Lungenerkrankung (ILD) bei der systemischen Sklerose, der rheumatoiden Arthritis, dem Sjögren-Syndrom und den hauptsächlich die Muskeln betreffenden Myositiden auf.
„Genaue Angaben zur Häufigkeit der ILD sind jedoch schwierig“, sagt Univ.-Prof. Dr. Andreas Krause, Ärztlicher Direktor und Chefarzt am Immanu- el Krankenhaus Berlin, Fachabteilung Innere Medizin, Rheumatologie, Klinische Immunologie und Osteologie, Präsident der Deutschen Gesell- schaft für Rheumatologie (DGRh) und Präsident des Deutschen Rheumatologiekongresses 2022. Nicht alle Patienten werden konsequent auf einen möglichen Lungenbefall hin untersucht, zudem ist der Übergang zwischen gering ausgeprägten, eher harmlosen Lungenbefunden und einer kli- nisch bedeutsamen ILD fließend.
Zahlreiche Risikofaktoren
Mittlerweile sind jedoch einige Risikofaktoren bekannt, die eine Lungenbeteiligung bei ent- zündlich-rheumatischen Erkrankungen besonders wahrscheinlich machen. Bei der rheuma- toiden Arthritis (RA) etwa sind fast ausschließlich Patienten betroffen, bei denen sich der so- genannte Rheumafaktor und bestimmte als ACPA bezeichnete Antikörper im Blut finden. Auch entwickeln männliche RA-Patienten häufiger eine ILD als Frauen, Raucher häufiger als Nichtraucher. „Darüber hinaus wurde vor Kurzem ein genetischer Risikofaktor für eine Lun- genbeteiligung bei der RA entdeckt“, sagt Krause. Während das durchschnittliche ILD-Risi- ko bei 5 bis 10 % liegt, sind Männer mit dieser genetischen Besonderheit zu fast
20 % betroffen. Bei anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, etwa der systemi- schen Sklerose und bestimmten Muskelentzündungen, liegt der Anteil der Betroffenen zum Teil noch deutlich darüber – je nach Verlaufsform der Grunderkrankung und Art der verursa- chenden Autoantikörper entwickeln zwischen 30 und 70 % der Patienten eine Lungenbeteiligung.
Für die Therapie der rheumabedingten ILD steht mittlerweile eine Reihe von gut wirksamen Medikamenten zur Verfügung, die die überschießende Immunaktivität bremsen und so das
Lungengewebe schützen. „Allerdings ist die wissenschaftliche Evidenz für ihren Einsatz weiterhin gering“, sagt Krause, denn: „Sie beruht im We- sentlichen auf Registerdaten, Fallserien und Einzelberichten. Kontrollierte Studien sind nach wie vor rar und würden dringend benötigt.“
Bei Neudiagnose an Rheuma denken
Neben der Immunsuppression gewinnt ein weiteres Wirkprinzip bei der Behandlung der ILD an Bedeutung: Sogenannte Antifibrotika sollen die entzündungsbedingte Umwandlung von funktionellem Lungengewebe in Narbengewebe unterbinden und so das Voranschreiten der Lungenfi- brose zumindest verlangsamen. Erste Studien zeigen, dass ILD-Patienten mit unterschiedlichen rheumatischen Grunderkrankungen davon profi- tieren, insbesondere wenn die immunsuppressive Therapie von einer Behandlung mit Antifibrotika flankiert wird. Voraussetzung dafür, die ILD ef- fektiv therapieren und die Lungenfunktion bestmöglich erhalten zu können, ist jedoch eine frühe Diagnosestellung. „Die Herausforderung besteht hier darin, dass eine ILD zu jedem Zeitpunkt der rheumatischen Erkrankung neu entstehen kann, manchmal sogar noch vor der Rheumadiagnose selbst“, sagt Krause.
Bei jeder neu diagnostizierten ILD solle daher auf eine möglicherweise zugrunde liegende rheumatische Erkrankung geachtet werden. Umge- kehrt sollten alle Rheumapatienten auf eine mögliche ILD hin untersucht werden. Dabei müssen mindestens die Lunge abgehört und mögliche Symptome wie Husten oder Luftnot abgefragt werden. Goldstandard für die Diagnose der ILD ist jedoch die Dünnschicht-Volumen-Computerto- mografie. Empfehlungen dazu, welche Methode unter welchen Voraussetzungen und in welchen Abständen eingesetzt werden sollte, werden derzeit in einer interdisziplinären Leitlinie ausgearbeitet.
Diagnose und Therapie der rheumabedingten ILD sind von Anfang an eine interdisziplinäre Aufgabe. „Schon bei Verdacht auf eine ILD und erst recht beim Nachweis der Erkrankung sollten das diagnostische Vorgehen, die erhobenen Befunde und die Therapie in interdisziplinären Konfe- renzen unter Beteiligung von Fachärzten aus der Rheumatologie, Pulmonologie, Radiologie und Pathologie besprochen werden“, betont Krause.
rh
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literatur:
• Eulert et al. A standardized assessment of treatment and outcome of newly diagnosed patients with JIA within the ProKind project – pathways for polyarticular JIA, in: ARD volume 81, supplement 1, year 2022, page 315.
• Horneff et al. Protocols on classification, monitoring and therapy in children’s rheumatology: Results of the working group polyarticular juvenile id- iopathic arthritis, in: Pediatric Rheumatology 2017; 15:78
• Trincianti et al. Definition and Validation of the American College of Rheumatology 2021 Juvenile Arthritis Disease Activity Score Cutoffs for Dis- ease Activity States in Juvenile Idiopathic Arthritis, in: Arthritis Rheumatol. 2021 Nov; 73(11):1966-1975