MEDIZIN | Koloskopie 

Koloskopie: Verbesserung

durch Probiotika?

Das Kolonkarzinom ist das weltweit dritthäufigste Karzinom, an dem laut WHO jährlich fast eine Milli- on Menschen sterben. Die Inzidenzrate dieser Tu- morerkrankung nimmt in der westlichen Bevölke- rung zu, was auf verschiedene Risikofaktoren wie Lebensstil, Ernährungsgewohnheiten und die stei- gende Prävalenz von Adipositas zurückzuführen ist.

FOTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO: NOPPARIT, LECHATNOIR

AUTOR: Prof. Dr. Joachim Labenz

Privatpraxis für Gastroenterologie & Hepatologie am Diakonie Klinikum Jung-Stilling, Siegen (D), Consul- tant Diakonie Klinikum Siegen und Centrum Gastro- enterologie Bethanien Frankfurt, em. Direktor der Medizinischen Klinik I Diakonie Klinikum Siegen,

www.diakonie-sw.de

Obwohl sich die Behandlungsmethoden stetig verbessern und das Fünf-Jahres-Überleben steigt, ist eine medizinische Vorsorgeuntersuchung im- mer noch der beste Weg, um die Entwicklung eines Kolonkarzinoms zu vermeiden.


Goldstandard zur Darmkrebs-Prävention

Die Koloskopie gilt als wichtigste medizinische Untersuchung zur Prävention und Früherkennung von Dickdarmkrebs. Es handelt sich dabei um eine sichere, im Allgemeinen gut verträgliche Methode zur Darstellung des distalen terminalen Ileums und des gesamten Dickdarms, bei der Ent- zündungen, Polypen und Gewebeveränderungen bis hin zu Darmkrebs entdeckt und abgeklärt werden.1 Bei der Untersuchung wird ein langer, fle- xibler Schlauch, das Koloskop, in das Rektum eingeführt. Eine winzige Videokamera an der Spitze des Schlauchs ermöglicht es, das Innere des gesamten Dickdarms zu betrachten. Bei Bedarf können mittels Endoskop während der Darmspiegelung Polypen oder andere Arten von krankhaf- tem Gewebe entfernt oder Biopsien entnommen werden.

Ab dem 50. Lebensjahr sind in den meisten europäischen Ländern Präventionsprogramme mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen vorgesehen, da mit zunehmendem Alter das Darmkrebsrisiko steigt. Da sich Polypen bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko oft erst nach einigen Jahren zu einem malignen Tumor entwickeln können, wird ein Screening-Intervall von zehn Jahren empfohlen. Bei Personen mit hohem Darmkrebs- risiko (z. B. genetische Prädisposition) sollte dieses Intervall verkürzt und das Screening auch früher im Leben begonnen werden. werden. Obwohl es sich dabei um einen Routineeingriff handelt, wird diese wichtige Vorsorgeuntersuchung nur von einem Bruchteil der Bevölkerung in Anspruch genommen. Ein Grund dafür ist häufig die Angst vor möglichen gastrointestinalen Beschwerden, die im Zuge oder nach der Koloskopie auftreten können.


Darmlavage: Notwendige Vorbereitung

Der Erfolg und die Qualität einer Koloskopie hängen wesentlich von einer adäquaten Darmentleerung ab.2 Dies erfordert zum einen ein kurzes Fasten: 24 Stunden vor der Koloskopie darf keine schwer verdauliche Nahrung mehr aufgenommen werden. Besonders körnerhaltige Lebensmittel sollten schon einige Tage zuvor gemieden werden, da diese sich gerne an der Darmwand festsetzen. Bei einer allgemeinen Darmträgheit ist es sinnvoll, mit der kurzfristigen Ernährungsumstellung unter Umständen schon früher zu beginnen. Darüber hinaus bedarf es einer gründlichen Reini- gung der Darmwand mittels einer oral einzunehmenden Darmlavage-Lösung, um den Darminhalt auszuspülen. Hierfür kommen standardmäßig bestimmte orale Abführmittel wie beispielsweise Polyethylenglykol (PEG) zum Einsatz. Der beste Weg, den Dickdarm zu reinigen, ist eine soge- nannte Split-Lavage: Dabei wird am Nachmittag vor der Koloskopie die erste Portion und am Tag der Koloskopie die zweite Portion des Flüssigprä- parates getrunken. Eine gut durchgeführte Darmlavage reduziert das Risiko von unerwünschten Ereignissen während der Koloskopie und kann zu- dem verhindern, dass Krebsläsionen oder deren Vorstufen übersehen werden.


Was passiert mit dem Darmmikrobiom?

Der Konsum von Abführmitteln zur Vorbereitung auf die Koloskopie erhöht die Menge an Wasser im Darm, wodurch jedoch nicht nur Fäkalreste, sondern auch Mukus und nützliche Darmbakterien ausgespült werden. Besonders luminale Bakterien, die nicht an der Darmschleimhaut haften, werden leicht ausgeschwemmt. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine Darmlavage mit anschließender Kolo- skopie einen signifikanten Einfluss auf die Diversität und die Zusammensetzung des Darmmikrobioms hat.3, 4 So wurde gezeigt, dass die Darmvor- bereitung die Häufigkeit von gesundheitsfördernden Laktobazillen verringert, wohingegen die Abundanz von Proteobakterien zunimmt. Diese intes- tinale Dysbiose macht sich bei bis zu 80 % der Patienten nach einer Koloskopie bemerkbar und geht oftmals mit diversen gastrointestinalen Be- schwerden einher. Bis zu vier Wochen nach der Untersuchung könnten hierbei unangenehme Begleiterscheinungen wie Bauchschmerzen, Blähun- gen, Krämpfe oder Übelkeit sowie Probleme mit der Verdauung wie etwa Durchfall oder Verstopfung auftreten. In einer prospektiven Kohortenstu- die mit insgesamt 502 Patienten wurden Blähungen bei 25 % sowie Bauchschmerzen und -beschwerden bei 11 % der Patienten als die häufigsten unerwünschten Wirkungen nach einer Koloskopie dokumentiert.5 Darüber hinaus kann die Darmvorbereitung auch lang anhaltende Folgen mit sich bringen, was bei vielen Patienten mit Ablehnung einer erneuten Koloskopie verbunden ist.


Prävention gastrointestinaler Beschwerden

Die Reduktion dieser unerwünschten Ereignisse könnte die Akzeptanz der Patienten erhöhen und die Quote an Früherkennungskoloskopien stei- gern. Hierbei ist das Darmmikrobiom zum Forschungshotspot zahlreicher Wissenschaftler geworden. Bisher ist die Zahl an wissenschaftlichen Da- ten zur Wirkung von Probiotika auf gastrointestinale Symptome und Mikrobiom-Modulationen bei Patienten, die sich einer Koloskopie unterziehen, begrenzt.6 Die gezielte positive Modulation des Mikrobioms durch den Einsatz hochqualitativer Probiotika lieferte jedoch bereits in verschiedensten Bereichen der Medizin vielversprechende Ergebnisse. Das beste Beispiel hierfür bietet der Einsatz von speziell formulierten Multispezies-Probioti- ka während Antibiotika-Therapien, bei denen das Darmmikrobiom dezimiert wird und infolgedessen häufig gastrointestinale Beschwerden wie Durchfälle auftreten. Durch die Verdrängung bzw. Verhinderung der Ansiedlung pathogener Keime mithilfe spezifischer pathogeninhibierender Multispezies-Probiotika konnten Studien zufolge typische Antibiotika-assoziierte Beschwerden wie Antibiotika-assoziierte Diarrhö deutlich reduziert werden.7, 8


Probiotikum zeigt positive Effekte

Der Einsatz von speziell ausgewählten probiotischen Bakterienstämmen nach einer Darmlavage kann eine ähnliche Funktion erfüllen und die Wie- derbesiedelung des Darms mit gesundheitsfördernden Bakterien nach der Koloskopie unterstützen. Um das Potenzial eines spezifisch formulier- ten Multispezies-Probiotikums zur Prävention von Beschwerden nach einer Vorsorgekoloskopie und dessen Einfluss auf den Wiederaufbau des Darmmikrobioms zu untersuchen, wurde ein groß angelegtes, multizentrisches Forschungsvorhaben an acht Zentren in Deutschland durchgeführt.9 Es handelte sich hierbei um eine Placebo-kontrollierte, doppelblinde und randomisierte Pilotstudie mit 91 gesunden Probanden, die für ihre Vorsorgekoloskopie an das jeweilige Zentrum kamen. Die Hälfte (47 Probanden) erhielt dabei ab dem Zeitpunkt direkt nach der Koloskopie über vier Wochen zweimal täglich ein hochdosiertes Multispezies-Probiotikum bestehend aus den Stämmen Bifidobacterium bifidum W23, Bifido- bacterium lactis W51, Enterococcus faecium W54, Lactobacillus acidophilus W37, Lactobacillus rhamnosus WGG und Lactococcus lactis W19. Die andere Hälfte (43 Probanden) erhielt ein Placebo. Im Zuge der Studie wurden Stuhlproben der Teilnehmer jeweils vor sowie vier Wochen nach der Koloskopie mittels 16S rRNA-Sequenzierung hinsichtlich Zusammensetzung und Diversität des intestinalen Mikrobioms untersucht. Zudem wurden gastrointestinale und sonstige Beschwerden der Teilnehmenden über Fragebögen evaluiert und die Stuhlbeschaffenheit nach der interna- tional anerkannten Bristol Stool Scale (BSS) von den Probanden festgehalten.

Die Compliance und Verträglichkeit der Studienmedikation waren in beiden Studienarmen sehr gut. Die Sequenzierungen ergaben eine höhere ab- solute Veränderung der Alpha-Diversität des Darmmikrobioms in der Probiotika-Gruppe (Delta Shannon number equivalent; p=0,036). Besonders bemerkenswert war auch die signifikant erhöhte Abundanz des im Probiotikum enthaltenen Bakterienstammens Enterococcus faecium W54 (p<0,05) in den Stuhlproben der Verum-Gruppe (Abb. 1). Hervorzuheben ist zudem, dass unter der Einnahme des Probiotikums signifikant weniger Tage mit Obstipation (BSS 1 – 2) auftraten (p=0,044; Abb. 2). Darüber hinaus wurden in der Probiotika-Gruppe weniger Tage mit gastrointestinalen Beschwerden wie Diarrhö oder Blähungen verzeichnet.


Fazit

Die Koloskopie zählt zu den wichtigsten Vorsorgeuntersuchungen, um die Darmgesundheit zu erhalten und abnorme Gewebeveränderungen rechtzeitig zu erkennen. Obwohl es sich hierbei um einen Routineeingriff handelt, scheuen viele Menschen diese überaus wichtige Untersuchung. Die damit oftmals assoziierten Beschwerden nach der Koloskopie sind häufig ein Grund, diese nicht erneut durchführen zu lassen. Neueste wis- senschaftliche Erkenntnisse machen deutlich, dass sich durch die Gabe eines speziell formulierten Multispezies-Probiotikums über vier Wochen nach einer Darmlavage postinterventionelle Darmbeschwerden reduzieren lassen. Zudem wird durch die Einnahme ausgewählter probiotischer Bakterienstämme die Fehlbesiedelung durch pathogene Keime in dieser vulnerablen Zeit verhindert und das Darmmikrobiom positiv beeinflusst. Diese wertvollen Forschungseinblicke bieten äußerst großes Potenzial, um die allgemeine Akzeptanz dieser wichtigen Kontrolluntersuchungen zu steigern.

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QUELLEN:

1) Rex, Douglas K., et al. „Quality indicators for colonoscopy.“ Gastrointestinal endoscopy 81.1 (2015): 31-53.

2) Hassan, C., et al. „Bowel preparation for colonoscopy: European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) guide- line.“ Endoscopy 45.02 (2013): 142-155.

3) Jalanka, Jonna, et al. „Effects of bowel cleansing on the intestinal microbiota." Gut 64.10 (2015): 1562-1568.;

4) Drago, Lorenzo, et al. „Persisting changes of intestinal microbiota after bowel lavage and colonoscopy.“ European journal of gastroenterology & hepatology 28.5 (2016): 532-537.

5) Ko, Cynthia W., et al. „Incidence of minor complications and time lost from normal activities after screening or sur- veillance colonoscopy.“ Gastrointestinal endoscopy 65.4 (2007): 648-656.

6) D'Souza, et al. Randomized controlled trial of probiotics after colonoscopy. ANZ J Surg. 87(9), 65–69 (2017)

7) Koning, Catherina JM, et al. „The effect of a multispecies probiotic on the intestinal microbiota and bowel movements in healthy volunteers taking the antibiotic amoxycillin." Official journal of the American College of Gastroenterology| ACG 103.1 (2008): 178-189.

8) Rabl, Hans, et al. „Einsatz von Probiotika bei Antibiose." Wiener klinisches Magazin 25.1 (2022): 12-19.

9) Labenz, J., et al. „Ein Multispezies Probiotikum zeigt einen positiven Effekt auf das intestinale Mikrobiom und reduziert Darmsymptome nach einer oralen Darmlavage zur Vorsorge-Koloskopie: randomisierte, doppelblinde, plazebokontrol- lierte Multicenterstudie (COLONIZE).“ Zeitschrift für Gastroenterologie 60.08 (2022): KA539.