MEDIZIN | Rheuma

In Bewegung bleiben

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Das Wissen um die rund 400 Erkrankungen des rheumatischen For- menkreises hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert – und doch dauert es oft Jahre bis zur Diagnosestellung. Eine frühe Dia- gnose und rasch beginnende Therapie beeinflussen den Krankheits- verlauf wesentlich.

Zwischen dem Auftreten der ersten Krankheitszeichen, der Erfüllung von Kriterien, die zur genauen Diagnose führen, und dem Beginn von thera- peutischen Maßnahmen vergeht wertvolle Zeit. Damit geht hoher Leidensdruck für Patienten einher. Die Betroffenen befinden sich in einem Teufels- kreis: Immer wiederkehrende Gelenksschmerzen haben einen fehlenden Schlafrhythmus zur Folge, der wiederum zu Fatigue führt, einer der häu- figsten Begleiterscheinungen des rheumatoiden Formenkreises. Durch chronische Schmerzen entgeht Patienten die Möglichkeit, aktiv am Lebe- n teilzunehmen. Ihr Rückzug aus dem sozialen Umfeld ist mit zunehmendem Krankheitsverlauf in vielen Fällen mit psychosozialen Einschränkunge- n und Depressionen verbunden- .

Durch eine genaue klinische und therapeutische Befundung kann Rheuma deutlich früher erkannt und entsprechend behandelt werden. Insbeso- ndere Physiotherapie kann dabei helfen, das Fortschreiten der Gelenkzerstörung stark zu verlangsamen und so die Beweglichkeit bis ins hohe Alter zu erhalten. Im Anfangsstadium einer rheumatoiden Erkrankung stehen in vielen Fällen unspezifische Schmerzen, welche im Tagesrhythmus stark variieren können. Häufig können die ersten Beschwerden nicht eindeutig einer rheumatoiden Erkrankung zugeordnet werden. Umso wichtiger sind die Befundung und eine regelmäßige Verlaufskontrolle durch Physiotherapeuten. Die enge Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Physiotherapeu- ten ist für rheumatoide Patienten von unschätzbarem Wert.


Bewegung erlernen

Es gibt eine Vielzahl von Bewegungsformen, deren Durchführung Patienten mit rheumatischen Erkrankungen helfen kann. Unter Anleitung führen Patienten diese während der Physiotherapie durch und werden beraten, wie ihnen die erlernten Bewegungen auch bei einer Anwendung zuhause helfen können. Gezielte Bewegungsübungen fördern die Koordination, Kondition und Gelenksstabilität. Da der Krankheitsverlauf bei jedem Patie- nten unterschiedlich ist, gilt es individuell auf das jeweilige Ressourcenpotenzial der Patienten einzugehen. Die Analgesie und Antiphlogese bilden genauso wie die Verbesserung der allgemeinen Reaktionsfähigkeit und der posturalen Kontrolle Ziele der physiotherapeutischen Behandlung. Die Funktionsverbesserung von Gelenken und Muskeln steht stets in deren Zentrum- .

Während der akuten Phase einer rheumatischen Erkrankung liegt das Augenmerk auf dem Beruhigen der Immunreaktion und der positiven Beein- flussung des vegetativen Nervensystems. Neben Weichteiltechniken und Lymphdrainagen trägt auch die passive Mobilisation zur Detonisierung der Muskulatur, zur Verbesserung der Beweglichkeit der Strukturen und zur Aktivierung von parasympathischen Reaktionen bei. Sobald die inflammato- rischen Zeichen abgeklungen sind, werden Patienten dazu angehalten, so aktiv wie möglich zu sein. In der Physiotherapie lernen sie, welche Fo- rmen von Bewegung besonders wertvoll für ihr individuelles Krankheitsgeschehen sind. Die Bestärkung, dass jegliche Bewegung, die Spaß macht, erlaubt und auch gefordert ist, hat Priorität. Ob Tanzen, Schwimmen oder lange Spaziergänge: Wichtig ist, dass ein ausgewogenes Maß an funkti- onellem Ausdauer- und gezieltem Krafttraining gefunden wird. Stop-and-Go-Sportarten wie Tennis, Step-Aerobic, Squash, Fußball oder Badminton sollten weitgehend gemieden werden – genauso wie Bewegungsmangel. Im weiteren Verlauf der Physiotherapie wird Augenmerk auf Prävention und Gelenkschutz sowie auf die Vermeidung von sozialer Isolation gelegt. Behandelnde Physiotherapeuten bilden Schlüsselfiguren für Rheumapat- ienten. Durch passive und aktive Mobilisation der Strukturen, Schulung der Körperwahrnehmung und Kräftigung der Muskulatur kann der Patient a- ktiv an seinem Leben teilnehmen und so lange wie möglich seine Lebensqualität erhalten. Das Stichwort lautet – wie so oft: Empowerment. Durch das Anbieten von Informationen und Wissen erhalten Betroffene die Möglichkeit, in Bezug auf ihre Erkrankung selbstständiger handel- n.

Wichtig ist, bei der Verordnung das Wort „Physiotherapie“ zu verwenden und nach Möglichkeit die Leistungsposition der Krankenkasse anzugeben. Wichtig ist auch, dass eine Zeitangabe – zum Beispiel 45 Minuten – und die Diagnose auf der Verordnung angeführt wird sowie zu begründen, we- shalb Patienten unter Umständen längere Therapieeinheiten benötigen, als die jeweilige Krankenkasse als Mindestdauer vorsieh- t.