Fortbildung & Klinik I Ärztegesetz
FotoS: ÖÄK/Christian leopold, istockphoto/Anf´drey popov
Eine Entscheidung des Verfassungsgerichts- hofes sorgt für Aufruhr. Ausbildung und Quali- tätssicherung fallen aus dem Zuständigkeits- bereich der Ärztekammer. Es gehe um Macht und Einfluss, sind Kammerfunktionäre sicher.
Von einem „Schildbürgerstreich“, „Entsetzen“ und einer „Desavouierung des ärztlichen Berufsstandes“ war die Rede, jegliches Verständnis für die Entscheidungen des Parlaments fehlte. In einer „Nacht-und-Nebel-Aktion“ wurde ein bestehendes, funktionierendes System einfach zerstört, hieß es, nachdem die im Parlament beschlossene Novelle zum Ärztegesetz publik wurde. Demnach werden nun statt Ärzten Beamte darüber entschei- den, an welchem Standort wie viele Ärzte gleichzeitig in einer Abteilung ausgebildet werden. Die Qualitätskontrolle wurde zudem in den Kompe- tenzbereich des Gesundheitsministeriums übertragen.
A.o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), ist hörbar verärgert. Er weiß, was der Grund für die um- strittene Entscheidung war: „Der Ursprung dieser Entscheidung liegt in einem juristischen Formalfehler, der vor Jahrzehnten geschehen ist, als bei der Zuordnung von Aufgaben wie die Anerkennung von Ausbildungsstätten in den übertragenen Wirkungsbereich der Ärztekammer die Bundes- länder nicht um ihr Einverständnis gefragt wurden“, so Szekeres. „Anstatt diesen Fehler einfach zu korrigieren, haben die Bundesländer die Chan- ce gesehen, mehr Macht an sich zu reißen. Es ist aber keinesfalls die gesamte Zuständigkeit für die Ausbildung verloren gegangen.“ Die Schuld sieht der Präsident ganz klar bei den Bundesländern, die die Gesetzeslücke ausnutzen wollten und damit Teile der Kompetenzen, die bisher im übertragenen Wirkungsbereich der ÖÄK lagen, an sich zögen. Darunter fallen neben der Anerkennung von Ausbildungsstätten auch die Qualitäts- kontrolle für Ordinationen, die derzeit die ÖÄK-Tochtergesellschaft ÖQMed in bewährter Form garantiert.
Konsequenzen für Kammer, Ärzte und Patienten
Die ÖÄK sei im übertragenen Wirkungsbereich schon seit vielen Jahren unter anderem für die Anerkennung von Ausbildungsstätten und die Fest- setzung von Ausbildungsstellen zuständig und gewährleiste so die Ausbildungsqualität von Ärztinnen und Ärzten; ebenso auch, dass österreich- weit der einheitliche Vollzug sichergestellt ist. „Bei der Qualitätssicherung gibt es bis 2024 Zeit, eine Lösung zu finden. Sollte das erfolglos bleiben, würde die Qualitätssicherung beim Gesundheitsministerium landen“, ist Szekeres überzeugt.
Für die auszubildenden Ärzte sind ebenfalls Konsequenzen zu erwarten. „Die Österreichische Ärztekammer vollzieht seit vielen Jahren ausbil- dungsrechtliche Angelegenheiten ohne Probleme und auf qualitativ höchstem Niveau. Dies willkürlich der Ärzteschaft zu entziehen, ist unverständ- lich und wird dazu führen, dass noch mehr Ärztinnen und Ärzte Österreich verlassen werden“, fürchtet der Präsident. Die Anerkennung von Ausbil- dungsstätten und die Festsetzung von Ausbildungsstellen stünden in engem Zusammenhang mit der Ausbildungsqualität und damit mit der Si- cherstellung, dass Ärztinnen und Ärzten in der Ausbildung die erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten vermittelt werden. „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum Landespolitiker und Länderbehörden mehr Erfahrung und Wissen zu diesem Thema haben sollten als Ärztin- nen und Ärzte. Wir befürchten hier also einen deutlichen Qualitätsverlust“, zeichnet Szekeres es düsteres Szenario.
Selbst für die Patienten habe die Entscheidung Folgen. Die Bevölkerung werde diesen Schritt insofern bezahlen müssen, als dass nun mit Steuer- geld unnötigerweise neue Strukturen aufgebaut werden müssen – im Extremfall in neunfacher Ausfertigung, so Szekeres, der fortfährt: „Zudem se- hen wir die Patientenversorgung der Zukunft in akuter Gefahr. Schon jetzt steht die Qualität der ärztlichen Ausbildung durch die Sparpolitik der vergangenen Jahre stark unter Druck. Die Entwicklungen, die nun durch diese Novelle zu befürchten sind – mehr Abwanderung von jungen Ärztin- nen und Ärzten ins Ausland, schlechtere Ausbildungsqualität –, könnten jetzt einen weiteren herben Rückschlag bedeuten.“
Maßnahmen für die Zukunft
Dass Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein nicht vehementer interveniert hat, fin- det der Ärztekammer-Chef schade: „Dass das Ministerium und der Bundesgesetzge- ber dem massiven Druck der Bundesländer nachgegeben haben, ist natürlich zu- tiefst bedauerlich.“
Für die Zukunft könnte es demnach für die Ärzteausbildung zu Bundesland-abhängi- gen Änderungen kommen, denn während bislang Ärzte die Rahmenbedingungen für die Ärzteausbildung selbst festgelegt hätten, würden das in Zukunft medizinfremde Landesbehörden übernehmen. „Statt Ärztinnen und Ärzten werden nun Landesbe- hörden darüber entscheiden, an welchem Standort wie viele Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig in einer Abteilung ausgebildet werden. Es steht für uns völlig außer Zwei- fel, dass die Ausbildung weiterhin in die kompetenten Hände der Ärztinnen und Ärz- te gehört, denn nur so kann die Versorgungsqualität gesichert werden“, gibt sich Szekeres kämpferisch und scheint den Boden noch nicht verloren zu geben.
Die Österreichische Ärztekammer hat sich bereits im Vorfeld energisch gegen die Novelle zur Wehr gesetzt und werde das auch weiterhin tun, versichert der Präsi- dent. „In einer am Kammertag beschlossenen Resolution wurde der Gesetzgeber aufgefordert, die zu Lasten der Ärztekammer vorgenommenen Verschlechterungen im Ausbildungsbereich zurückzunehmen. Erst kürzlich haben die Präsidenten der medizinischen Fachgesellschaften und die Vorsitzenden der ÖÄK-Bundesfachgrup- pen und -Bundessektionen eine Unterstützungserklärung unterfertigt, die an Bundes-
kanzler, Gesundheitsminister und die neun Landeshauptleute gesendet wurde. Darin wurden Bundesregierung, Parlament und die Landeshaupt- leute eindringlich aufgefordert, die Kompetenz für die Anerkennung von Ausbildungsstätten und Ausbildungsstellen bei der Ärzteschaft zu belas- sen“, so Szekeres abschließend.
Im Sinne einer konstruktiven, zielführenden und zukunftsträchtigen Lösung bleibt nun zu hoffen, dass sich die Konfliktparteien an einen Tisch set- zen. Immerhin geht es dabei um die Zukunft der ärztlichen Ausbildung und Qualitätssicherung und damit um den Erfolg des österreichischen Gesundheitswesens.
bw