REHABILITATION | Covid

Trotz Pandemie zur Rehabilitation

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Viele Maßnahmen wurden erarbeitet, um einen möglichst sicheren Betrieb der Rehabilitations- zentren zu gewährleisten und das Infektionsrisiko in der Rehabilitation auf ein Minimum zu beschränken.

Unter dem Begriff der Rehabilitation werden seit Jahrzehnten unterschiedliche Maßnahmen im Verlauf der bestmöglichen Wiederherstellung der Gesundheit, aber auch der Eingliederung in den gewohnten Alltag nach Operationen, akuten Krankheitsbildern, aber auch chronischen Erkrankun- gen zusammengefasst. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat schon 1981 folgende Definition für den Rehabilitationsbegriff festgelegt: „Reha- bilitation umfasst den koordinierten Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen sowie Einflussnahmen auf das physische und soziale Umfeld zur Funktionsverbesserung zum Erreichen einer größtmöglichen Eigenaktivität zur weitestgehend unabhän- gigen Partizipation in allen Lebensbereichen, damit der Betroffene in seiner Lebensgestaltung so frei wie möglich wird.“

Rehabilitationsmaßnahmen sind in vielen medizinischen Fachgebieten, von der Neurologie über die Kardiologie bis zur Onkologie, indiziert. Vor al- lem bei Erkrankungen und degenerativen oder traumatologisch bedingten Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates zählt die Teilhabe am täglichen Leben, die Möglichkeit, den Alltag selbstständig zu bewältigen, einen Beruf wieder ausüben zu können oder auch am Familien- und Sozialleben teilnehmen zu können oder auch Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu den wichtigsten medizinischen, aber auch sozialpolitischen Zie- len. Dementsprechend sind in Österreich die häufigsten Indikationen für eine stationäre oder ambulante Rehabilitation in den Fachbereichen der Orthopädie, Traumatologie und Rheumatologie zu finden.


Vier Phasen der Rehabilitation

Das nach wie vor gelebte Phasenmodell der Rehabilitation unterscheidet einen mehrstufigen Aufbau mit bis zu vier möglichen aufeinander folgen- den Teilphasen. In den letzten Jahren ist man dazu übergegangen, bereits präoperativ Voraussetzungen für einen erleichterten Einstieg in die pos- toperative Therapie zu schaffen. Das Üben der Verwendung von Hilfsmitteln wie Unterarmstützkrücken und die präoperative Muskelkräftigung bei geplanten Gelenksoperationen erleichtern dem Patienten die unmittelbare postoperative Grundmobilisation, die in der Phase I, der Frühmobilisati- on im Akutkrankenhaus, stattfindet.

Die Phase II umfasst stationäre Anschlussheilverfahren, meist über einen Zeitraum von drei bis vier Wochen, in Rehabilitationszentren oder die am- bulante Rehabilitation in Therapiezentren. In der dritten Phase werden weitere ambulante Rehabilitationsmaßnahmen im niedergelassenen Bereich zur Festigung der Therapieerfolge der Phasen I und II vorgenommen. Die Phase IV schließlich ist die langfristige Nachsorge durch Heimtherapie und Training, beispielweise auch in Fitnessbereichen und Vereinen.


Therapieziele sind unterschiedlich

Wenn wir die insgesamt inhomogene Patientengruppe mit Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates betrachten, hat naturgemäß jeder Patient unterschiedliche, höchst individuelle Therapieziele, zumeist aus den Bereichen Mobilitätsverbesserung, Funktionsverbesserung von All- tagsfunktionen wie An- und Ausziehen, Körperpflege oder auch das Zubereiten von Mahlzeiten. Auch die Schmerzreduktion oder in einigen Fällen die Therapie einer peripheren Lähmung können im Mittelpunkt der Therapie stehen, durchaus mit dem Ziel, wieder möglichst uneingeschränkt am Alltag teilnehmen zu können. In der Medizin wird grundsätzlich eine Restitutio ad Integrum angestrebt. In der Rehabilitationsmedizin besteht je- doch in den meisten Fällen die Zielsetzung einer Restitutio ad Optimum. Dieses individuelle Therapieziel wird in Absprache von Patient, Arzt und Therapeuten an die Ausgangslage, das Rehabilitationspotenzial und den Patientenwunsch realistisch angepasst.

Gerade die Wahl funktioneller, individueller Ziele macht eine Rehabilitation für den einzelnen Patienten so wertvoll. Nicht das vom Arzt oder Thera- peuten angedachte Therapieziel leitet uns durch die Therapie, sondern die Zielsetzung, die für den Patienten selbst notwendig ist, um wieder mög- lichst fit zu werden. Beispielhaft ausgedrückt geht es nicht darum, ein Kniegelenk nach der Implantation einer Kniegelenksendoprothese 90° oder doch 120° beugen zu können, sondern darum, ob der Patient acht Stunden am Schreibtischsessel sitzen, seine Büroarbeit bewältigen oder Stie- gen steigen und seine Wohnung erreichen kann oder ob er es in den Supermarkt schafft, um sein Essen einzukaufen, oder ob er auch mit Freun- den Sport ausüben und dadurch soziale Kontakte erleben kann.


Sicherheit geht vor

Aber gibt es heutzutage, in Zeiten einer Covidpandemie, überhaupt Möglichkeiten, eine effektive Rehabilitation durchführen zu können? Werden ausreichend und richtige Therapien angeboten? Ist die Infektionsgefahr nicht zu groß, wenn viele Patienten zusammenkommen? Vorneweg, die Rehabilitation war im Rahmen des ersten Lockdowns ab Ende März 2020 kurzfristig nicht möglich, da von der Regierung im Rahmen der Schlie- ßung verschiedenster Bereiche auch ein Sperren der Rehabilitationszentren angekündigt worden war. Gleichzeitig waren diese Sonderkrankenan- stalten aber auch als Reservestationen zur Entlastung bei epidemiebedingter Überlastung der Akutkrankenhäuser angedacht. Rasch wurden viele Maßnahmen erarbeitet, um einen möglichst sicheren Betrieb der Rehabilitationszentren zu gewährleisten und das Infektionsrisiko in der Rehabilita- tion auf ein Minimum zu beschränken.

Das Klinikum am Kurpark Baden war die erste orthopädisch/traumatologisch/rheumatologische Rehabilitationseinrichtung, die ihren Betrieb bereits Mitte April 2020 wiederaufgenommen hat. Im Vorfeld sind verschiedenste Sicherheitsmaßnahmen zur Risikoreduktion einer Covid-19-Übertragung getroffen worden, um Patienten und Mitarbeiter bestmöglich zu schützen. Vorabinformationen setzen die Patienten schon vor dem Antritt der Reha- bilitation über die aktuellen Sicherheitsmaßnahmen in Kenntnis. Alle neuankommenden Patienten werden mit einem PCR-Test auf eine mögliche Covidinfektion getestet und verbleiben bis zum Vorliegen des Testergebnisses in Zimmerquarantäne. Da die Tests im hauseigenen Labor ausge- wertet werden können, ist diese Absonderung im Regelfall mit ein bis zwei Stunden limitiert.

Selbstverständlich werden die Patienten nur in Einzelzimmern untergebracht, sofern sie nicht mit ihrem Partner beziehungsweise einer Begleitper- son zur Rehabilitation kommen. Beim Auftreten von covidspezifischen Symptomen werden unter neuerlicher Quarantäne unmittelbar Antigentests durchgeführt. Falls diese positiv sein sollten, werden wiederum PCR-Tests zur genaueren Abklärung vorgenommen. Besuche sind nur kontrolliert mit FFP2-Masken möglich.


Maskenpflicht und Hygieneregeln

Die Mitarbeiter müssen täglich vor dem Weg in die Arbeit ihren Gesundheitszustand überprüfen und bei allfälligen Veränderungen extern weiter abklären lassen, bevor sie zum Dienst kommen können. Außerdem werden alle Beschäftigten einmal in der Woche mit einem Antigentest ausgetes- tet. Alle Mitarbeiter schützen andere und sich durch das Tragen von FFP2-Masken. Die Patienten sind ebenfalls mit einer FFP2-Maske ausgerüstet. In Medizin, Therapie und im Hotelbetrieb gelten die allgemeinen Abstandsregeln. Auch die Gruppentherapien werden aus diesem Grund nur als Kleingruppen mit maximal sechs Teilnehmern geführt. Der Schwerpunkt liegt bei Einzeltherapien mit FFP2-Masken und regelmäßiger Hände- und Flächendesinfektion.

Diese zentralen Sicherheitsregeln werden von unzähligen Begleitmaßnahmen ergänzt und stets hinterfragt, aktualisiert und an Änderungen der Verordnungen laufend angepasst, sodass der Bedarf an Rehabilitationsmaßnahmen ohne erhöhtes Risiko einer Covid-19-Infektion gedeckt werden kann. Dass dieser Bedarf aus medizinischer Sicht, aber auch aus Patientensicht besteht, hat sich bereits nach der Wiedereröffnung im April 2020 gezeigt. Durch die kurzzeitige Schließung konnten viele Patienten nicht direkt im Anschluss an ihre Operation oder Erkrankung ein Heilverfahren antreten. Ihr gesundheitlicher Zustand hat deshalb nicht dem zu erwartenden Verlauf der Wiederherstellung bei durchgängiger Behandlung entsprochen.


Nachholbedarf sichtbar

Übungsanleitungen und Heimprogramme, die manche Patienten in der Rehabilitationsphase I im Akutkrankenhaus erhalten haben, haben nicht ausgereicht, um einen den bisherigen Erfahrungen entsprechenden Heilungsverlauf zu erreichen. In einigen Fällen ist ein größerer Nachholbedarf entstanden, sodass der Rehabilitationsaufenthalt um ein bis zwei Wochen verlängert werden musste. Auch Wiederholungsaufenthalte, vor allem nach Schulter- oder Wirbelsäulenoperationen, waren vermehrt notwendig.

Ein wesentlicher Vorteil der stationären Rehabilitation ist auch, dass die Schmerzbehandlung durch die dauernde Verfügbarkeit von Ärzten und Pflegekräften sowie der Therapeuten zu Therapiezeiten stets gegeben ist. Die Verabreichung der analgetischen Medikation kann jederzeit bei Be- darf an die aktuellen Schmerzangaben der Patienten angepasst werden. Dabei ist es das vorrangige Ziel, möglichst rasch und suffizient für eine angemessene Schmerzlinderung zu sorgen und damit die Grundvoraussetzung für das Erreichen aller anderen Therapieziele zu schaffen, wie bei- spielsweise die Verbesserung der Funktionalität oder der muskulären Stabilität. NSAR, alle verfügbaren Analgetika und Co-Analgetika, seltener An- tidepressiva und äußerst selten auch Antikonvulsiva können eingesetzt werden. Zusätzlich werden auch in einer Phase der initialen medikamentö- sen Schmerzbehandlung physikalische Behandlungen durchgeführt. Durch die Kombination nicht-medikamentöser und medikamentöser Schmerz- therapien, die gut abgestimmt und ärztlich begleitet werden muss, kann frühzeitig eine Schmerzreduktion und in Folge eine Verbesserung der Funktionalität erreicht werden.


Erfolge durch Therapiekombinationen

Die Behandlung von Schmerzzuständen und Funktionsdefiziten erfordert neben der medikamentösen Schmerztherapie ein multimodales Therapie- konzept konservativer Behandlungen. Multimodalität im Sinne der physikalischen Medizin stellt ein individuelles, vielgestaltiges Behandlungskon- zept dar, das vom Arzt in Absprache mit dem Patienten festgelegt und im Laufe der Therapie an den Therapiefortschritt angepasst wird. Die opti- male Kombination von Bewegungstherapie, Ergotherapie, Elektrotherapie, Reflextherapien wie Massagen und Kälte- oder Wärmeanwendungen, unterstützt durch psychologische und diätologische Betreuung, stellt das Grundprinzip der physikalischen Medizin im Rahmen der stationären Re- habilitation dar. Nicht zuletzt werden auch Schulungen durchgeführt und Heimübungsprogramme erarbeitet, um die Nachhaltigkeit des Therapie- erfolgs zu sichern.  Dass multimodale Trainingsprogramme die Schlüssel zu optimierten Therapieergebnissen sind, konnte beispielsweise die Ar- beitsgruppe um Hildebrandt bereits 1996 mit dem Göttinger Rücken Intensiv Programm GRIP 1996 zeigen. Dies entspricht auch den aktuellen Er- fahrungen in der Rehabilitation, wo sich immer wieder zeigt, dass gerade die Anwendung von Therapiekombinationen sehr gute Erfolge bringt.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Rehabilitation der Phase II eine wesentliche Maßnahme ist, um Patienten das Erreichen persönlicher Partizipationsziele und damit ihre Wiedereingliederung in den Alltag, den Beruf, die Ausübung von Freizeitaktivitäten oder die Vermeidung von Pfle- gebedürftigkeit zu ermöglichen. Die notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen sind auch in Zeiten einer Covid-19-Pandemie bei Beachtung geeig- neter Schutzmaßnahmen uneingeschränkt durchführbar.

_________________________________ Literatur beim Verfasser