REHABILITATION | Psychosoziale Gesundheit

Pandemie & Psyche: Auswege aus der Krise

FOTOS: ZVG, ISTOCKPHOTO/ SIMARIK

Lockdowns, Homeoffice, Distance Learning, Kurzarbeit, Quarantäne, Social Distancing, mit der Familie auf engstem Raum oder Arbeitslosig- keit konfrontierten die Bevölkerung in den letzten Monaten und stellen an den Einzelnen besondere Herausforderungen.

Zusätzliche Belastungsfaktoren, wie die Angst vor Ansteckung, der Verlust der geord- neten Tagesstruktur, existenzielle Sorgen oder der Verlust des Arbeitsplatzes steigern psychische Belastungen und fördern chronischen Stress. Viele Menschen beklagen Kontrollverlust und Sorgen, besonders die Zukunftsperspektive betreffend.


Leben aus dem Lot

Auch eine Steigerung von Ängsten und Verunsicherungen bei medizinischen Risiko-

gruppen sowie chronisch Kranken und älteren Menschen zeichnet sich ab. Immer mehr psychisch stabile Menschen sind davon betroffen. Hinzu kommen Überforderung von Berufstätigen im Homeoffice, wovon besonders Alleinerziehende und Frauen betroffen sind. Als Folge sind Schlafstö- rungen, Unruhezustände und Burnout zu verzeichnen.

Bei Menschen, die ohnehin bereits an Angststörungen, Soziophobien, Depressionen und Zwangsstörungen leiden, kann eine gravierende Ver- schlechterung der Beschwerdesymptomatik beobachtet werden. Offensichtlich ist, dass die Belastungen mit der Dauer der erlebten Einschrän- kungen ansteigen. Das gilt auch für die Zunahme häuslicher Gewalt und sexuellen Missbrauchs, besonders, wo ohnehin ein hohes Gewaltpotenzi- al herrscht und auf engem Raum zusammengelebt wird.

Soziale Isolation ruft psychische Störungen hervor und begünstigt Suizid sowie Drogenmissbrauch. Nachdem finanzielle Sorgen, Ohnmachtsge- fühle und Isolation den Alltag vieler Menschen bestimmen, wird auch befürchtet, dass die Suizidraten im Rahmen der Corona-Krise steigen werden.


Suchterkrankungen nehmen zu

Ebenfalls konnte eine Veränderung des Konsumverhaltens von illegalen Substanzen und Alkohol während des Lockdowns festgestellt werden. Zum Zwecke der Stressbewältigung wurde verstärkt zu Cannabis und Alkohol gegriffen, zu Partydrogen wie Ecstasy und MDMA hingegen weni- ger, aufgrund von Schließungen von Clubs und Absagen von Veranstaltungen. Besonders nahmen jedoch nicht-stoffgebundene Suchterkrankun- gen wie internetbezogene Störungen und Gaming Disorder deutlich zu.

Auch die Jobaussichten und berufliche Perspektiven für jüngere Menschen haben sich durch die veränderte wirtschaftliche Situation deutlich ver- schlechtert. Kinder und Jugendliche mit psychisch und sozial kompetenten Familienangehörigen haben in Zeiten von Distance Learning und Home-schooling höhere Chancen, eine länger andauernde Corona-Krise gut zu bewältigen als jene, die aus psychisch und sozial weniger kompe- tenten Familien kommen. Die Bezugspersonen von Kindern und Jugendlichen stehen jedoch ebenfalls vor den Herausforderungen einer völlig veränderten Gesamtsituation, für welche ein Mangel an Erfahrungswerten gegeben ist. Zusätzlich hat die Pandemie auch Auswirkungen auf den Schlaf, was bedingt, dass Albträume und Schlafstörungen häufiger auftreten.


Wird Social Distancing normal?

Während als positiver Ausblick für die Zeit um den Jahreswechsel von 2020 auf 2021 mit einer Zunahme von Geburten gerechnet wurde, zeigen hingegen Beobachtungen aus China, dass dort die Scheidungsrate in der Zeit nach dem Lockdown angestiegen ist.

Das führt zur Annahme, dass die Gefahr besteht, dass Social Distancing zur neuen Normalität werden könnte und soziales Rückzugsverhalten weiterhin gelebt wird.  Die Maske stellt dabei auch ein Symbol für den Wunsch nach Kontakteinschränkung dar, auch wenn vordergründig Ge- meinschaftssinn und die Solidarität als positive Werte beim gemeinsamen abendlichen Absingen von Hymnen wiederentdeckt worden waren. Festzuhalten ist, dass Sozialkontakte – unter Einhaltung der Abstandsregeln – unverzichtbar sind.


Rehabilitation fördert Stabilisierung

Zur Zeit des Lockdowns wurden im Vergleich zu den vorangegangenen Monaten auch deutlich mehr Patienten per Telefon und über webbasierte Videokonferenzen psychiatrisch, psychologisch und psychotherapeutisch behandelt. Eine weitere Erhöhung von Behandlungsoptionen über Tele- fon oder Internet wird auch künftig nötig sein, um die zunehmenden psychischen Belastungen ausreichend behandeln zu können. Dies könnte auch eine Chance für Patienten mit körperlichen Beschwerden sein, oder jene, die weite Strecken zum Behandlungsort zurücklegen müssen.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die zukünftige Realität anders als vor Corona sein wird und viele Änderungen und Herausforderungen über längere Zeit hin bestehen bleiben werden sowie dass die daraus resultierenden psychischen Auswirkungen künftig verstärkt und gezielt behandelt werden müssen. Daher wird es wichtig sein, bei Erkennen der Symptome fachärztliche und therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen sowie schon frühzeitig einen stationären psychiatrischen Rehabilitationsaufenthalt zur Stabilisierung zu beantragen.