DFP-FORTBILDUNG & KLINIK | Genforschung

Durchbruch zum Editieren

des menschlichen Genoms?

Anders als noch vor zwei Jahren assoziieren heute nicht mehr viele Menschen mit dem Begriff „CRISPR“ so etwas wie einem Müslirie- gel. Innerhalb von kürzester Zeit hat CRISPR die Biologie transfor- miert und ganz neue Wege zur Behandlung von Krankheiten eröff- net.

Hinter der Abkürzung verbirgt sich „clustered regularly interspaced short palindrom- ic repeats“, bestimmte Abschnitte sich wiederholender DNA-Stücke im Erbgut von Bakte- rien und ein mächtiges Tool für das Editieren von Genen. Die Entdeckung von CRISPR geht auf die Erforschung von Phagen in den 1980er-Jahren zurück. Einmal mit ihnen infiziert, ist es den Bakterien möglich, Teile der viralen Fremd-DNA in ihre eigene DNA zu integrieren, und zwar in Form wiederkehrender kurzer Palindrome, die von anderen Sequenzen unterbrochen wurden. Der eingegliederte DNA-Teil dient den Bakterien zu- r Wiedererkennung: Sobald es Viren mit dieser DNA erneut angreifen, identifizierten die Bakterienzellen diese DNA und können so Strategien zum Schutz entwickeln. Zu die-

sem Zweck gesellt sich zur CRISPR-DNA ein weiteres Enzym, ein so genanntes „Cas“-Protein („CRISPR-associated“). Mit die- sem lässt sich die erkannte Gensequenz aufschneiden und damit der Virus unschädlich machen. Von solchen Cas-Proteinen gib- t es unterschiedlich effiziente, wenn es darum geht, den Genstrang aufzutrennen. Als besonders nützlich hat sich eine Version e- rwiesen, die als „Cas9“ bezeichnet wird- .

Um das Jahr 2012 herum erkannten die Geningenieure, dass sich der zusammengesetzte CRISPR/Cas9-Komplex auch jenseits der Bakterienwelt sehr gut zum Zwecke der Manipulation von Genen – dem „Editieren“ – eignet. Man stattet ihn mit einer Se- quenz aus, die genau komplementär zu der gewünschten DNA-Zielsequenz ist, woraufhin der Enzymkomplex die gewünschte Zielsequenz in der DNA findet und genau dort aufschneidet. Damit lässt sich an dieser Stelle eine beliebige gewünschte Gens- equenz einbauen oder eine andere ersatzlos entfernen- .


CasX eröffnet neue Möglichkeiten

Die internationalen Schlagzeilen bestimmte die neue Methode erst im November 2018, als die Geburt der ersten mit CRISPR genmanipulierten Babys in China gemeldet wurde. Die Möglichkeiten dieser neuen Gentechnologie scheinen aber bei Weitem nicht ausgereizt zu sein: im Februar 2019 erschien im renommierten Wissenschaftsmagazin Nature ein Artikel, der einen neuen Enzymkomplex vorstellt, der sehr ähnlich wie Cas9 funktioniert, aber etwa 40 % kleiner ist. Geringere Größe ist ein gewaltiger Vorteil, wenn man versucht, einen entsprechenden Gen-Editor in eine Zelle zu bringen. Und CasX, wie der neue Komplex getauft wurde, könnte sich gerade für den Einsatz beim Menschen als besonders mächtig herausstellen, da das menschliche Immunsy- stem es leichter akzeptieren sollte. So befürchten Ärzte, dass Cas9 bei Patienten, die mit CRISPR- Therapien behandelt werden, eine Immunreaktion auslösen kann. Bei CasX sollten derartige Problem nicht auftreten, da die Bakterien, bei denen es entdeckt wurde, im menschlichen Körper nicht vorkommen- .

Die Geningenieure sind längst auf den Zug aufgesprungen. „Wir wollen nicht nur die nächste molekulare Schere entdecken. Wir wollen das nächste Schweizer Taschenmesser bauen“, sagt Jennifer Doudna, eine der Entdeckerinnen von Cas9 und Pionierin der CRISPR-Technologie, die auch maßgeblich an der Entdeckung von CasX beteiligt war und Co-Autorin der Nature- Studie ist. CasX könnte ein entscheidender Schritt hin zum sicheren Editieren des menschlichen Genoms sein. Ein kleiner, kaum beachteter Schritt in der Forschung könnte sich als gewaltiger Schritt für die Menschheit erweisen, und zwar in eine sehr unheimliche Rich- tung.


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