MEDIZIN | Onkologie

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Cancer-Update: Lungenkrebs

Nach Angaben der Weltgesundheitsorgani- sation WHO steht Lungenkrebs weiterhin

an erster Stelle der Krebstodesursachen- statistik. In Österreich gibt es rund 6.000 Neuerkrankungen pro Jahr, wobei die Zahl an erkrankten Frauen steigt.

Einblicke in Diagnose und Therapie gibt Univ.-Prof. Dr. Daniela Gompelmann von der Universitätsklinik für Innere Medizin II, Klinische Abteilung für Pulmologie an der MedUni Wien.


?In der zweiten Auflage des „Österreichischen Krebsreports 2023“ werden große Fortschritte in der Krebsversorgung festgestellt. Gilt das auch für Lun- genkarzinome?

Gompelmann: Leider stellt das Lungenkarzinom immer noch die häufigste Krebsto- desursache dar. Mithilfe von Immuntherapie und Präzisionsmedizin konnten wir je-

doch das Leben vieler Betroffener, obwohl sie bereits Fernmetastasen haben, verlängern. Bei der Immuntherapie werden Substanzen eingesetzt, die es ermöglichen, dass das eigene Immunsystem die Krebszellen wieder erkennen und bekämpfen kann. Zielgerichtete Therapien sind hinge- gen möglich, wenn Mutationen in den Tumorzellen nachgewiesen werden können, die Angriffspunkte für eine Therapie darstellen.


?Knapp 4.000 Patienten sterben jährlich mit der Diagnose Lungenkrebs. Inwieweit ist Früherkennung möglich?

Es gibt eine Reihe von Studien, die zeigen, dass ein Screening auch beim Lungenkarzinom Sinn macht. Ein jährlich durchgeführtes CT bei allen Rauchern und Ex-Rauchern über dem 50. Lebensjahr würde die Mortalität um 20% reduzieren. Leider gestaltet sich jedoch die Umsetzung eines solchen Lungenkarzinom-Screening recht schwierig. In Österreich arbeitet eine Task Force aus unterschiedlichen Disziplinen daran, die Möglich- keiten für ein derartiges Programm zu evaluieren. Dazu werden ausreichende CT-Kapazitäten sowie ausreichend Radiologen und Pulmologen benötigt.

Künftig werden uns CT-Softwaretools bei der Diagnose und Früherkennung unterstützen – aber auch diese müssen erst in Studien geprüft werden. Weiters müssen wir uns die Frage stellen, wie wir mit den zahlreichen Rundherden, die sich im Weiteren häufig als gutartig erweisen, umgehen. Hier werden vor allem die Pulmologen vor eine Herausforderung gestellt, die auf eine minimal-invasive Weise versuchen, diese Rundherde biop- tisch zu sichern. Bronchoskopische Navigationstechniken oder der Einsatz eines Cone-beam-CTs sind dabei unumgänglich – und auch diese sto- ßen an ihre Grenzen.


?Warum steigt die Zahl der erkrankten Frauen an?

Zum einen ist das dadurch zu erklären, dass auch Frauen häufiger rauchen. Allerdings kann der steigende Nikotinkonsum bei Frauen jedoch nur teilweise die zunehmende Inzidenz des Lungenkarzinoms bei Frauen erklären. Wir sehen auch immer jüngere Frauen, die nicht rauchen und den- noch betroffen sind. Die genauen Ursachen sind noch nicht bekannt.


?Welche Möglichkeiten der Vorsorge gibt es?

Auf Nikotinkonsum zu verzichten. Je früher man zu rauchen beginnt, je mehr und je länger man raucht, desto größer ist das Risiko. Daneben sind Passivrauchen oder Luftverschmutzung weitere Risikofaktoren.


?Karzinome in der Lunge werden oft erst spät entdeckt. Wie ist der Weg des Patienten durch das System?

Lungenkarzinome verursachen erst in einem sehr späten Stadium Symptome. Oftmals stellen sich Patienten aufgrund von persistierendem Husten oder Symptomen, die einem respiratorischen Infekt ähneln, sich jedoch durch eine antibiotische Therapie nicht bessern, beim Hausarzt vor. Der nächste Schritt ist dann die bildgebende Diagnostik, in der die pulmonalen Raumforderungen dann sichtbar werden. Sehr häufig verspüren jedoch die Patienten erst Symptome, die durch Fernmetastasen entstehen, wie beispielsweise Knochenschmerzen bei ossären Metastasten. Nach Detekti- on dieser Fernmetastasen wird dann die Tumorsuche eingeleitet.


?Die Präzisionsmedizin spielt beim modernen Therapiemanagement des Lungenkarzinoms eine immer wichtigere Rolle. Was können neue Diagnosemöglichkeiten wie Next Generation Sequencing (NGS)?

Wir können mittlerweile sehr viel Information aus dem Tumorgewebe durch Genomanalysen gewinnen. Bei ca. 50 % der Adenokarzinome und bei ca. 5-10 % der Plattenepithelkarzinome können sogenannte Treibermutationen gefunden werden. Bei einigen dieser Treibermutation gibt es bereits zielgerichtete Medikamente.


?Ersetzt präzise moderne Radioonkologie bereits teilweise die Chirurgie?

Ich sehe beide Disziplinen nicht als Konkurrenz zueinander. Viele Lungenkrebspatienten haben Komorbiditäten wie beispielsweise eine COPD, die eine chirurgische Resektion nicht erlauben. Diese Patienten werden dann mittels Radiotherapie behandelt, die so präzise durchgeführt werden kann, dass das umliegende Gewebe höchstmöglich geschont wird und das Risiko für Nebenwirkungen gering ist.


rh

Univ.-Prof. Dr. Daniela Gompelmann, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Klinische Abteilung für Pulmologie, MedUni Wien

Cancer Update CCC Vienna


Mit der neuen Fortbildungsreihe Cancer Update lädt das Comprehensive Cancer Center Vienna

von MedUni Wien und AKH Wien zum intensiven Austausch mit Ärzten in Praxen und Kliniken.

Auf dem Programm stehen neueste Erkenntnisse in Forschung und Therapie von Krebserkrankungen

sowie aktuelle klinische Studien. Jeweils 3 DFP, Beginn jeweils 17:00 Uhr, hybrid, Programmdetails

und Anmeldung unter www.ccc.ac.at/lehre/ccc-cancer-update/

Nächster Termin: Gynäkologische Krebserkrankungen (3 DFP), 16. März 2023, 17:00–19:15 Uhr