MEDIZIN Allergien

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Heuschnupfen oder doch Erkältung?

Bei Temperaturen über 7 °C sind oft schon vor Weihnach- ten die ersten Haselpollen in der Luft und lösen mitten in der Erkältungszeit die ersten Heuschnupfensymptome bei unseren allergischen Patienten aus. Eine Abgrenzung nicht nur zu jahreszeitentypischen Erkältungskrankhei- ten, sondern auch zu anderen Inhalationsallergien kann mitunter schwierig sein.

Die allergische Rhinitis ist eine chronische bzw. chronisch-rezidivierende Erkrankung, an der aktuell etwa jeder Vierte leidet und von der in Zukunft wahrscheinlich fast jeder Zweite betroffen sein wird. Sie tritt etwa ab dem Alter von vier Jahren in jedem Alter und in allen Bevölkerungsschichten ungeachtet des sozialen Status auf. Die Th2-medi- ierte Typ1-allergische Erkrankung ist primär gekennzeichnet durch die Bildung aller- genspezifischer IgE-Antikörper, die diagnostisch in vivo bzw. in vitro erfasst werden und die spezifische Sensibilisierung anzeigen, ohne allerdings einen Rückschluss auf das morphologische Korrelat bzw. die Schwere der Erkrankung zu erlauben. Man un-

terscheidet eine Frühphasen- von einer Spätphasenreaktion. Die Frühphasenreaktion ist durch die Wirkung präformierter humoraler Mediatoren wie Histamin, Leukotrien C4, Bradykinin oder TNFα gekennzeichnet, die beim allergischen Patienten die typischen Symptome nasaler Juckreiz, Nies- reiz und wässrige Rhinorrhoe verursachen. Diese Reaktion tritt üblicherweise innerhalb weniger Minuten nach Allergenexposition ein. Im Zuge die- ser frühen Reaktion ausgeschüttete Chemokine locken die Effektorzellen der Spätphasenreaktion an den Ort des Geschehens; eosinophile und ba- sophile Granulozyten sowie Monozyten und Lymphozyten fixieren einerseits die aus dem Schleimhautödem resultierende nasale Obstruktion und führen andererseits durch Ausschüttung weiterer Zytokine zu einer Persistenz der zellulären Entzündungsreaktion und Chronifizierung des Prozesses.


Was löst Heuschnupfen aus?

Grundsätzlich kann der Körper auf jede Art Fremdeiweiß eine immunologische Abwehrreaktion setzen – es gibt aber ganz typische Auslöser von Heuschnupfen. Dafür kommen Inhalationsallergene infrage, die nicht nur von Pollen stammen können, sondern auch von anderem organischen Material wie zum Beispiel Tierepithelien, Schimmelpilzen oder Hausstaubmilben. Natürlich gibt es die sogenannten „Top 5“ – das sind in unseren Breiten Gräserpollen, Birkenpollen, Hausstaubmilben, Katzenhaare und Beifußpollen. Diese sind die Heuschnupfenverursacher, die besonders häufig Probleme machen und an die man dann natürlich als Erstes denkt. Das Problem dabei ist, dass die allergische Rhinitis oft nicht nur durch eine einzelne Allergenquelle verursacht wird, sondern die Betroffenen im Laufe ihres Lebens Allergien auf mehrere verschiedene Auslöser entwickeln.

Auslöser saisonaler Allergien sind vor allem Pollen von Luftbestäubten Pflanzen, die also nicht durch Insekten bestäubt werden können. Diese Pol- len sind so klein, dass sie problemlos mit dem Luftstrom fortgetragen werden können und leicht eingeatmet werden. Das Allergieprofil der Betroffe- nen wird durch ihre Lebensumgebung beeinflusst. Das bedeutet, dass sich Kinder auf die Pollen der Pflanzen sensibilisieren, die in der Umge- bung vorkommen, in der sie aufwachsen. Vom Polleninformationsdienst, den es bei uns bereits seit über 30 Jahren gibt, werden die Pollen aus der Luft gesammelt, identifiziert und gezählt. Pollenflugzeiten und -konzentrationen können jederzeit aus der Tagespresse oder online (www.pollen- warndienst.at) abgerufen werden. Somit verfügen wir immer über die Information, welche allergierelevanten Pollen gerade in der Luft fliegen. Man muss damit rechnen, dass bei Tagestemperaturen über 7 °C im Vorfrühling bereits die ersten Haselnusspollen in der Luft sind- und das kann durchaus schon zu Weihnachten der Fall sein. Nach Ostern im April ist in etwa der Zeitpunkt, zu dem Birkenbäume zu blühen anfangen, die in un- seren Breiten wichtige Auslöser von Heuschnupfen und allergischem Asthma sind. Ist deren Blütezeit vorbei, werden sie Anfang Mai von den Grä- serpollen abgelöst, die uns zumindest bis Ende Juni begleiten. Ihnen folgen die Unkräuterpollen von Beifuß und beifußblättriger Ambrosie bis in den September hinein, in südlicheren Ländern mit höheren Temperaturen sind die Blühzeiten üblicherweise früher.

Alle inhalativen Allergenquellen finden sich zu unterschiedlichen Jahreszeiten in maximalen Konzentrationen in der Atemluft (siehe Abbildung 1- Allergenkalender).

Dann herauszufinden, was jetzt tatsächlich der Grund für den Heuschnupfen ist, ist nicht immer ganz einfach und erfordert öfters detektivisches Gespür. Dem trotzdem gebührende Aufmerksamkeit zu schenken ist deshalb so wichtig, weil der Heuschnupfen als chronische Krankheit nicht von selbst verschwindet und tendenziell schlechter wird, wenn man ihn nicht gezielt behandelt.


Wie äußert sich eine allergische Rhinitis?

Eine allergische Rhinitis fällt am leichtesten auf, wenn sie sich wie ein typischer Heuschnupfen präsentiert: Patienten, die „nur“ während der Vege- tationszeit unter einer allergischen Rhin(okonjunktiv)itis leiden, haben vor allem mit der akuten Symptomatik Juckreiz, Niesreiz und wässriger Se- kretion, die ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum infektiösen Schnupfen mit trübem bis eitrigem Nasensekret darstellt, und einer transienten Nasenatmungsbehinderung zu kämpfen. Oft sind die Augen mitbetroffen, und es kommt zusätzlich noch zu juckenden, tränenden Augen bis hin zu einer Lidschwellung. Unter Allergenkarenz verschwinden die Beschwerden relativ schnell von selbst wieder. Bei Polyallergien auf verschiedene saisonale Allergieauslöser aus dem Pollenbereich kann allerdings ein Heuschnupfen vom Frühling bis zum Herbst chronisch- rezidivierend verlau- fen. Kommt dann noch eine Allergie auf Auslöser in Innenräumen dazu, leidet man schnell unter einem Dauerschnupfen, den man nicht mehr so leicht als allergisch identifizieren kann. Die Schwierigkeit liegt dann darin herauszufinden, worunter der Betroffene wirklich leidet. Eine dauerhaft verstopfte Nase, die sehr oft einhergeht mit einem eingeschränkten Riechvermögen, gestörtem Schlaf und Schnarchen sowie Tagesmüdigkeit und gegebenenfalls Kopfschmerzen, kann durch Vieles verursacht werden, und an eine Allergie denkt man dabei oft als Letztes. Da diese Beschwer- den aber von den Betroffenen, egal wie alt sie sind, als sehr belastend wahrgenommen werden und ihren Alltag, ihre Leistungsfähigkeit in Arbeit und Schule und ihr Sozialleben oft stark einschränken, wäre es wichtig, die Ursache zu identifizieren und adäquat zu behandeln.

Patienten mit chronischer Rhinopathie, die durch Inhalationsallergien verursacht wird, sprechen auf eine Behandlung mit der First line- Therapie Anthistaminika übrigens nicht mehr an, da die chronische Entzündungsreaktion nicht mehr durch präformierte humorale Entzündungsmediatoren wie Histamin, sondern durch einen zellulären Entzündungsmechanismus vermittelt und aufrechterhalten wird. Hier ist eine initiale Behandlung mit einem Kortison-Nasenspray (mit oder ohne Antihistaminikum) das Mittel der Wahl zur Linderung der Symptome. Es dauert einige Tage, bis eine Besserung der Nasenatmungsbehinderung eintritt, dafür ist die Behandlung bei konsequenter Anwendung sehr gut wirksam und verträglich.