MEDIZIN | Medikationsfehler
Medikamente
im Alter:
häufige Anwendungs- fehler
FotoS: adobe stock/ Przemek Klos
Je älter Menschen werden, desto mehr Me- dikamente müssen sie in der Regel ein- nehmen – möglichst vorschriftsgemäß nach Verordnung und Packungsbeilage.
Das funktioniert leider nicht immer so gut, wie es sollte: Tabletten werden mit dem Obstmesser in ungleiche Hälften zerteilt und Tropfen ohne Lese- brille auf den Löffel gezählt. Solche Anwendungsfehler betreffen auch Patienten, die geistig fit sind, ohne fremde Hilfe im eigenen Haushalt leben und selbstständig ihren Hausarzt aufsuchen. „Wenn Medikamente nicht korrekt eingenommen werden, können die Therapieziele oft nicht erreicht werden“, erklärt Dr. Janine Gronewold, Wissenschafterin am UDE-Lehrstuhl für vaskuläre Neurologie. Meist fällt es den Betroffenen nicht auf, wenn sie ihre Medikamente falsch einnehmen. Zwischen ihrer Selbsteinschätzung und ihren tatsächlichen Fähigkeiten klafft häufig eine große Lücke, die auch die behandelnden Ärzte nur selten bemerken.
Videoanalyse bewertet Fehler
In der ABLYMED-Studie („Ability to self-administer medication in non-demented in-hospital patients“) untersuchen Wissenschafter der Medizini- schen Fakultäten der Universität Duisburg-Essen (UDE) und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), wie es um diese Medikamenten- Selbstmanagement-Fähigkeiten bestellt ist und ob man diese unabhängig und objektiv durch medizinisches Personal bewerten lassen kann. 67 über 70-Jährige, die regelmäßig mehr als fünf Medikamente einnehmen, nahmen während eines stationären Aufenthalts am Universitätsklinikum Düsseldorf an dieser Studie teil. Sie sind dabei gefilmt worden, wie sie verschiedene Medikamente anwenden. Dabei kam ein neuartiges Bewer- tungsschema zum Einsatz.
„Zur Beurteilung haben sich bis zu 19 Personen die Videoaufzeichnungen angesehen und die Selbstmedikationsfähigkeiten der Senioren einge- schätzt“, erklärt Anneke Lügering, Doktorandin am Institut für Allgemeinmedizin an der HHU und Erstautorin der kürzlich veröffentlichten Studie. Tatsächlich konnten Medizinstudierende aus den klinischen Semestern das Bewertungsschema bereits nach einer kurzen Schulung sicher anwen- den und die Selbstmedikationsfähigkeiten damit objektiv und zuverlässig einschätzen.
Häufiger aufklären
Die Ergebnisse der Forschenden sollen zum einen Ärzte ermutigen, mit ihren älteren Patienten häufiger über die richtige Anwendung von verord- neten Medikamenten zu sprechen und ihnen mögliche Fehlerquellen aufzuzeigen. Auch bei der Verschreibung sollte das Thema berücksichtigt werden. „Im Idealfall könnte beispielsweise ein niedriger dosiertes Präparat verordnet werden, das dann nicht umständlich am heimischen Kü- chentisch halbiert werden muss“, so Gronewold. Zum anderen wünschen sich die Forschenden, dass mit ihrem neuen Bewertungsschema die Ent- wicklung von Patientenschulungen unterstützt wird. „Wer ein Gespür für potenzielle Fehlerquellen bekommt, kann sie leichter vermeiden“, erklärt Lügering.
Derzeit wertet das Forschungsteam der ABLYMED-Studie auch eine Befragung aus, in der die Patienten über ihre selbst wahrgenommenen Proble- me in der Medikamentenanwendung berichten. Außerdem wird analysiert, inwieweit die subjektive Einschätzung mit den tatsächlichen Fähigkeiten im Video übereinstimmt und welche Faktoren die Medikamenten-Selbstmanagement-Fähigkeiten beeinflussen.
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QUELLE:
Developing a novel tool to assess the ability to self-administer medication – A systematic evaluation of patients’ video recordings in the ABLY- MED study (frontiersin.org) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35641903