Covid-update | Reportage
Komplexe Langzeitverläufe
Patienten mit Long-Covid und Fatigue-Problema- tik stellen in der Rehabilitation eine besondere Herausforderung dar.
Dr. Christoph Puelacher, Lungenfacharzt und Ärztlicher Leiter der Reha Innsbruck, und Mag. Lisa-Marie Neier, Bakk.Biol., Klinische und Gesund- heitspsychologin, Leiterin Reha- und Therapiemanagement der Reha Innsbruck, geben Einblick in die Erfahrungen und Erfolge der Post-Covid- Reha.
?Welche Patienten kommen vorrangig zu Ihnen in die Post-Covid-Reha?
Puelacher: Nachdem die Awareness für Post-Covid-Rehabilitation im Gesundheitswesen nach wie vor niedrig ist, kommen überwiegend junge Be- troffene mit hohem Leidensdruck. Angst und Sorge um Gesundheit und der Druck durch berufliche Belastung sind evident.
?Gibt es ein einheitliches Beschwerdebild oder ist das je nach Krankheitsverlauf sehr unterschiedlich?
Puelacher: Der eigentliche Virusbefall der Schleimhäute und des Körpers hängt von zahlreichen Faktoren ab und die Immunantwort des Körpers kann von kaum bis sehr heftig ausfallen. Dementsprechend sind völlig un- terschiedliche Beschwerdebilder zu finden. Der Befall der oberen Atemwege kann mit und ohne neurologi- sche Symptome wie Geruch, Geschmack, Kopfschmerz, Gedächtnisleistung einhergehen, die Immunantwort auf den Befall von Bronchialsystem und Lungengewebe kann von quälendem Husten, Druck auf der Brust, aber insbesondere langdauernder Atemnot bis zu schweren Gewebeveränderungen mit Diffusionsstörung und Gewebezerstörung reichen. Je nach zusätzlichem Organbefall – Herz, Gastrointestinaltrakt oder Niere – sowie des Stoffwechsels treten weitere Einschränkungen auf.
Neier: Nicht nur bei schweren Verläufen können psychische Faktoren bis hin zur Traumatisierung festgestellt werden. Eine zusätzliche Herausforderung stellen jene Phänomene dar, die bereits bei früheren Epidemien auffällig waren. Mehr und mehr kommen jene Betroffenen zur Rehabilitation, die an sehr komplexen Langzeit- verläufen leiden und unter dem Begriff Long-Covid und Fatigue zusammengefasst werden. Ihnen muss unse- re besondere Aufmerksamkeit gelten.
?Wann ist der beste Zeitpunkt für den Reha-Antritt nach überstandener Infektion?
Puelacher: Gemäß dem Phasenmodell der Rehabilitation beginnt die Phase-I-Rehabilitation bereits mit der stationären Aufnahme. Die Datenlage zeigt eindrücklich den enormen Benefit von rehabilitativen Bedside-
Maßnahmen. Je nach Schweregrad der Erkrankung sollte ein Anschlussheilverfahren durchgeführt wer- den. Die ambulante oder stationäre Phase-II-Rehabilitation soll, nachdem sie individuell angepasst wird, umgehend beginnen. Besteht noch weiteres Rehabilitationspotenzial, wird üblicherweise auch eine ambu- lante Phase-III-Rehabilitation durch den Chefärztlichen Dienst genehmigt.
?Was genau können die Betroffenen von einer Post-Covid-Reha erwarten?
Neier: Patienten, die sich für unser ambulantes Herz- und Lungenrehabilitationszentrum entscheiden, er- halten nicht nur ein individuelles und an den aktuellen Leistungsstand angepasstes Trainingsprogramm, vielmehr werden in der Zusammenarbeit mit dem betreuenden Arzt und den Therapeuten gemeinsame und im Alltag bedeutsame Ziele für die Zeit in der Reha und auch für die Zeit nach der Reha festgelegt. Unser interdisziplinäres Team bestehend aus Ärzten, Psychologen, Diätologen, medizinischen Trainings- therapeuten und Physiotherapeuten arbeitet in der
Phase II über einen Zeitraum von sechs Wochen an drei bis vier Tagen pro Woche oder im Anschluss bei länger notwendigen Rehabilitationsmaßnahmen (Phase III) über mehrere Monate an zwei Tagen pro Wo- che gemeinsam mit den Patienten an der Erreichung dieser Ziele.
?Welche Rolle spielt die psychologische Betreuung?
Neier: Die psychologische Betreuung spielt in der Rehabilitation eine erhebliche Rolle, da der Körper und die Psyche in einem Wechselspiel zueinanderstehen. Die Psyche entscheidet somit über den Erfolg oder Misserfolg rehabilitativer Maßnahmen mit. Eine körperliche Erkrankung wie Covid führt häufig zu psychi- schen Belastungen oder verstärkt eine bereits vorbestehende psychische Problematik. Im Allgemeinen
haben unsere Stimmung und Motivation einen großen Einfluss auf das, was wir in der Lage sind körperlich zu leisten und dementsprechend ist es umso wichtiger, den eigenen Empfindungen, zum Beispiel Erschöpfung, Angst oder Ärger, ausreichend Beachtung zu schenken. Häufig muss erst einmal gelernt werden, diese Empfindungen adäquat wahrzunehmen und im nächsten Schritt selbst zu regulieren. Da die meisten Menschen Stress oder Ängste als etwas betrachten, das nicht in den eigenen Kontrollbereich fällt, geht es auch um die Vermittlung von Handlungsmöglich- keiten und -kompetenzen. Beispielsweise ist der Umgang mit eigenen Ängsten, die einen (auch im Training) hemmen, besonders bei Patienten, die unter Belastungsdyspnoe leiden, ein wichtiger Bereich, der nicht ausgeklammert werden darf. Strategien zur Steigerung und Aufrechterhal- tung der eigenen Motivation sind vor allem für den weiteren Verlauf nach der Reha unabdingbar und haben Einfluss darauf, ob die eigene Ge- sundheit langfristig erhalten werden kann.
rh