MEDIZIN I Schmerz

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„Leiden vermeiden“

Mit dem 2. Internationalen Schmerzsymposium in Kitzbü- hel wollen Experten unterschiedlicher Fachrichtungen die Neugier für nicht alltägliche Themen wecken.

„Ein Kongress dient dazu, über das Gewöhnliche und Bekannte hinaus neue Erkenntnisse zu vermitteln und die Neugier zu wecken“, sagt Prof.

Dr. Wilfried Ilias. Gemeinsam mit dem Radiologen Univ.-Prof. Dr. Walter Hruby ist der Fach- arzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin wissenschaftlicher Leiter des 2. Internationa- len Schmerzsymposiums „Leiden vermeiden“.


Fachübergreifende Diskussionen

Illias, der sich selbst als „Wanderprediger der Schmerzmedizin“ bezeichnet, sieht es als Pflicht und Notwendigkeit, die Interdisziplinarität zu pflegen und das Schmerzthema fach- übergreifend zu diskutieren. „Bei einem Kongress gilt es, nicht das zu besprechen, was ohnehin in Leitlinien und wissenschaftlicher Literatur gut abgebildet ist. Mir geht es darum, außergewöhnliche Fälle zu besprechen, Erfahrungen zum Off-label-Use auszutauschen oder auch gegenseitige Unterstützung zu bieten, wenn es um den Mut zur Meldung von Nebenwirkungen geht“, so der wissenschaftliche Leiter des Schmerzsymposiums.

Er ortet einen kräftigen Aufholbedarf in der modernen Schmerztherapie, weil immer mehr neue Medikamente kommen. „Das liegt daran, dass Arzneimittel für eine Indikation getestet werden, aber erst im Lauf der Zeit stellt sich heraus, dass mehrere Organe mit dem Wirk-

stoff erreicht werden können“, sagt Ilias. Der Einsatz eines Medikaments ist durch die Zulassungsbehörde immer auf bestimmte Indikationen oder Patientengruppen beschränkt. Wird ein Medikament außerhalb dieser Zulassung eingesetzt, so spricht man vom Off-label-Use. Diese Anwendung ist in Österreich nicht generell verboten, sondern nach § 8 Abs. 2 AMG zum Beispiel dann er- laubt, wenn der therapeutische Erfolg mit einer zugelassenen Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht erreicht werden kann. In der Phase IV, der systematischen und fortlaufenden Überwachung von Erfahrungswerten bei der Anwendung von Arzneimitteln nach erfolgter Zulassung, werden unerwünschte Arzneimittelwirkungen und andere Risiken erfasst. Gleichzeitig stellt sich dann in dieser Phase heraus, dass es noch viele andere Einsatzmöglichkeiten gibt. „So sind zum Beispiel Medikamente mit dem Wirkstoff Memantin, die bei an Alzheimer-Demenz erkrankten Menschen eingesetzt werden, auch bei neu- ropathischen Schmerzen gut wirksam. Riluzol ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Benzothiazole zur Behandlung der amyotrophi- schen Lateralsklerose (ALS), einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems. In der Schmerzmedizin finden wir Anwendungen bei Knochenschmerzen“, fasst der Experte nur einige Beispiele zusammen.


Tabuthemen ansprechen

Viele dieser Themen tauchen in der Literatur nur anekdotisch auf, daher will Ilias zwischen den Erkenntnissen der Vorklinik und den Medikamenten, die auf dem Markt sind, eine Brücke schlagen. Die umfassende Themenpalette deckt Tabuthemen wie zum Beispiel Sexualität im Alter und die Folgen für die Lebensqualität (Referentin: Dr. Iris Pleyer, Gynäkologin) oder den paroxysmalen Rektalschmerz (Referent: Univ.-Prof. Dr. Harald Rosen, Europäischer FA f. Allgemeinchirurgie und Koloproktologie) ab. Klassische Themen wie der nicht kardiale Thoraxschmerz (Referentin: Dr. Eva Brownstone, Internistin) oder die Auswirkung von Bewegung und Golfsport auf das Herz-Kreislauf-System (Referent: Dr. Robert Berent, Internist) stehen ebenso auf dem Programm. „Fast alle Erkrankungen, die wir behandeln, sind von Schmerzsymptomen begleitet. Das heißt, in jedem Fach sollte man sich mit der Proble- matik intensiv auseinandersetzen“, so Ilias.