Fotos: istockphoto/ jacob lund, Hermann
DFP-FORTBILDUNG & KLINIK | Personalmanagement
Welche Mitarbeiter
wirklich gebraucht werden
Die beschleunigte Arbeitswelt, permanente Veränderungen, ste- tig wachsende Anforderungen sowie unsichere Zukunftsaus- sichten stellen Spitäler vor allem vor eine Frage: Wen brauchen wir wirklich, um trotz all dieser Herausforderungen in Zukunft er- folgreich zu sein?
Noch immer wünschen sich Arbeitgeber dafür lieber die Besten der Besten als die Richtigen. „Viele fokussieren sich nach wie vor auf Noten, Wissen und Fähigkeiten und hoffen, dass vermeintliche Top-Performer ihre Unternehmenswelt retten. Doch dabei übersehen sie perspektivisch einen wesentlich wichtigeren Erfolgsindikator. Denn dieses Human-Kapital wird in einer beschleu- nigten Arbeitswelt und digital verfügbarem Wissen zunehmend überflüssig, stattdessen wird das psychologische Kapital eines Menschen gerade im Hinblick auf die zukünftige Arbeitswelt mehr denn je an Bedeutung gewinnen“, ist Brigitte Herrmann, Bera- terin und Expertin in Sachen Profil- und Potenzialanalyse überzeugt.
Wie gut steht es um Ihr PsyCap?
Das vom amerikanischen Management-Professor Fred Luthans maßgeblich geprägte PsyCap-Konzept ist Teil des Ansatzes Po- sitive Organizational Behavior, das die Stärken und Potenziale von Menschen im Arbeitsumfeld untersucht. PsyCap ist ein Indi- kator für die Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit eines Menschen. Es beschreibt „Wer wir sind“ und „Was wir sein kön- nen“. „Menschen mit einem hohen PsyCap sind intrinsisch motiviert, streben nach Weiterentwicklung und Wachstum und kom- men auch mit herausfordernden Situationen deutlich besser zurecht als andere. Das sind wohl genau diese Menschen, die die Arbeitswelt zukünftig mehr denn je braucht“, meint Hermann.
Das PsyCap wird mit einem Fragebogen (PCQ) ermittelt. Es umfasst vier Ressourcen, die sich gemäß dem Grundsatz „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ im Zusammenwirken gegenseitig positiv verstärken: Selbstwirksamkeit, Hoffnung, Optimismus und Resilienz.
Ein Mensch mit hoher Selbstwirksamkeit ist überzeugt, alles meistern zu können und dem gewachsen zu sein. Er nimmt deshalb gern neue Herausforderungen an und steckt begeistert viel Energie und Ausdauer in das Erreichen seiner Ziele. Nach dem Mot- to „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ fokussieren sich diese Menschen klar auf das Erreichen ihrer Ziele, scheuen dabei kein Hindernis und entwickeln sich dadurch zu kreativen Lösungsfindern. Menschen mit einem realistischen Optimismus zeichnet eine positive Grundhaltung und Zukunftserwartung sowie ein konstruktiver Umgang mit Fehlern und die Offenheit für Veränderungen aus. Zeigt ein Mensch eine hohe Resilienz ist er das sprichwörtliche „Stehaufmännchen“. Dank seiner Widerstandskraft kommt er besser als andere mit Belastungen, Rückschlägen und Stresssituationen zurecht.
„Das Fundament des PsyCap bilden die Forschungen der Positiven Psychologie. Deren Fokus liegt auf den Stärken der Men- schen, ohne dabei jedoch mögliche Schwächen zu ignorieren“, erklärt die Expertin den Hintergrund. In puncto PsyCap belegen zahlreiche Forschungsarbeiten, dass Unternehmen von einem hohen psychologischen Kapital ihrer Beschäftigten profitieren. So belegt eine Meta-Analyse von Avey, Reichard, Luthans und Mhatre (2011), die auf 51 unabhängigen Studien basiert, an denen mehr als 12.500 Personen beteiligt waren, den klar erkennbaren Zusammenhang von PsyCap mit Arbeitszufriedenheit, Loyalität, freiwilligem Engagement und anhaltend
hoher Arbeitsleistung der Beschäftigten.
Die Arbeitswelt braucht mehr
Ein weiteres interessantes Ergebnis dieser Meta-Analyse war, dass Menschen mit einem hohen PsyCap deutlich weniger zyni- sche oder destruktive Denk- und Handlungsmuster zeigen. Das PsyCap-Konzept umfasst somit einerseits genau die positiven psychologischen Eigenschaften für Bestleistung und Zufriedenheit und ist zum anderen eine wichtige Basis für Potenzialentfaltung.
Gerade im Recruiting, ob intern oder extern, wird der Blick auf die Stärken wie auch auf das psycho- logische Kapital eines Bewerbers mit Blick auf zukünftige Herausforderungen im Job zu einem ele- mentaren Entscheidungskriterium. „Das bedeutet nicht, dass ein Unternehmen nur noch High-Psy- Cap-Menschen beschäftigen darf. Die Ausnahme sind Führungskräfte. Diese sollten idealerweise ein hohes PsyCap besitzen, weil sie damit aufgrund ihrer Vorbildrolle auch das PsyCap ihrer Mitarbeiter positiv beeinflussen“, sagt Hermann. Ansonsten gilt: Gerade bei Bewerbern mit niedrigem PsyCap ist eine Einordnung wertvoll, weil damit mögliche Risiken in puncto Leistungsschwächen, Unzufrieden- heit, Stressanfälligkeit frühzeitig erkannt und eliminiert werden können. Denn Selbstwirksamkeit, Hoff- nung, Optimismus und Resilienz lassen sich vergleichsweise einfach mit gezielten Interventionen trai- nieren und damit spürbar erhöhen.
Für die individuelle Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist das psychologische Kapi- tal ein elementarer Indikator. Ermöglichen Arbeitgeber zudem eine stärkenfokussierte Entwicklung, sind Mitarbeiter und Führungskräfte engagierter, produktiver, glücklicher und zufriedener und setzen ihr wertvolles Potenzial gern im Sinne des Unternehmenserfolgs ein.rh