KARDIOLOGIE | Gefäßgesundheit

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Management des Aortenaneurysmas

Das thorakale Aortenaneurysma ist ein häufiges Krankheitsbild und wird meist zufällig im Rahmen einer bildgebenden Routineuntersuchung entdeckt.

AUTOREN:

Prim. Priv.-Doz.

Dr. Afshin Assadian

Facharzt für Gefäß- chirurgie, Fellow of the European Board of Vascular Surgery (FEBVS), Endovasku- lärer Spezialist (DGG)


Dr. Gilbert Beran

Facharzt für Innere Medizin

und Kardiologie,

Zentrum für Gefäßmedizin

Tuchlauben 17,

www.gefaess- medizin.at

Ab einem Diameter der Aorta ascendens von 3,5 cm spricht man von einer Aortenektasie, ab 4,5 cm von einem Aortenaneurysma. Je nach Lokalisation und Ursache tendiert das Aortenaneurysma zur progressiven Expansion. Ob- wohl die meisten thorakalen Aneurysmen asymptomatisch verlaufen, sollten symptomatische Patienten oder solche mit Komplikationen (akute Aorteninsuf- fizienz, Dissektion, Ruptur) rasch operiert werden. Da über den empfohlenen Zeitpunkt der Operation oft Unklarheit herrscht, möchten wir im Folgenden die wichtigsten Operationsindikationen aufzählen:


•Alle symptomatischen thorakalen Aortenaneurysmen: Das thorakale Aor- tenaneurysma kann eine Vielfalt an Symptomen verursachen, die potenziell lebensbedrohlich sind. Das häufigste Symptom ist Brustschmerz in unter- schiedlicher Ausprägung, der auf eine rasche Aortenexpansion, Dissektion oder Ruptur hinweisen kann. Das rupturierte Aneurysma hat eine hohe Morta- lität. Lediglich etwa 50 % der Patienten mit Aortenruptur erleben den Transfer an eine Notfallaufnahme.

•Asymptomatische thorakale Aortenaneurysmen: Generell ist die operati- ve Sanierung des asymptomatischen thorakalen Aortenaneurysmas erst dann zu empfehlen, wenn das Rupturrisiko oder assoziierte Komplikationen das

operative Risiko übersteigen. In folgenden Situationen ist die operative Sanierung jedoch indiziert.

–End-diastolischer Durchmesser >5,5 cm oder ein Aortenindex ≥2,75 cm/m2 (Aortendiameter in cm/ BodySurface- Area in m2). Der Aortendiameter gilt als wichtigster Risikofaktor für eine Aortenruptur. Es wird angenommen, dass die thorakale Aorta ab einen Diameter von 6 cm ihre Elastizität verliert und nur noch als steifes Rohr pathophysiolo- gisch funktioniert. Ein systolischer Blutdruck >200 mmHg kann in einer solch vorgeschädigten Aorta bereits den maximalen Wandstress übersteigen und zu einer Ruptur führen. Trotz dieses offensichtlichen Zusammenhangs zwischen Diametergröße und Ruptur möchten wir auf einen Review mit 591 Patienten mit Typ A Dissektion hinwei- sen, der einen mittleren Diameter von 5,3 cm bei den rupturierten Aorten zeigte, wobei knapp 60 % der Patienten einen Diameter <5,5 cm und 40 % der Patienten sogar einen Diameter <5 cm aufwiesen.

–Bei Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos und Turner Syndrom Aortenwurzeldiameter ≥5 cm, bei positiver Familienana- mnese einer Aortendissektion OP bereits bei einem Diameter ≥4,5 cm.

–Bikuspide Aortenklappe: Diameter >5,5 cm, aber bei begleitender Aortenklappen-OP bereits ab einem Diameter >4,5 cm.

–Expansionsrate ≥ 10 mm/Jahr (bei genetischer Ursache ≥ 5 mm/Jahr): Bei der jährlichen Expansionsrate ist zu be- rücksichtigen, dass bereits stark erweiterte thorakale Aorten eher zu schnelleren Expansionen neigen als gering erweiterte.


Sollte keine der aufgezählten OP-Indikationen vorliegen, ist das thorakale Aortenaneurysma konservativ zu mana- gen. Das Management des Aortenaneurysmas zielt auf Reduktion des Wandstresses und Begrenzung der weiteren Aortenexpansion ab. Folgende Maßnahmen sind dabei im niedergelassenen Bereich zu berücksichtigen:

•Aggressive Blutdrucksenkung

Der systolische Zielwert sollte, so von Patientenseite toleriert, zwischen 105 und 120 mmHg liegen. Als First-line- Therapie gelten Beta-Blocker. Diese reduzieren den aortalen Wandstress, die linksventrikuläre Kontraktilität und den Aufpralldruck des Blutes an die aortale Wand. Bei Unverträglichkeit gelten als mögliche Alternativen Angioten- sinrezeptorblocker bzw. ACE-Hemmer.

•Kardiovaskuläre Risikoreduktion

Lebensstilmodifikationen, insbesondere Raucherentwöhnung, spielen eine wichtige Rolle für das generelle Outco- me beziehungsweise das postoperative Outcome nach Aortenruptur. Die Rolle der Statine in der Therapie des Aor- tenaneurysmas ist umstritten, jedoch haben die meisten Patienten eine weitere Indikation zur Statintherapie und es sollten die empfohlenen Ziele zur LDL-Reduktion eingehalten werden.

•Screening über assoziierte Aneurysmen

Das thorakale Aortenaneurysma ist assoziiert mit aneurysmatischen Veränderungen anderer Gefäße im Körper. Daher sollten Patienten mit thorakalen Aortenaneurysmen in jedem Fall auf abdominelle Aortenaneurysmen, intra- kraniale Aneurysmen und Aneurysmen der unteren Extremitäten gescreent werden. Abdominelle Aortenaneurys- men finden sich in etwa 20 %, intrakraniale Aneurysmen in etwa 9 % aller Patienten mit thorakalen Aortenaneurysmen.

•Genetische Risikokonstellationen identifizieren

Neben den bekannten genetisch bedingten Bindegewebserkrankungen wie dem Marfan-Syndrom spielt auch in morphologisch prinzipiell unauffälligen thorakalen Aortenaneurysmen eine genetische Komponente eine tragende Rolle. Studien zeigen, dass bis zu 20 % aller thorakalen Aortenaneurysmen genetisch übertragen werden. Beson- ders wichtig ist dabei das Alter der Erstdiagnose. Auf Basis dieser genetischen Faktoren sollten auch erstgradige Verwandte von Aneurysmapatienten einem Screening unterzogen werden.


Regelmäßige Nachkontrollen

Aneurysmenkontrollen implementieren regelmäßige klinische Evaluierung sowie die serielle Bildgebung zur Evalu- ierung des Aortendiameters und der Struktur des Aneurysmas. Als bildgebende Maßnahmen kommen Echokardio- graphie, Magnetresonanz sowie CT-Angiographie in Frage. In jedem Fall sollte eine Methode, wenn möglich, im selben Zentrum beibehalten werden, um optimale Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen. Die erste Nachuntersu- chung nach Diagnosesicherung sollte in jedem Fall nach sechs Monaten erfolgen, danach kann je nach Expansi- onsrate auf jährliche Intervalle umgestellt werden. Bei Annäherung an die Grenzen zur OP-Indikation sollte auf kür- zere Intervalle von drei bis sechs Monaten umgestellt werden. Für die exakte OP-Planung wird meist eine CT-An- giographie herangezogen.


Invasive Behandlungsoptionen

Die Behandlungsstrategien der Veränderungen der thorakalen Aorta sind sehr abhängig von Lokalisation, Art der Erkrankung (Dissektion/Aneurysma/intramurales Hämatom/penetrierendes atherosklerotisches Ulcus) sowie Alter und Allgemeinzustand des Patienten. Wichtig ist eine multidisziplinäre Betrachtung und Behandlung des Patienten und seiner Aorta, um eine individualisierte, möglichst komplikationsarme und nachhaltige Lösung zu erzielen.

Die aufsteigende Aorta (Aorta ascendens) ist primär eine Domäne der offenen Herzchirurgie. Neben der geplanten und akuten Behandlung der Erweiterung der Aorta oder Ruptur bei Dissektion ist die Rekonstruktion der Aorten- klappe sowie der Herzkranzgefäße möglich, was den Eingriff zwar zunehmend komplex macht, die Möglichkeiten der Behandlung von schwierigen Fällen aber erst ermöglicht. Die Eingriffe werden an der Herz-Lungenmaschine unter Herzstillstand und Kühlung vorgenommen. Primär endovaskuläre Eingriffe sind derzeit noch die Ausnahme und betreffen vor allem anatomisch sehr einladende Dissektionen im chronifizierten Stadium. Zunehmend etabliert sich die endovaskuläre Behandlung bei Nahtundichtigkeiten oder Erweiterungen des Aortenbogens, die Jahre nach der Operation auftreten können.

Nach dem leicht gekrümmten Anteil der aufsteigenden Aorta folgt ein gekrümmter Anteil, aus dem regelhaft drei große Gefäße abgehen, die die Arme und das Gehirn versorgen – der Aortenbogen. Aufgrund der anatomischen Lage, Krümmung, der abgehenden Äste und der in diesem Bereich durch den Kreislauf wirkenden Kräfte sind so- wohl klassische endovaskuläre als auch die offene Operation sehr herausfordernd. Hier ist die interdisziplinäre Zu- sammenarbeit zum Wohle der Patienten zunehmend gefragt, da besonders in diesem anatomischen Segment eine rasante Entwicklung sowohl der offen chirurgischen als auch endovaskulären Methoden sowie kombinierter Verfah- ren (Hybrideingriffe) stattfindet und somit die individualisierte Behandlung immer mehr in den Vordergrund rückt.

Die absteigende Brustschlagader (Aorta descendens) ist beim Gesunden gerade, infolge von Erweiterungen nimmt sie sehr häufig einen gewundenen Verlauf. Abgehende segmentale Äste versorgen das Rückenmark mit Blut. Die Aorta descendens erstreckt sich von der linken Schlüsselbeinarterie bis über den Truncus coeliacus, den Arterien- stamm, der Leber, Milz und teilweise den Magen versorgt. Isolierte, kurzstreckige Ausweitungen können mit einer geringen Komplikationsmöglichkeit mittels Stentprothese versorgt werden. So behandelte Patienten müssen jedoch jährlich zur CT-Kontrolle, da sich auch gesunde Segmente erweitern können und der Stent abrutschen oder undicht werden kann. Wenn das Problem frühzeitig erkannt wird, ist die Behandlung meist wieder mittels Stentprothese möglich. Der Stent ist bei traumatischen Verletzungen der Brustschlagader (Transsektion) und Dissektionen der Operation klar zu vorzuziehen. In der offenen Chirurgie muss das kranke Segment ersetzt werden, indem der Brus- traum geöffnet und das kranke Aortensegment ersetzt wird. Dazu muss der Blutfluss mit einer Pumpe zur Versor- gung der Organe erfolgen. Der Eingriff ist wesentlich beanspruchender für den Organismus als der Stent, jährliche Kontrollen fallen jedoch aus. Trotzdem empfehlen sich CT-Kontrollen nach zehn Jahren, da auch hier gesunde Segmente erkranken und sich erweitern können.

Bei Erkrankungen, die die Grenzen der Aorta descendens klar überschreiten, sind in der offenen Chirurgie Zwei- höhleneingriffe mit relevanten Komplikationsmöglichkeiten eine Therapieoption. Endovaskulär können solche Er- krankungen mittels gebranchter Prothesen – kleine Seitenärmchen in der Hauptprothese, die mit Organarterien ver- bunden werden und somit die Durchblutung der Gefäße ermöglichen – und gefensterter Prothesen – maßgefertigte Löcher an den Stellen, wo die Eingeweidearterien abgehen, die mit der Stentprothese verbunden werden – behan- delt werden. Die Invasivität der Eingriffe und somit die Belastung des Eingriffes ist für Patienten deutlich geringer. Es müssen jedoch ebenfalls jährliche CT-Kontrollen zur Vermeidung von Undichtigkeiten durchgeführt werden.

Beratungs- und Screeningtage bei Gefäßerkrankungen


Seit 2011 gehören die Gefäßgesundheitstage, organisiert durch das Gefäßforum Österreich, fix zu den Gesundheits- vorsorgeterminen im Herbst: Auch dieses Jahr werden zwi- schen dem 8. und 12. Oktober 2018 Beratungs- und Scree- ning-Tage an mehreren Gefäßambulanzen in Wien, dem Burgenland, Niederösterreich, der Steiermark und Oberös- terreich angeboten. Neben umfassender Aufklärung zur Ent- stehung, Therapie und Prävention von Gefäßerkrankungen, speziell aber zum Thema Bauchaortenaneurysma, führen die Gefäßspezialisten eine einfache, schmerzlose Bauchul- traschalluntersuchung durch, mittels der ein Bauchaortena- neurysma erkannt werden kann. Kostenlose Aneurysma-In- formationsbroschüren sind in allen mitwirkenden Ambulan- zen erhältlich und können unter Tel. 0676/417 3888 (Di, Mi 10–14 Uhr) oder per E-Mail an office@gefaessforum.at be- stellt werden. Zudem steht die Broschüre auf www.gefaessforum.at zum Download zur Verfügung.

Alle Informationen zu den teilnehmenden Ambulanzen, Akti- onstagen, Uhrzeiten und Anmeldungen unter www.gefaessforum.at.