FORTBILDUNG & KLINIK I Patientengespräch
Gute Kommunikation reduziert Zeitdruck
Gelungene, wertschätzende Kommunikation ist immer eine Herausforderung. Gerade in Gesundheitsberufen ist das Gespräch ein zentraler Baustein im Behandlungsprozess.
Verständigungsprobleme, der Umgang mit starken Emotionen von Patienten oder Angehörigen, Konflikte oder das Überbringen schlechter Nach- richten – im beruflichen Alltag stehen Gesundheitsberufe oft vor besonderen Herausforderungen, wenn es um den zwischenmenschlichen Aus- tausch geht. Gute kommunikative Fertigkeiten können helfen, diese herausfordernden Situationen besser zu bewältigen. In der Realität sieht es meist anders aus: Zehn Sekunden dauert es durchschnittlich, bis Ärzte ihre Patienten im Gespräch erstmals unterbrechen und etwa ein Viertel aller heimischen Patienten verstehen häufig nicht, was ihr Arzt erklärt. Auf dieser Basis gesundheitskompetent zu entscheiden ist praktisch nicht möglich.
Es könnte aber auch einfacher gehen, denn patientenzentrierte Gesprächsführung erleichtert nachweislich nicht nur den Arbeitsalltag von Ärzten, sondern verbessert auch den Behandlungserfolg. Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten sich an die Behandlungsempfeh- lungen halten, steigt, der Bedarf an Opiaten im post-operativen Bereich sogar um die Hälfte verringert wird und sich auch die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus signifikant reduziert.
Dr. David Fuchs, Priv.-Doz. Dr. Holger Rumpold und Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann sind Mediziner und zertifizierte Kommunikationstrainer. Sie unterstützen als Teil eines Trainer-Netzwerks, das auf eine Initiative der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) zurückgeht, Kollegen am Ordensklinikum Linz, aber auch in anderen Häusern, ihre Gesprächsqualität zu verbessern. Angeboten werden Workshops und Trai- nings für Gesundheitsberufe in unterschiedlichen Settings, von der Onkologie bis zur Rehabilitation, und geben Einblick in die Eckpunkte und Vor- teile der Weiterbildung.
?Warum ist es gerade für Ärzte wichtig, eine gelungene Gesprächsführung zu trainieren?
Weltermann: Gespräche sind ein wichtiges Werkzeug, um Informationen einzuholen, die wir für die Diagnose und Therapie benötigen. Ärzte führen im Schnitt ihres Berufslebens rund 400.000 Gespräche, da lohnt es sich schon, aus jedem einzelnen das Beste zu machen. Es müssen gar nicht immer negative Botschaften sein, die hier vermittelt wer- den. Oft geht es einfach um einen Informationsaustausch, den man gut und effizient gestalten kann.
?Was unterscheidet eine gelungene Gesprächsführung von einem klassischen Anamnesegespräch?
Rumpold: Wir haben in unserer Ausbildung weder das eine noch das andere gelernt. Heute wird im Studium schon mehr darauf Wert gelegt. Den- noch muss man klar sagen, dass es einen Unterschied macht, ob ich als Student lerne, wie ein Anamnesegespräch oder später selbstverantwort- lich in der beruflichen Tätigkeit mit Patienten Gespräche führe. Es ändern sich auch die Themen und Inhalte der Gespräche. Zudem hat jedes Fach andere Herausforderungen in der Kommunikation, denkt man zum Beispiel an die Psychiatrie oder Neurologie im Vergleich zur Notfallmedizin oder zur Onkologie. Anamnesegespräche folgen einer bestimmten Struktur, während eine gelungene Gesprächsführung bedeutet, bewusst be- stimmte Kommunikationstools einzusetzen und bestimmte Ziele besser und rascher zu erreichen.
?Worauf achten Sie als Kommunikationstrainer in Ihren Patientengesprächen besonders?
Weltermann: Als besonders intensiv erlebe ich immer wieder das Warten und Pausen einhalten, vor allem, wenn ich schlechte Nachrichten überbringen musste. Übung er- fordert auch, dass man sich versichert, ob Patienten auch verstanden haben, was ich vermitteln wollte. Dazu gehört das Nachfragen und das Zusammenfassen lassen.
?Ärzte stehen meist unter hohem Zeitdruck. Ist das ein Widerspruch zu guter Kommunikation?
Rumpold: Ein langes Gespräch muss nicht unbedingt auch ein gutes sein. Es ist Teil guter Kommunikation, Grenzbedingungen wahrzunehmen und das auch bewusst anzusprechen. Wir können mit guter Kommunikation keine strukturellen Probleme im Gesundheitswesen lösen, aber mit be- stimmten Techniken lässt sich auch in kurzer Zeit viel herausholen, der Austausch wird effizienter.
Fuchs: Für mich war sehr beeindruckend, welche Kompetenzen bei den Kollegen schon da sind und welche Tipps wir aus den verschiedenen Be- rufsgruppen erhalten haben, die alle unterschiedliche Anforderungen bewältigen müssen. Häufig ist es eine der größten Herausforderungen, mit starken Emotionen umzugehen oder in ein Gespräch einzusteigen. Wir trainieren auch, die Zeitökonomie konkret anzusprechen.
?Wie würde das konkret aussehen?
Fuchs: Es ist wichtig, dem Gespräch einen Rahmen zu geben, also klar zu sagen, wie viel Zeit zur Verfügung steht, was der Anlass des Gesprächs ist, welche Themen mir wichtig sind und welche dem Patienten.
?Wo sehen Sie große Herausforderungen im Alltag?
Weltermann: Auf zwei Ebenen zu kommunizieren: einerseits auf die medizinische Sicht- weise der Erkrankung und andererseits auf den Patienten, seine Emotionen und seine Perspektive. Gerade die patientenzentrierte Sichtweise ist gar nicht so banal, wie man
meinen möchte.
?Können Sie den Ablauf eines Trainings kurz skizzieren?
Rumpold: Wir haben Profischauspieler, die eine Ausbildung als Schauspielpatienten haben und wir bringen Fälle aus dem klinischen Alltag mit, die auf unterschiedlichen Ebenen der Selbsterfahrung behandelt werden. Dann werden Fertigkeiten erlernt und geübt, die in unterschiedlichen Set- tings hilfreich sein können. Hilfreich ist auch, dass man eine Situation mit unterschiedlichen Werkzeugen immer wieder durchspielen kann und so erfährt, wie sich das Ergebnis verbessert. Der Kurs dauert drei mal vier Stunden als innerbetriebliche Fortbildung.
?Wie würden Sie einem Kollegen das Training in einem Satz schmackhaft machen?
Weltermann: Es ist ein wissenschaftlich fundiertes Konzept, das Fertigkeiten schult, die helfen, patientenzentrierter zu werden, ohne dass die Zeit ausufert.
Fuchs: Ich empfinde es als luxuriös, dass ich detailliertes Feedback aus der Patientenperspektive bekomme und auf spielerische Weise üben kann. Das ist im realen Alltag so alles nicht möglich.
Rumpold: Wir wissen sehr genau um die medizinischen Er- fordernisse Bescheid, aber wenig über die kommunikativen Aspekte im Rahmen der Patientenbetreuung. Das gehört aber genauso trainiert, weil es unmittelbar zusammenhängt.
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FotoS: zvg, Ordensklinikum
Nutzen patientenzentrierter Gesprächsführung
• entlastet die Arbeit der Gesundheits-berufe in herausfordernden Situationen
• hilft bei einer effizienteren Nutzung der Zeit
• steigert die Zufriedenheit von Patienten
• fördert die Adhärenz
• erhöht die diagnostische Genauigkeit
• verbessert die Behandlungsergebnisse
• steigert die Patientensicherheit
• reduziert die Kosten des Gesundheitssystems
• steigert die die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter
Quelle: Sator M, Nowak P, Menz F. Verbesserung der Gesprächsqualität in der Krankenversorgung, Gesundheit Österreich GmbH, 2015.
Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann,
Leitung Tumorzentrum, Ordensklini- kum Linz, Barmherzige Schwestern
Priv.-Doz. Dr. Holger Rumpold,
Leiter Viszeralonkologisches Zentrum, Ordensklinikum Linz,
Barmherzige Schwestern
OA Dr. David Fuchs,
Abteilungsleiter Palliative Care,
Ordensklinikum Linz,
Barmherzige Schwestern
Was umfasst „gute Gesprächsqualität“?
• eine Beziehung aufzubauen
• das Gespräch zu strukturieren
• den Patienten zuzuhören
• Verständnis für die Patientenperspektive zu zeigen
• die richtige Menge und Art von Informationen für den individuellen Patienten zu vermitteln
• genaues Erinnern und Verständnis von Informationen zu unterstützen
• ein gemeinsames Verständnis zu erreichen
• und mit den Patienten gemeinsam eine Entscheidung zu finden
Quelle: Silverman J, Kurtz S, Draper J. Skills for Communicating with Patients. 3 ed; London: Radcliffe Pu- blishing Ltd, 2013.