Fortbildung & Klinik I Verband der leitenden Krankenhausärzte Österreich 

Karriere in der Nuklearmedizin

Technische und diagnostische Entwicklungen in der Nuklearmedizin machen das

Sonderfach zu einem Schlüsselthema vor allem in der personalisierten Medizin. In Zukunft, aber auch schon heute punktet die Nuklearmedizin mit der gesamten Palette an Prävention, Diagnose, Therapie und Rehabilitation aller Organsysteme.

Der Nutzen nuklearmedizinischer Methoden ist unbestritten, denn sie sind nicht invasiv und liefern bei nur ge- ringer Strahlenbelastung detaillierte Informationen, die mit herkömmlichen radiologischen Methoden nicht oder kaum zugänglich sind. Die häufigsten in der klinischen Routine durchgeführten nuklearmedizinischen Untersu- chungen betreffen Organe wie Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Skelett, Herz, Nieren, Lunge, Gehirn und das Lymphsystem – und damit eine Reihe von Erkrankungen, die einen großen Teil der Bevölkerung betreffen. Pri- mar Univ.-Doz. Dr. Alexander Becherer leitet die nuklearmedizinische Abteilung im Landeskrankenhaus Feld- kirch und erzählt, was es braucht, um in diesem Fach voranzukommen.


?Herr Primar, wie sind Sie zur Nuklearmedizin gekommen? Durch Zufall oder war es von Anfang an Faszination?

Das war Zufall. Ich kam über die Innere Medizin zur Nuklearmedizin. Früher war Nuklearmedizin ein Zusatzfach entweder zur Inneren Medizin oder zur Radiologie. Mich fasziniert die Möglichkeit, mit radioaktiven Medikamen- ten Erkrankungen nicht nur zu diagnostizieren, sondern auch ihren Verlauf sehr empfindlich verfolgen zu können.


?Mit welchen anderen Fächern gibt es besonders viele Schnittmengen und wie funktioniert die Zusam- menarbeit?

Die Schnittmenge mit der Inneren Medizin ist am größten. Bei onkologischen Erkrankungen kommen die Chirur- gie und die Strahlentherapie hinzu. Die Zusammenarbeit mag regional von unterschiedlicher Qualität sein – ins- gesamt ist sie sehr gut. Ein wesentlicher Beitrag dazu sind interdisziplinäre Fallkonferenzen wie das Tumor- board oder kardiologische Besprechungen. Die Nuklearmedizin hat in den letzten Jahren in diesen Konferen- zen an Bedeutung zugenommen. Für die bildgebende Diagnostik ist naturgemäß der enge Kontakt mit der Ra- diologie wichtig.


?Nuklearmedizin und Radiologie liegen eng beisammen. Würde es nicht Sinn ergeben, eine doppelte Facharztausbildung zu machen oder die beiden Fächer zusammenzulegen?

Wenn auch in der Schnittbildgebung wechselseitige Kenntnisse wichtig und nötig sind, würde eine Zusammenlegung mit einem Filetieren der Nuklearmedizin einhergehen müssen. Das Fach ist so umfangreich und sogar in der Bildgebung von so differenter Charakteristik, dass eine Zusammenlegung keinen Sinn ergäbe. Die baulichen Voraussetzungen für den Strahlenschutz unterscheiden sich auch so gravierend von der Radiologie, dass rein von dieser Seite her ein getrennter Betrieb nötig ist.


?Gilt das für alle Bereiche?

Sinnvoll wäre eine Teilspezialisierung auf bestimmte Gebiete, wie das zum Beispiel in Deutschland möglich ist. Dort gibt es die sogenannte Fachkunde, mit der für Ärzte in der Nuklearmedizin die Eigenberechtigung für die CT-Befundung erworben werden kann. Das ist für die immer verbreitetere Bildgebung mit Hybridgeräten wie PET/CT und SPECT/CT ein guter Weg. In Österreich gab es vor gut zehn Jahren schon ziem- lich weit gediehene Verhandlungen, eine wechselweise Ausbildung in Hybridbildgebung zu etablieren, die letztlich aber leider gescheitert sind.


?Worauf kommt es bei einer Karriere in der Nuklearmedizin an? Was sind die Spezifika des Faches?

Nuklearmedizin setzt Kenntnisse in Physik und Chemie voraus, die über das Maß derer, die in der üblichen klinischen Medizin benötigt wer- den, hinausgehen sollten. Man braucht ein Interesse an den naturwissenschaftlichen Grundlagen. Des Weiteren sind breit gestreute Kenntnis- se in verschiedenen medizinischen Teilbereichen nötig. Wegen der begrenzten Anzahl an nuklearmedizinischem ärztlichem Personal ist eine besondere Spezialisierung in bestimmten Teilbereichen wie zum Beispiel im Schwesterfach Radiologie nicht möglich.


?Heißt das, dass ein besonders breites Wissen nötig ist?

Ja, in der Nuklearmedizin sind „Allrounder“ nötig. In der bildgebenden Diagnostik ist Wissen besonders in der Onkologie, Kardiologie und ZNS-Neurologie nötig. Hinzu kommen Erkrankungen der Schilddrüse und in vielen Zentren die Osteoporose, beide haben einen stark internisti- schen Hintergrund. Am Gebiet Schilddrüse bietet die Nuklearmedizin ein sehr umfassendes Angebot, das Diagnostik und Therapie mit Aus- nahme der Chirurgie umspannt. In jüngeren Jahren kommt über die Radiofrequenzablation von Schilddrüsenknoten, die zwischenzeitlich an einigen nuklearmedizinischen Standorten angeboten wird, noch eine minimal-invasive Behandlungsoption als Alternative zur klassischen Chir- urgie hinzu. Abgerundet wird das Spektrum durch die Therapie mit offenen radioaktiven Stoffen, die sich früher stark auf Schilddrüsenerkran- kungen beschränkte, zunehmend aber auf vor allem onkologische Behandlungen ausgedehnt wird. Hier ist besonders das Prostatakarzinom

zu erwähnen. Schließlich ist auch EDV-Affinität von Vorteil. Diese Viel- falt macht das Fach aber auch zu einer sehr abwechslungsreichen Tätigkeit.


?Welche Schritte oder Maßnah- men halten Sie für wichtig, um in der Nuklearmedizin Karriere zu machen?

Hier gilt dasselbe wie in anderen Fächern auch. Interesse am Fach, ständige Bereitschaft zur Weiterbil- dung, da die Entwicklungen immer rascher vonstattengehen, und vor allem die Bereitschaft, sich das Wis- sen auch selbst zu erarbeiten. Das gilt insbesondere für die naturwis-

senschaftlichen Grundlagen. Hier steht leicht zugängliches Wissen durch das Internet zu Verfügung. Diese Grundlagen haben teilweise natur- gesetzlichen Charakter und sind daher keinen Änderungen unterworfen. Wichtig ist außerdem, dass man keine Strahlenangst hat.


?Wie ist das Geschlechterverhältnis in der Nuklearmedizin?

In Österreich sind ca. 200 Ärztinnen und Ärzte nuklearmedizinisch tätig, der Frauenanteil liegt bei etwa 35 %. Das Fach ist attraktiv für Frauen, da nur an wenigen Einrichtungen mit Bettenstationen Nachtdienste zu absolvieren sind – in Österreich gibt es an sieben Standorten nuklear- medizinische Betten – und es sich deshalb gut mit der Familie vereinbaren lässt.


?Welche technischen Fortschritte machen die moderne Nuklearmedizin aus?

Durch die guten Ergebnisse der Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms ist zu erwarten, dass der Bedarf hier steigen wird. Zulas- sungsverfahren beginnen soeben. Die PET-Diagnostik nimmt ebenfalls zu. Die Methode hat eine besonders hohe Sensitivität. Die einstmalig zeitaufwendige Untersuchung braucht heute durch die Entwicklung am Gerätesektor kaum mehr als 15 Minuten, mit den jüngsten Generatio- nen von PET/CT sogar deutlich darunter. Diese Maschinen sind allerdings noch sehr teuer. Einige Untersuchungen der konventionellen Nukle- armedizin mit klassischen Gammakameras – die planare Szintigrafie und die tomografische SPECT – werden nun durch PET/CT-Scans ersetzt.


?Wo sehen Sie die Nuklearmedizin in den nächsten Jahren?

Sie leistet bereits jetzt einen wesentlichen Beitrag zur personalisierten Medizin, der durch die Entwicklung neuer spezifischer Radiopharmaka zunehmen wird. Naturgemäß ist deren Anwendung derzeit teilweise auf universitäre Standorte beschränkt.


?Welche Entwicklungen kündigen sich an? Was würden Sie sich diesbezüglich wün- schen?

Wichtig ist, dass die Behinderungen, denen die Nuklearmedizin im extramuralen Bereich ausge- setzt ist, endlich beseitigt werden. In Deutsch- land etwa gibt es sie breit in der Niederlassung. Wir setzen hier große Hoffnungen in die Umset- zung des Entwurfs des einheitlichen Leistungs- katalogs, der jüngst von der Österreichischen Ärztekammer vorgestellt wurde.


bw

Foto: zvg