GVA, KUR & PRÄVENTIVMEDIZIN | Natürliche Heilmittel 

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Kohlenstoffdioxid als natürliches Heilmittel

Kohlenstoffdioxid wird einerseits im Rahmen der inneren Atmung bei der oxidativen Ener- giegewinnung in den Mitochondrien ständig gebildet. Es kann andererseits als natürliches ortsgebundenes Heilvorkommen exogen über die Haut zugeführt werden.

AUTOR:

Hon. Prof. (FH). ao. Univ.-Prof. Dr W. Marktl

GAMED, Wiener Internationale Akademie für Ganzheitsmedizin,

marktl@gamed.or.at

www.gamed.or.at


Das endogen gebildete Kohlenstoffdioxid (CO2) spielt bei der Atemregulation und im Säure-Basen-Haushalt eine Rolle, CO2 als natürliches Heilvorkommen wird vorwiegend perkutan appliziert und übt in erster Linie Wirkungen im peri- pheren Kreislauf aus, beeinflusst die Lage der O2-Dissoziationskurve und führt zu einer Stimulation der Warm- bzw. zu einer Suppression der Kaltrezeptoren in der Haut. Da zwischen dem endogen gebildeten und exogen zugeführten CO2 chemisch kein Unterschied besteht, hängt die physiologische Wirkung

bzw. die gesundheitliche Bedeutung somit offensichtlich von der Art der Zufuhr ab. Festzuhalten ist dabei allerdings auch, dass CO2 im Gegen- satz zu den meisten natürlichen Heilvorkommen perkutan resorbiert wird, weswegen es in einem Kohlensäurebad auch zu einer zwar vorüberge- henden, aber messbaren Erhöhung des pCO2 im Blut kommt.

Nach den vorliegenden Angaben aus der Literatur liegt die CO2-Aufnahme während eines üblichen CO2-Wasserbades in der Größenordnung von 30 ml CO2 pro Minute pro m2 Körperoberfläche. Es kann damit gerechnet werden, dass aus einem CO2-Bad im Laufe der Badedauer rund 10 % der zur gleichen Zeit im Organismus gebildeten Menge aufgenommen wird. Dies führt zu einer vorübergehenden und mehr oder weniger lokali- sierten pH-Veränderung im Gewebe mit der möglichen Folge einer Verschiebung der Sauerstoffbindungskurve nach „rechts“, wodurch die Sauer- stoffabgabe an die Zellen verbessert wird.


Anerkennung von CO2 als natürliches ortsgebundenes Heilvorkommen

Natürliche ortsgebundene Heilvorkommen müssen gesetzlich anerkannt werden. In allen Bundesländern Österreichs mit Ausnahme von Vorarl- berg existieren gesetzliche Grundlagen, in denen die Anerkennung der Heilvorkommen geregelt ist. Für die Anerkennung eines „Badesäuerlings“ wird eine CO2-Konzentration von über 1.000 mg/kg gefordert. Diese gesetzliche Anforderung kann jedoch nicht mit der balneologischen Wirkung von CO2 in eine direkte Beziehung gebracht werden. Nach den vorhandenen Angaben lässt sich eine deutliche Wirkung auf die Haut ab ca. 500 bis 600 mg CO2/l Wasser erkennen, bis ca. 1.400 mg CO2/l Wasser gibt es eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung, darüber ist die Durchblu- tungszunahme geringer als die Dosiserhöhung, bleibt aber noch messbar.


Wirkungen auf den Kreislauf

Das deutlichste Kennzeichen der CO2-Wirkung ist die Hautrötung, die auf die Kontaktstellen begrenzt ist. Ihr zugrunde liegt eine starke Vasodilata- tion der Hautgefäße mit einer dementsprechenden Durchblutungssteigerung, die nach älteren Angaben, bis zum Sechsfachen des Ausgangswer- tes betragen kann. Dies hat auch eine Volumenverschiebung (bis zu 1,5 l Blut) in das Hautstromgebiet zur Folge, was dementsprechende Auswir- kungen auf den Gesamtkreislauf haben kann. Im Falle der Anwendung von CO2 in einem höher temperierten Medium ist mit Summationseffekten an den Hautgefäßen zu rechnen, was unter Umständen sogar zu Kollapszuständen führen kann. Früher wurde angenommen, dass die kutane Va- sodilatation durch die Freisetzung von Gewebshormonen bedingt sei, derzeit wird jedoch vermutet, dass es sich eher um eine direkte Wirkung von CO2 auf die glatte Gefäßmuskelzelle handelt, ohne dass jedoch klare Vorstellungen über einen möglichen Wirkungsmechanismus bestehen. Nach Untersuchungen von Schnizer kommt es im CO2-Bad auch zu einer Aktivierung der schon normalerweise vorhandenen Vasomotion, und zwar zu einer Zunahme der Amplituden ohne Änderung der Frequenz. Dieser Effekt tritt wenige Minuten nach Beginn des Bades auf.

Die Wirkungen von CO2-Bädern und -Badekuren sind komplizierter Natur. Dabei ist grundsätzlich festzuhalten, dass die Einzeleffekte gering aus- geprägt und flüchtig sind. In der Literatur werden unter anderem folgende Herz-Kreislauf-Effekte im Zusammenhang mit CO2-Bädern genannt: Senkung des systolischen und diastolischen Blutdruckes, Abnahme des Elastizitätskoeffizienten der Aorta, Abnahme des peripheren Gesamtwi- derstandes, Bradykardie, Verlängerung der Systolendauer (besonders der Austreibungsphase), Zunahme des Herzzeitvolumens und Abnahme der zentralen Pulswellengeschwindigkeit.

Wie zu erwarten, liegen zur Frage der Beeinflussung des Blutdruckes durch CO2-Badekuren die meisten Informationen vor, die allerdings kein ganz einheitliches Bild ergeben. So wird einerseits berichtet, dass Abnahmen des Blutdruckes in Ruhe und bei körperlicher Belastung eintreten, andererseits werden Angaben gefunden, wonach nur die Ruheblutdruckwerte, nicht hingegen die Belastungswerte eine Abnahme zeigen, und schließlich liegen auch Ergebnisse der Art vor, dass der Belastungsdruck nur bei dynamischen, nicht aber bei statischen Belastungsformen durch CO2-Bäder beeinflusst wird. Im Valsalva-Versuch kommt es im Laufe einer CO2-Badekur gegen Kurende zu einem signifikant geringeren Blut- druckanstieg, was auf einen möglichen Eingriff in die Kreislaufregulation hindeutet, der auch für die Blutdruckeffekte verantwortlich sein könnte. Diese Blutdruckeffekte im CO2-Bad dürften nämlich nicht die einfache Folge der peripheren Vasodilatation sein, da in diesem Fall eine reflektori- sche Erhöhung der Pulsfrequenz zu erwarten wäre. Im Kohlensäurebad treten jedoch nur geringe Veränderungen der Herzfrequenz auf, und zwar eher eine Bradykardie, was mit dem Absinken der Bluttemperatur oder mit einer im Laufe einer Kur sich entwickelnden Trophotropie in Zusammen- hang gebracht wird. Für die Blutdruckeffekte werden entweder Soll-Wert-Verstellungen der Regulationsmechanismen, eine Veränderung der Ka- techolaminausschüttung oder eine Verbesserung der Koordination der Regulationsvorgänge im Herz-Kreislauf-System als Ursache diskutiert.


Wirkungen auf exteroceptiv-sensible Rezeptoren

Schon lange bekannt sind die Wirkungen von CO2 auf die sensiblen Rezeptoren in der Haut, vor allem auf die Thermorezeptoren. Im CO2-Bad wird die Empfindlichkeit der Kälterezeptoren gesenkt und jene der Wärmerezeptoren erhöht. Dies hat zur Folge, dass schon relativ kühle CO2-Bä- der eine Wärmeempfindung auslösen und dass die Thermoindifferenzzone von CO2-Bädern mit 31 °C bis 34 °C deutlich unter jener von Leitungs- wasserbädern mit 34 °C bis 36 °C liegt. Deshalb kommt es auch in einem als thermoindifferent empfundenen CO2-Bad zu einer rascheren und deutlicheren Abkühlung des Organismus als in einem thermoindifferenten Leitungswasser. Weil die Empfindlichkeit der peripheren Thermorezepto- ren verändert ist, setzen gegenregulatorische Maßnahmen gegen die Abkühlung erst später ein, und zwar erst dann, wenn durch die niedrige Bluttemperatur die zentralen Thermorezeptoren im Hypothalamus gereizt werden. Als allgemeine Anzeichen einer veränderten Empfindlichkeit sensibler Rezeptoren im CO2-Bad wird auch eine Verminderung von Juck- und Schmerzempfindungen gewertet.

Für die Indikationserstellung von CO2-Anwendungen haben noch bestimmte Effekte Bedeutung, die vereinzelt beschrieben und nachfolgend kurz zusammengefasst werden. Bei Patienten mit arterieller Verschlusskrankheit kommt es im CO2-Bad zu ei- nem vorübergehenden Absinken der Vollblut- und Plasmavisko- sität sowie zu einem Anstieg der Erythrozytenflexibilität in jenen Fällen, bei denen vor dem Bad pathologische Werte vorherrschten.

Im Falle von CO2 ist eine Anwendung nicht nur in Form von CO2-Wasserbädern, sondern auch in Form von CO2-Gasbädern möglich. Wirkungsgrundlagen und Wirkungen sind naturgemäß für CO2-Wasser- und Wannenbäder gleichartig. CO2-Gasbä- dern wird allerdings immer dann der Vorzug zu geben sein, wenn Wasserbäder unzweckmäßig erscheinen oder zum Bei- spiel wegen des hydrostatischen Drucks unerwünscht sind.


Wirkung von CO2-Gas-und Wasserbädern

In den letzten Jahren sind einige Untersuchungen durchgeführt worden, aus denen hervorgeht, dass zwischen den Wirkungen von CO2-Gasbä- dern und CO2-Wasserbädern bestimmte quantitative Unterschiede bestehen. So wurde zum Beispiel bei Patienten mit ischämischen Herzerkran- kungen gefunden, dass es in CO2-Gasbädern zu einer geringeren Erhöhung des Schlagvolumens, zu stärkerer Vasodilatation, zu stärkerer Zunah- me der Muskeldurchblutung, höherer Steigerung des O2-Partialdrucks, zu ausgeprägterer Senkung der ADP- bzw. adrenalininduzierten Thrombo- zytenaggregation sowie zu einer signifikant deutlicheren Besserung der klinischen Stenokardiesymptomatik kommt als in CO2-Wasserbädern. Bei Ergometerbelastung konnte nach CO2-Gasbädern im Vergleich zu Luftbädern gleicher Dauer, Feuchte und Temperatur ein geringerer Blutdruck- anstieg nachgewiesen werden, während die Belastungs- und Erholungsherzfrequenzen nicht beeinflusst werden.

Heilanzeigen für CO2-Anwendungen

• Funktionelle arterielle Durchblutungsstörungen (M Raynaud, Raynaud-Syndrom)

• Chronisch venöse Insuffizienz (Stadium I und II nach Widmer)

• Chronisch venöse Insuffizienz (Stadium IIIa nach Widmer, Ulcus abgeheilt)

• Chronisch venöse Insuffizienz (Stadium IIIb nach Widmer, Ulcus floride)

• Mikrozirkulationsstörungen der Haut (Mikroangiopathien)

• Polyneuropathie

• Vegetative Regulationsstörungen

• Rheumatische Erkrankungen (chronisch, degenerativ)

• Algodystrophie (M. Sudeck) – complex regional pain syndrome (CRPS)

• Fibromyalgie

• Paniculopathia oedemato-fibrosclerotica circumscripta („Cellulite“)

• Regeneration nach sportlicher Belastung

Quelle: Ergebnissen von internationalen Konsenus-Konferenzen 1989, 1999/2000 und 2006)