PRAXIS | Ordinationsmanagement 

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SERIE: 360° Praxisoptimierung

Teil 3: Standards & Organisation – praktische Tipps und Denkanstöße zur Steuerung Ihrer Arztpraxis

Typische Verschwendung

• Warten, z. B. auf Informationen,

Personen, Material

• Suchen

• Fehler

• Transporte

• Überflüssige Bewegung

• Nacharbeit


vermeiden durch

• fließende Prozesse

• Eliminierung von Verschwendung

• ständige Verbesserung u. a. durch sinnvolle Digitalisierung

Machen Sie dem Praxis-Chaos den Garaus – es lohnt sich! Analysen zeigen, dass durch eine umfassende Optimierung der Organisation bis zu 25 % mehr Gewinn erzielt werden kann.

In unserem Beispiel gehen Ärzte bis zu 34-mal täglich an den Empfang, um Unterlagen zu ho- len oder zu bringen. Bei einer durchschnittli- chen Verweildauer von 90 Sekunden ergibt sich daraus nahezu eine Stunde pro Tag, die durch „Botengänge“ verloren geht, von der Zeit pro Woche oder im Monat ganz zu schweigen. Am Beispiel dieses sogenannten „Tresen-Touris-

mus“ zeigt sich, inwieweit allein der Faktor Zeit einen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit Ihrer Ordination hat. Zeit, die Sie qualitativ effizienter und ge- winnbringender nutzen könnten – für Ihre Patienten, für Ihre Medizin. Mit diesem Artikel möchten wir Ihnen Anregungen und Tipps an die Hand ge- ben, wie Sie Ihre Praxisorganisation organisatorisch und Ihre Ordination damit wirtschaftlich optimieren können.


Der LEAN-Gedanke

Lean Management bedeutet „Werte ohne Verschwendung schaffen“ und wurde bereits Mitte des 20. Jahrhunderts von dem japanischen Automobil- hersteller Toyota entwickelt. Ziel ist es, alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal aufeinander abzustimmen und überflüssi- ge Tätigkeiten zu vermeiden.

Als ein Paradebeispiel wird in diesem Zusammenhang immer wieder gerne die Beschaffung von Ordinations- und Verbrauchsmaterialien genom- men, denn jeder kennt die Situation, dass genau in dem Moment dringend benötigtes Material nicht aufzufinden ist – nicht selten begibt sich gleich das ganze Praxisteam auf die Suche – oder nicht alltäglich benötigte Materialien in (zu) großen Mengen vorhanden sind und noch dazu viel Platz blockieren. Es leiden die Übersicht und die Qualität, und es wird immens viel Zeit mit der Suche verschwendet.

Und genau hier greift der LEAN-Gedanke – ein ständiges Streben nach fließenden, verschwendungsarmen Prozessen und tägliches Lernen aller Mitarbeiter durch kontinuierliches Verbessern.


Fließende Prozesse etablieren

Wussten Sie, dass 95 % unseres Tuns unbewusst stattfindet und über Gewohnheiten gesteuert wird? Routine und Gewohnheiten erleichtern unser Leben und machen es schneller und effizienter. Diese Routine muss aber auch konsequent trainiert werden. Zusätzlich muss das gesamte Team die Arbeitsabläufe in ihrer Gesamtheit kennen und verstehen, um nachweislich Verbesserungen zu erzielen.

Identifizieren und untersuchen Sie daher in einem ersten Schritt gemeinsam mit Ihrem Team die Arbeits- und Prozessabläufe in Ihrer Ordination. Die Prozesse einer Arztpraxis lassen sich in Kernprozesse und unterstützende Prozesse aufteilen. Kernprozesse können Prozesse sein, die unmittelbar der Patientenversorgung dienen, also z. B. die Zeitspanne vom Erstkontakt bis zur Verabschiedung des Patienten am Behandlungsende.

Kernprozesse lassen sich durch unterstützende Prozesse ergänzen. Beispiele hierfür sind administrative Aufgaben wie das Bestellwesen, die Quar- talsabrechnung oder die Buchhaltung.

In der Praxis sehen wir immer wieder, dass es in vielen Prozessen „hakt“; sei es durch Wartezeiten der Patienten, das Warten auf Informationen oder die Suche nach Dokumenten oder Materialien.

Die Lösung ist, fließende Prozesse entstehen zu lassen und diese nach Möglichkeit zu standardisieren, denn Standards schaffen Sicherheit, Zuver- lässigkeit und verbessern die Qualität. Durch standardisierte Abläufe reduziert sich die Fehlerquote und neue Mitarbeiter werden schneller einge-

schult. Zusätzlich bieten Standards die Möglichkeit, Optimierungspotenziale schnell zu er- kennen und umzusetzen, und entlasten die Mitarbeitenden. Alles in allem also eine Win-win- Situation für alle Beteiligten – Ihre Patienten, Ihre Mitarbeiter, Sie und Ihre Ordination.


Verschwendung eliminieren und ständige Verbesserung ermöglichen

Untersuchen Sie hierzu in einem zweiten Schritt gemeinsam mit Ihrem Team die zuvor iden- tifizierten Arbeits- und Prozessabläufe in Ihrer Ordination in ihrer Tiefe. Hierbei geht es um die Wertschöpfung. Wo gibt es Unterbrechungen und wo gerät der Arbeitsfluss ins Stocken und warum? Gründe hierfür können auszulösende Bestellungen, die Suche nach Dokumen- ten oder Materialien, das Anfordern von Befunden oder das Warten auf das Freiwerden ei- nes Behandlungszimmers sein.

Das Ziel sind „schlanke“, reibungslose Arbeitsabläufe und um das zu erreichen, empfehlen wir Ihnen, Ihr Team aufzuteilen, Aufgaben zu delegieren und Erreichtes zu evaluieren. Da- bei kann Sie und Ihr Team die sogenannte „5-S-Methode“ unterstützen:

1. Sortieren: Trennung von allem Unnötigen (alte Zeitschriften, ungenutzte Verpackungen etc.)

2. Systematisieren: Zuordnung eines festen Platzes von Materialien und Dokumenten

3. Säubern: Reinigung (freigewordener) Flächen und Equipment-Kontrolle (Funktionsfähig- keit, Wartung etc.)

4. Standardisieren: Definieren gemeinsamer Standards von Arbeitsabläufen bzw. -prozes- sen z. B. durch Checklisten

5. Ständiges Verbessern: Ansetzen regelmäßiger Besprechungen und Evaluierung des Status quo


Sinnvolle Digitalisierung als eine Möglichkeit der Praxisoptimierung

Ideen können noch so gut sein, wenn sie nicht von allen getragen werden, sind sie wertlos. Des- halb sollten Sie auch im Digitalisierungsprozess von Beginn an alle Mitarbeiter einbeziehen, denn wir sehen es regelmäßig, dass neue und wirklich sinnvolle digitale Lösungen „Top down“ einge- führt werden, was bedeutet, dass die Mitarbeiter weder in den Entscheidungs- noch in den Um- setzungsprozess eingebunden werden. Oft führt dies dazu, dass neue Lösungen im Alltag wenig bis gar nicht verwendet werden.

Wir empfehlen Ihnen: Nutzen Sie das Potenzial und die zahlreichen Vorteile digitaler Tools! So kön- nen Sie sich von zeitaufwendigen manuellen Tätigkeiten verabschieden, erleichtern gleichzeitig Ihren Mitarbeitern den Arbeitsalltag und erhalten so wertvolle Zeit für Ihre Patienten.


Praxisbeispiele sinnvoller Digitalisierung

• Digitales Ordinationshandbuch

Ziel: Ordinationsabläufe und -regelungen übersichtlich ordnen und diese nach innen (Vertretungs-

regelungen, Mitarbeiterwechsel) und au- ßen (gesetzliche Evaluierung, Zertifizie- rung) dokumentieren; mittels (verpflichten- der) Vorlagen für die Ordinationsorganisati- on, Aktualisierungsservice und Möglichkeit der individuellen Adaptierung

• Digitale Zeiterfassung

Ziel: einfacher, ortsunabhängiger Erhalt rechtskonformer, stets aktueller Daten in Echtzeit, dazu Nachweis über die Einhal- tung der gesetzlichen Vorschriften (Ar- beitszeit-aufzeichnungen) sowie Erhalt von Daten für eine exakte Entgeltabrechnung; durch Online-Zeiterfassung, Dienst- und Urlaubsplanung sowie automatischer Checks von Arbeitszeitüberprüfungen

• Digitale Anamnese & Aufklärung

Ziel: Mithilfe von Software administrative

Daten und Krankheitsgeschichte des Patienten, Beschwerden etc., auch formelle Prozes- se wie Einwilligungserklärungen als eigentlich Teil der Konsultation in die Vorbereitung verlagern; durch digitale Anamnesesysteme zu Hause am PC, Smartphone oder Tablet in der Ordination.


In der nächsten Ausgabe lesen Sie:

Teil 4: Wirtschaftlichkeit

Abb. 1: Prozessflussanalyse im Team