REHABILITATION | Neurologie
stellen neue Anforderungen an die neurologische Rehabilitation.
Der Bedarf an Rehabilitationseinrichtungen für Patienten nach neurologischen Erkrankungen in Wien ist in den letzten Jahren vor allem aus zwei Gründen gestiegen: Durch viele Neuent- wicklungen im Bereich der Diagnostik und der medikamentösen Therapie hat die Akutneuro- logie in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Daraus resultiert eine größere Gruppe von Patienten, die von einer spezifischen neurologischen Rehabilitation profitiert. Gleichzeitig ist der Anteil der Bevölkerung über dem 50. Lebensjahr in den letzten Jahren deutlich ange- stiegen. Das führt auch zu einer Zunahme an neurologischen Erkrankungen, wie zum Bei- spiel Schlaganfall oder Bewegungsstörungen. Gleichzeitig kann seit dem Jahr 1960 eine Ab- nahme der durchschnittlichen Aufenthaltsdauer im Spital von 25 auf acht Tage verzeichnet werden(1). Die wichtige Frühphase des Rehabilitationsprozesses muss daher extern durch- geführt werden.
Nach Angaben von Statistik Austria waren im Jahr 2015 31.644 Patienten mit neurologischen Erkrankungen (G00-G99) bzw. zerebrovaskulären Erkrankungen (I60-I69) in Wiener Spitälern stationär aufgenommen. Unter diesen Aufnahmen waren ca. 8.400 Patienten mit der ICD-Co- dierung I60-I69 (zerebrovaskuläre Erkrankung). Geht man von Angaben in der Literatur aus, so haben von diesen Patienten 5.600 ein neurologisches Defizit, das einer neurorehabilitati-
ven Intervention bedarf(2). Auch bei anderen neurologischen Erkrankungen wie zum Beispiel bei Morbus Parkinson und Multipler Sklerose ist die Notwendigkeit einer rehabilitativen Behandlung nachgewiesen.(3,4)
Angehörige integrieren
Es ist daher eine logische Entwicklung, ein neues Neurologisches Therapiezentrum für die Phasen C und D am Stand- ort Wien Baumgarten zu eröffnen. Hier wird nach den ICF-Kriterien ein individuelles Therapiekonzept erstellt. Dieses be- inhaltet die Erfassung der Erkrankung und der Krankheitsfolgen wie auch die Persönlichkeit des Erkrankten. Vor diesem Hintergrund haben die gesetzten Maßnahmen das Ziel, eine Wiederherstellung oder Besserung der beeinträchtigten Funktionen zu erreichen. Dies geschieht im Hinblick auf eine Wiedereingliederung in das Leben vor der Erkrankung. Zu diesem Punkt zählt auch das Einbeziehen der Angehörigen in den Rehabilitationsprozess. Eine neurologische Erkran- kung ist nicht nur die Erkrankung eines einzelnen Menschen, sondern hat auch Einfluss auf sein familiäres Umfeld. Die Betreuung der Angehörigen erfolgt über Beratungsgespräche und regelmäßige Informationen über den Therapiever- lauf. Am Standort in Wien kann eine neurologische Rehabilitation durchgeführt werden, ohne die Patienten weit aus ih- rem gewohnten familiären Umfeld zu entfernen.
Interdisziplinäres Vorgehen
Zur Therapie der Patienten stehen neben den etablierten Rehabilitationstherapien auch moderne Konzepte wie Thera- pieroboter, computergestützte kognitive Therapien sowie neuromodulierende Techniken zu Verfügung. Wichtig ist das interdisziplinäre Vorgehen, das beginnt bei der Aufnahme und setzt sich über den Aufenthalt bis zur Entlassung fort. Alle Berufsgruppen, die mit dem Patienten arbeiten, sind hier eingebunden. Durch dieses Vorgehen kann ein ganzheitli- cher Ansatz gewährleistet und auf die Individualität des Patienten eingegangen werden. Die Therapie ist daher in The- rapiebausteine gegliedert. Die in der Befundung erhobenen Hauptprobleme des Patienten werden definiert. In weiterer Folge können nun die involvierten Berufsgruppen mit unterschiedlichen berufsspezifischen Ansätzen an dem definier- ten Defizienten arbeiten.
Unterschiedliche Therapiebausteine
In der motorischen Therapie wird im Team von Physiotherapeuten und Ergotherapeuten am Training funktioneller Bewe- gungsabläufe und an der Förderung alltagsrelevanter Kompetenzen gearbeitet. Je nach Beeinträchtigung wird als Ba- sis zuerst mit der Anbahnung von Bewegungen begonnen. Im klinischen Verlauf wird unter anderem eine „Forced-Use- Therapie“ zur Förderung des verstärkten Einsatzes der betroffenen Region etabliert. In weiter Folge wird an der Verfei- nerung der Bewegungsabläufe gearbeitet. Die Umsetzung erfolgt sowohl in Einzel- als auch in Gruppentherapien. Zu- sätzlich werden computergestützte Therapien (SilverFit®, Amadeo®) eingesetzt.
In der Sprach- und Sprechtherapie kommt es zu einer Zusammenarbeit von Logopädie und Physiotherapie. Diese Zu- sammenarbeit ermöglicht, dass nicht nur an der „Stimme“ per se, sondern an den notwendigen Fähigkeiten, um über- haupt Stimme zu produzieren, gearbeitet wird. Auch hier wird sowohl in Einzel- als auch Gruppentherapien gearbeitet. Das Ziel ist die Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit und damit die Verbesserung der Selbstständigkeit im täglichen Leben.
Einsatz computergestützter Verfahren
Auch in der Schlucktherapie wird der Patient gemeinsam von Logopädie und Physiotherapie behandelt. Zusätzlich kommt es in diesem Bereich zu einer Zusammenarbeit mit der Diätologie und dem ärztlichen Bereich. Im Mittelpunkt steht das sichere Essen und Trinken. Eine Abklärung einer möglichen Schluckstörung kann vor Ort durch eine videoen- doskopische Schluckuntersuchung (FEES – functional evaluation of swollowing) erfolgen. Bei einem pathologischen Be- fund wird die Kostform durch die Diätologie angepasst. Der Befund hilft, sowohl die Problematik zu erkennen als auch die Wirksamkeit der logopädischen Intervention zu beurteilen. Ziel ist es, die Nahrungszufuhr komplikationslos zu ge- stalten und damit Sekundärkomplikationen zu vermeiden.
Die kognitive Therapie gliedert sich in eine detaillierte Diagnostik und eine daran anschließende Therapie. Wichtig ist das Zusammenspiel von Neuropsychologie und Ergotherapie im Bereich Testung und Training. Eine weitere involvierte Berufsgruppe ist die Pflege, die bei der Umsetzung des Gelernten im Alltag begleitend mitwirkt. Durch dieses System, mit permanenter Rückmeldung, kann das Therapieprogramm rasch und individuell dem klinischen Verlauf angepasst werden. Unter anderem werden hier Probleme im Bereich der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses und der Planung behandelt. Es wird sowohl in drei Einzel- als auch Gruppentherapien gearbeitet. Zusätzlich werden computergestützte Verfahren in die Behandlung eingeschlossen.
Anwendung im Alltag
Wichtig ist es immer, die erlernten Fähigkeiten im Alltag anzuwenden. Das Pflegepersonal überwacht die Umsetzung des Gelernten im Alltag und greift bei Problemen unterstützend ein. Durch das wechselseitige Zusammenspiel aller Be- rufsgruppen bietet dieses Konzept die Möglichkeit, das Erlernte nicht nur in der Trainingssituation abzurufen, sondern auch im Alltag zu verwenden. Dadurch kann die Therapie effizienter zum Erlernen einer im Alltag zu verwendenden Funktion eingesetzt werden. Die VAMED ist einer der führenden privaten Reha-Anbieter in Österreich. Einer der Schwer- punkte liegt dabei auf der Neurologie, denn mit der Aufnahme des Patientenbetriebes der neurologischen Abteilung in der Reha Wien Baumgarten beschäftigen sich bereits 8 VAMED Rehabilitationseinrichtungen mit neurologischer Reha- bilitation – mit dem Neurologischen Rehabilitationszentrum Rosenhügel und der Reha Wien Baumgarten 2 davon in Wien. ■
Quellen:
1 Statistik Austria. Spitalsentlassungen und Aufenthaltsdauer 1960-2015
2 Winstein et al. Guidelines for adult stroke rehabilitation and recovery. A guideline for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association. Stroke 2016;47:e98-e169
3 Lauzé et al. The effects of physical activity in Parkinson´s disease: a review. Journal of Parkinson´s Disease 6 (2016) 685-698
4 Fakolade et al. Effect of comorbidities on outcomes of neurorehabilitation inter- ventions in multiple sclerosis. Int J MS Care.2016;18:282-290