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KARDIOLOGIE | Diagnose

Neue Diagnoseverfahren

in der Kardiologie

Eine exakte Diagnose ist die unverzichtbare Grundlage vernünftiger Therapieentscheidungen. Vor allem technische Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Bildgebung sorgen dafür, dass Kardiologen heutzutage nicht nur bezüglich neuer Therapieoptionen up to date bleiben müssen.

Die neuen 2019 ESC Guidelines zum chronischen Koronarsyndrom (früher: Koronare Herzerkrankung) wurden wesentlich über- arbeitet und bieten nun einen sehr praxistauglichen Algorithmus zur Abklärung des stabilen Thoraxschmerzes an. Basierend auf den Daten der SCOT-HEART- und der PROMISE-Studie erfolgte eine Gleichstellung der Koronar-Computertomografie (CT) und der funktionellen Stressbildgebung. Beide Methoden erhalten nun eine Klasse-I-B-Empfehlung für diese Indikation. Die Koronar- CT sollte bevorzugt bei niedriger klinischer Wahrscheinlichkeit zum definitiven Ausschluss eines chronischen Koronarsyndroms eingesetzt werden. Die Stressbildgebung sollte bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit, bei Zustand nach einer Koronarinterven- tion oder unklarer funktioneller Wirksamkeit einer im Koronar-CT nachgewiesenen Stenose bevorzugt werden.


„One-Stop-Shop“-Abklärung

Gerade die Stress-Magnetresonanztomografie-(MRT)-Untersuchung ist eine attraktive Untersuchung, die in Zukunft deutlich an Bedeutung gewinnen wird. In einer rezenten Studie untersuchten Kwong et al. die prognostische Wertigkeit des Stress-MRT und deren Folgekosten bei Patienten mit Brustschmerzen in einer multizentrischen Analyse. Bei Patienten ohne Ischämie und ohne Narbengewebe war die Inzidenz kardialer Ereignisse gering (<1 % pro Jahr), die Notwendigkeit einer koronaren Revaskularisie- rung selten (1-3 % pro Jahr) und die Ausgaben für nachfolgende nichtinvasive Tests niedrig. Die Stress-MRT-Untersuchung bie- tet somit eine „One-Stop-Shop“-Abklärung des chronischen Koronarsyndroms mit höchster Präzision bezüglich links- und rechts- ventrikulärer Funktion, einer sensitiven Detektion von Narbengewebe sowie der räumlich besten Auflösung bezüglich regionaler stressinduzierter Ischämie (Abbildung 1). Patienten mit einem normalen Stress-MRT können beruhigt vorerst konservativ geführt werden. Bei einem pathologischen Befund bietet die Untersuchung dem interventionellen Kardiologen eine umfassende, durch andere Methoden nicht erreichbare, Informationen bezüglich der Interventionsentscheidung. Dies alles ohne die Verwendung von Röntgenstrahlen oder jodhaltiger Kontrastmittel. Die Untersuchung kann auch bei Patienten mit einer stabilen, nicht dialyse- pflichtigen, Niereninsuffizienz gefahrenlos durchgeführt werden.

Das Problem der breiten Verfügbarkeit sollte durch eine erfolgte Reduktion der klinischen Vortestwahrscheinlichkeit in den rezen- ten ESC Guidelines, und damit eine gezieltere Indikationsstellung für nachfolgende nichtinvasive Tests, etwas entschärft werden. Es wird vermutet, dass diese Anpassung zu einer Einsparung von 50 % aller weiterführenden Tests führen kann. Da die Schwä- che der MRT derzeit noch in der Beurteilung von Klappenvitien liegt, sollte auch vor Vereinbarung einer Stress-MRT eine transt- horakale Echokardiografie durchgeführt werden.


Linksventrikelhypertrophie

Auf der anderen Seite können unklare echokardiografische Befunde, insbesondere bei der Abklärung der Linksventrikelhypertro- phie, durch eine weiterführende MRT-Untersuchung oft definitiv abgeklärt werden. Differentialdiagnosen, die mittels MRT bestä- tigt oder ausgeschlossen werden können, sind die kardiale Amyloidose, die Sarkoidose, die hypertrophe Kardiomyopathie, der Morbus Fabry und die hypertensive Kardiomyopathie. Die Untersuchung sollte, wenn möglich, an einem spezialisierten Zentrum mit einer ausreichenden Expertise und Fallzahl durchgeführt werden. Während Funktionsanalysen und Narbendarstellung mittels „Late-Enhancement“ mittlerweile in den meisten MRT-Laboren zum Standard gehören, benötigt man zur Differentialdiagnose des hypertrophen Phänotyps spezielle „Mapping-Sequenzen“ zur Gewebscharakterisierung. Diese basieren auf einem pathognomo- nischen T1-, T2- oder T2*-Signalverhalten des meist diffus veränderten Myokards. Damit kann heute auf eine Myokardbiopsie in vielen Fällen verzichtet werden.

Speziell die kardiale Amyloidose ist durch die Einführung der therapeutischen Option der Transthyretin-Stabilisatoren auch in den Fokus der bildgebenden Diagnostik gerückt. Die kardiale MRT detektiert eine kardiale Amyloidose mit hoher Sensitivität (ca. 86 %) und vor allem Spezifität (>92 %) (Abbildung 2). Die therapieentscheidende Unterscheidung zwischen AL- und ATTR-Amy- loidose kann dann gezielt mittels 99m-TC DPD Szintigrafie erfolgen. Gründe für das Vorschalten der MRT vor die Szintigrafie sind die fehlende Strahlenbelastung und die Möglichkeit weitere Differentialdiagnosen in der initialen MRT mitabzudecken.


TAVI-MRT

Der Siegeszug des Transkatheter-Aortenklappenersatzes (TAVI) stellt auch Anforderungen an die moderne kardiale Bildgebung. Der transvaskuläre Zugang erfordert eine sorgfältige Planung der möglichen Zugangswege und die dreidimensionale Darstel- lung des Aortenklappenanulus ist entscheidend für die Auswahl der Prothesengröße. Für die Planung einer TAVI wurde bisher eine kontrastmittelunterstützte CT-Untersuchung benötigt. Bis zu 80 % der Patienten, die eine TAVI erhalten, leiden jedoch auch

an einer Niereninsuffizienz und ein akutes Nierenversagen im Rahmen einer TAVI ist für diese Patienten prognostisch äußerst ungünstig (OR: 4.14). Eine kontrastmittel- freie Alternative zur konventionellen TAVI- CT ist daher oft wünschenswert. Unsere Arbeitsgruppe an der Kardiologie Inns- bruck hat in Zusammenarbeit mit der Ra- diologie deshalb in zwei Studien die Machbarkeit eines TAVI-MRT-Protokolls gezeigt. Im ersten Ansatz wurde eine herkömmliche MR-Angiografiesequenz mit einer 3D-Darstellung des Aortenanu- lus sowie der Koronarostien verbunden

(Abbildung 3). In einer weiteren Studie untersuchten wir eine kontrastmittelfreie QISS- MR-Angiografie-Sequenz, in Kombination mit 3D-„Whole Heart“-Protokollen. Diese er- lauben eine Beurteilung der Dimensionen der Aortenwurzel, der Koronarabgänge sowie der Zugangswege in guter Korrelation mit der TAVI-CT. Insbesondere zeigte sich in bei- den Studien kein relevanter Unterschied zur CT in der Auswahl der Prothesengröße oder der möglichen Zugangswege. Inwieweit der Verzicht auf jodhaltige Kontrastmittel in der TAVI-Planung auch das Auftreten akuter Nierenversagen verhindern kann, ist noch zu klären.


Plötzlicher Herztod und Risikostratifizierung

Welche Patienten mit nichtischämischer Kardiomyopathie von der primärprophylaktis- chen Implantation eines ICD am meisten profitieren, ist immer noch ein vieldiskutiertes Thema. Auch hier scheint das Vorliegen einer fokalen Fibrose im „Late-Enhancement“- MRT ein entscheidender Faktor zu sein. In einer rezenten Studie wurde mittels Propensi- ty-Matching gezeigt, dass Patienten mit einer fokalen Fibrose im MRT (Late Enhance- ment) durch die ICD-Implantation signifikant profitieren (HR 0.45, p=0.003), während Patienten ohne makroskopische Fibrose nicht profitierten (HR 1.12, p=0.64). Die Au- toren folgern, dass durch die MRT eine bessere Patientenselektion erfolgen kann.

Die frühe Detektion von Risikopatienten nach Myokardinfarkt steht ebenfalls im Fokus unserer Arbeitsgruppe. In einer Analyse aus der MARINA-STEMI-Studie (MAgnetic Res- onance IN acute STEMI), einer prospektiven Observationsstudie mit 451 Infarktpatien-

ten, wurde die prognostische Wertigkeit des globalen longitudinalen Strain (GLS) untersucht. Im medianen Follow-up von 24 Monaten kam es zu 46 (10 %) Ereignissen (Tod, Reinfarkt, akuter Herzinsuffizienz). Ein GLS >-11,3 % erwies sich als unab- hängiger Prognoseprädiktor und war signifikant besser als die linksventrikuläre Auswurffraktion (Abbildung 4).


Zusammenfassung

Die kardiale MRT hat sich seit ihrer Einführung in den frühen 1990er-Jahren durch eine Fülle von technischen Weiterentwicklun- gen einen festen Platz im diagnostischen Armamentarium des Kardiologen erarbeitet. Zukünftige Herausforderungen sind die optimale Patientenselektion sowie Studien, die an großen Fallzahlen (n >1000) den Einfluss auf harte Endpunkte zeigen und somit zu evidenzbasierten Empfehlungen in den Guidelines führen.

Beim chronischem Koronarsyndrom ist dies bereits durch Studien wie PROMISE oder ISCHEMIA der Fall. Auf dem Gebiet der Kardiomyopathien, der Planung komplexer interventioneller Verfahren und bezüglich der Risikostratifizierung für einen plöt- zlichen Herztod muss die MRT allerdings noch beweisen, ob der erhöhte Aufwand einen zusätzlichen prognostischen Benefit gegenüber alternativen Verfahren für unsere Patienten bringt.



Literatur beim Verfasser