Praxis- & Ordinationsgründung | Kassenstellen 

Foto: istockphoto/ AJ_Watt, ÄK Tirol/Wolfgang Lackner

Vergabe von Vertragsarztstellen

Die Vergabe von Vertragsarztstellen unterliegt von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen Re- gelungen, wobei Grundsätzliches weitgehend gleich ist. Mit ein paar Tipps gelingt die Übernahme von Vertragsarztstellen jedenfalls viel besser.

MR Dr. Edgar Wutscher, Allgemeinmediziner in Tirol und Obmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer, blickt auf viele Jahre Erfahrung als niedergelassener Allgemeinmediziner zurück und weiß um die Fallstricke und Chancen bei der Bewerbung um Vertragsarztstellen. Auch wenn er manches aus Sicht der Tiroler Landesärztekammer betrachtet, so kann er doch mit einigen für alle gültigen Tipps aufwarten, die den Vergabeprozess für alle Beteiligten erleichtern.


Rasche Ausschreibung

„Grundsätzlich kocht jedes Bundesland – konkret die Landesärztekammern und die Sozialversicherung – sein eigenes Süppchen, was die Verga- be von Vertragsarztstellen betrifft“, so Wutscher. „Doch im Wesentlichen sind die Richtlinien die gleichen.“ Zum einen listet ein Stellenplan, der für ganz Österreich einsehbar ist, auf, wo es für welche Sozialversicherung eine Stelle gibt. Die Stellen werden von der Ärztekammer ausgeschrieben, um sie neu zu besetzen oder nachzubesetzen. Darüber hinaus gibt es Stellen, die von einer Gemeinde, einem einzelnen Interessenten, der Ärzte- kammer oder der Sozialversicherung neu gefordert werden. Landesärztekammer und Sozialversicherung beraten in diesen Fällen über die Forde- rung einer neuen Kassenstelle und beurteilen anhand von Bevölkerungs- und Versorgungsstruktur sowie weiteren Kriterien, ob tatsächlich Bedarf für die neue Stelle besteht. „Das funktioniert im Prinzip in allen Bundesländern gleich. Oft sind es Kleinigkeiten wie die Zahl der Patientenkontakte, die darüber entsprechend entscheiden“, erklärt Wutscher.

Sobald eine Kassenstelle frei oder neu geschaffen wird, wird im Laufe des Quartals ausgeschrieben, wobei sich die Landesärztekammern mit der Ös- terreichischen Gesundheitskasse abstimmen. „Würde beispielsweise Mitte August beschlossen, dass eine Stelle neu zu besetzen ist, dann würde für eine Besetzung per 1. Oktober ein Arzt gesucht werden“, so der Bundesku- rienobmann. „Günstiger für Bewerber und jene, die die Stellen zurücklegen, ist es jedoch, wenn einige Monate im Voraus geplant werden kann. Das wird im Normalfall auch gemacht, wenn etwa eine Pensionierung in einigen

Monaten ansteht. In der Regel haben wir rund ein halbes Jahr Vorlaufzeit. Dann werden alle Ärzte angeschrieben und auf neue Kassenstellen auf- merksam gemacht, für die sie die Details der Ausschreibung über einen Link ansehen können. Heute geschieht das natürlich online.“


Chancen zur Optimierung

Das halbe Jahr Vorlaufzeit kann gut genützt werden, um sich auf die Bewerbung vorzubereiten. Jede Ausschreibung beinhaltet eine detaillierte Lis- te von Voraussetzungen, die mitzubringen sind. Sie müssen Punkt für Punkt abgearbeitet und nachgewiesen werden. „Es gibt überraschenderwei- se immer wieder Ärzte, die erstaunt sind, weil ihre Bewerbung aus formalen Gründen abgelehnt werden muss, aber die genannten Voraussetzun-

gen sind nun einmal alle zu erfüllen“, warnt Wutscher. Sie sind eine Mindest- und keine Maximalanforderung.

Neben diesen Voraussetzungen gilt ein Punkteschema in fast allen Bundesländern als wichtiges Kriterium für die Vergabe der Stellen. „In Tirol ist das Punkteschema einsehbar. Punkte werden zum Beispiel für die Arbeit in einer Wahlarztpraxis, für Vertretungsarbeit, be- reits erfolgte Bewerbungen, Fortbildungen – besonders gerne in Geriatrie, Palliativmedizin oder Arbeitsmedizin – vergeben“, erklärt der Kurienobmann. „Unterschiedliche Punktean- zahl gibt es abhängig von Intensität und Dauer einer Zusatzausbildung. Das ist eine lange Liste von Optionen, die gute Möglichkeiten darstellen, um die eigene Bewerbung und die Chancen für die Zuerkennung zu optimieren.“


Jobsharing und Beratung

Vertragsarztstellen können in sehr vielen Fällen geteilt werden. „Es hat durchaus Sinn, vor-

ab bekanntzugeben, wenn Jobsharing geplant ist. Das muss natürlich berücksichtigt werden. Es gibt kein Anrecht auf die Teilbarkeit einer Stelle. In der Praxis ist es heute aber so, dass wir froh sind, Bewerber für eine Stelle zu bekommen, daher wird es auch in den allermeisten Fällen kein Pro- blem darstellen“, sagt Wutscher. Die Medizin werde mehr und mehr weiblich und insbesondere für Frauen würden geteilte Vertragsarztstellen oft- mals eine gute Option darstellen, um gleichzeitig ausreichend Zeit für die Familie zu haben. Jobsharing sei aber generell bei jungen Menschen hoch im Kurs. „Ich halte das für ein Zukunftsmodell“, versichert der Kurienobmann.

Entscheidende Wünsche vorab bekanntzugeben und Fragen zu klären, sei grundsätzlich eine gute Strategie, versichert Wutscher. Wer sich erfolg- los beworben hat, kann jederzeit in der Landesärztekammer nachfragen, woran die Bewerbung gescheitert ist, um für den nächsten Versuch bes- ser vorbereitet zu sein. „Ehrlich Interessierte wenden sich meist vor ihrer Bewerbung an die Kammer und lassen sich beraten, wie ihr Fall individu- ell optimal genutzt werden kann. Die Beratungsgremien in der Kammer geben gerne Auskunft über die besten Bewerbungsstrategien und begut-

achten jedes Bewerberprofil, ohne irgendeine Form von Einfluss zu nehmen“, erklärt Wut- scher und fügt hinzu: „Mir ist es wichtig zu betonen, dass ich das Prozedere seit 30 Jahren kenne und es nie Einflussnahmen gab. Das Punkteschema garantiert eine höchst objektive Beurteilung und Freunderlwirtschaft hat hier keinen Platz.“ Ein weiteres Thema, bei dem sich die Kammern tunlichst heraushalten, sind Ablösefragen. Manche Kandidaten lassen sich diesbezüglich beraten, weil sie die Plausibilität der Summen nicht einschätzen können. Offiziell gibt es jedoch keine Ablösen, versichert Wutscher – die Beratung kann daher nur Ideen für Verhandlungsstrategien geben.

Abschließend betont der Kurienobmann, welche drei Säulen eine optimale Vorbereitung ei- ner Bewerbung um eine Vertragsarztstelle unterstützen. Die Landesärztekammern bieten meist Praxisgründungsseminare – wenn auch mit unterschiedlichen Bezeichnungen – an, die eine gute Vorbereitung für Fragen bezüglich Steuern, Punktesystem oder wirtschaftli- chen Anforderungen bieten. „Auch wenn die eigene Praxis erst in fünf Jahren geplant ist, kann ein entsprechendes Seminar viel bringen, denn dann bleibt Zeit, um sich darauf gut vorzubereiten“, rät Wutscher. Darüber hinaus stellen Vertretungen die beste Form dar, um das Handwerkszeug für eine eigene Praxisgründung zu erlernen: „Dabei verdienen Ärzte Geld, das sie für eine Gründung brauchen, lernen Abläufe kennen und können Schwach-, aber auch Gutpunkte bestens beobachten. Zwei bis vier Jahre Vertretungstätigkeit sind da- her ein hervorragender Lernprozess. Schließlich rate ich immer auch, sich in der Kammer

beraten zu lassen. Die Berater sind erfahren und haben immer gute Tipps, wie sich eine ärztliche Karriere oder eine Bewerbung optimieren lässt.“ Die Beratungsfunk- tionen der Landesärztekammern leisten im Übrigen auch nach der Praxisgründung wertvolle Dienste, versi- chert Wutscher: „Nach der ersten oder zweiten Quar- talsabrechnung können unsere Experten gemeinsam mit den Praxisgründern überprüfen, ob sich daran noch etwas optimieren lässt. Das sollte unbedingt ge- nutzt werden“, so der Vertreter der niedergelassenen Ärzte abschließend.


bw

3 wichtige Botschaften an Bewerber

1.Nutzen Sie die Praxisgründungsseminare der Landesärztekammern.

2.Vertretungen sind die beste Form, sich auf eine eigene Praxis vorzubereiten.

3.Lassen Sie sich in der Landesärzte-kammer beraten.