Praxis | Infektionsprävention

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Striktes Organisations-

und

Hygienemanagement

Um eine SARS-CoV-2-

Infektion in der Arztpraxis zu verhin- dern, sind bauliche, vor allem aber

organisatorische Maß-nahmen unumgänglich.

Angesichts der Covid-19-Pandemie wurden in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Maß- nahmen getroffen, um möglichst vielen Patienten einen Weg in die Ordination zu ersparen. Genannt seien an dieser Stelle die aktuellen Sonderregelun- gen der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), wonach unter anderem Medikamentenver- ordnungen auch telefonisch erfolgen können und gleichzeitig die Limitierungen bei den Abgabemen- gen von Medikationen gelockert wurden. Weitere Erleichterungen betreffen die Bewilligungspflicht, die für die meisten Medikamente ebenso ausge- setzt wurde wie für Heilbehelfe und Hilfsmittel bis zu einem Gesamtausmaß von 1.500 Euro, für Rönt- gen- und Schnittbilduntersuchungen sowie für alle Krankentransporte. Auch Arbeitsunfähigkeitsmel- dungen sind nun telefonisch möglich. All das ergibt Sinn. Dennoch bleibt die Empfehlung, Ordinations- besuche weitestgehend zu vermeiden, für viele Pa- tienten graue Theorie. Die Crux daran: Je infekti- onsgefährdeter Patienten aufgrund ihrer medizini- schen Parameter – Alter, chronische Erkrankungen, Multimorbidität etc. – sind, desto eher sind sie auf regelmäßige medizinische Betreuung durch ihren Hausarzt oder niedergelassenen Facharzt ange-

wiesen. Gerade diese vulnerable Patientengruppe benötigt regelmäßig Rezepte, Untersuchungen müssen routinemäßig durchge- führt oder Therapieprogramme wie Therapie Aktiv absolviert werden. Manches davon lässt sich zwar nun telemedizinisch via Te- lefon, Skype oder Videokonferenz organisieren – und die erbrachten Leistungen auch abrechnen. Viele Therapiemaßnahmen er- fordern aber doch einen regelmäßigen Arztbesuch vor Ort.


Triagierung

Die Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems hält daher nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der Niederlassung eine Triage der Patienten für unumgänglich. Sie schlägt eine Trennung zwischen potenziell infizierten und nicht infizierten Patienten vor, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Gruppe der Patienten mit erhöhtem Risiko gelegt werden müsse (siehe Abbildung).

Die Patienten mit Infekt-Symptomen von allen anderen Patienten zeitlich zu trennen und Patienten durch eine verpflichtende Tele- fonanmeldung möglichst zu „vereinzeln“, hält auch MR Dr. Reinhold Glehr, Arzt für Allgemeinmedizin in Hartberg, für essenziell. Im Zuge dieser Voranmeldung ist abzuklären, ob es sich um potenziell infektiöse Patienten handeln könnte. Ist das der Fall, erhal- ten die Patienten etwa in der Ordination von Dr. Artur Wechselberger in Innsbruck automatisch einen Tagesrandtermin am Ende der Ordinationszeit. Für alle anderen Patienten, vor allem für Risiko-Patienten, werden getrennt davon „infektionsfreie Behand- lungszeiten“ festgelegt, um ihnen einen weitgehend gefahrlosen Ordinationsbesuch zu ermöglichen. Voraussetzung dafür ist ein striktes Zeitmanagement – und Patienten, die sich auch minutiös daran halten. Sie dürfen nicht später, aber auch nicht 15 Minuten früher in die Ordination kommen. Das ist vor allem in der Hausarztpraxis für viele ungewohnt, weil es bisher meist „on demand“ funktioniert hat. Manche niedergelassenen Ärzte vor allem im ländlichen Bereich haben daher vor der Ordination Zelte als Schleu- sen errichtet mit einer Telefonverbindung zur Voranmeldung. Zur Vermeidung eines direkten Kontaktes sollte außerdem die O- Card statt der Patienten-e-card gesteckt werden.


Bauliche Maßnahmen

Das sichtbarste Zeichen zusätzlicher Sicherheitsvorkehrungen sind in vielen Ordinationen die neuen Schutzwände aus bruchsi- cherem Material wie Plexi- oder Sicherheitsglas, um das Personal an der Anmeldung vor einer möglichen Tröpfcheninfektion zu schützen. „Bisher hatten die meisten Arztpraxen das nicht an der Rezeption, um keine Barriere gegenüber den Patienten zu er- richten“, erzählt Glehr. „Jetzt sind Barrieren ja willkommen.“

An deren Existenz haben wir uns inzwischen nicht nur an den Supermarktkassen gewöhnt. Auch die Minister und Parlamentarier erläutern und diskutieren ihre Maßnahmen ausschließlich „hinter Glas“. Apropos Parlamentarier: Die Plenarsäle im Parlament oder in den Landtagen sind derzeit sehr spärlich gefüllt, um den vorgegebenen Sicherheitsabstand einhalten zu können. Und sie wer- den vor Beginn jeweils minutiös desinfiziert. Gleiches sollte auch für jede Arztpraxis selbstverständlich sein, erläutert Glehr und schlägt vor, die Anzahl der Stühle im Warteraum zu reduzieren und in Rezeptionsnähe ganz zu entfernen. Letzteres gelte etwa auch für Trinkwasserspender, Spielsachen oder Zeitschriften. Dafür soll am Ordinationseingang ein Desinfektionsmittel-Spender platziert werden. Möglichst noch davor, also außerhalb der Ordinationsräumlichkeiten, sollte, wo die Möglichkeit besteht, eine desinfizierbare Box für die Übergabe von Dokumenten oder Abstrichproben sowie ein Abfallbehälter für Taschentücher etc. auf- gestellt werden.

Als Untersuchungsraum sollte eine leicht desinfizierbare Koje eingerichtet werden, schlägt Glehr weiter vor, in der das Inventar auf das Minimum reduziert ist: ein leicht desinfizierbarer Hocker sowie freigeräumte Abstellflächen, die nur für unbedingt notwen- dige Werkzeuge verwendet werden. Ein einfaches, günstiges, aber umso wirksameres Mittel zur Unterstützung einer straffen Or- ganisation und Patientenführung innerhalb der Arztpraxis bildet ein Informations- und Leitsystem. Von handschriftlichen Aushän- gen und selbstgedruckten Schildern über das Anbringen von Abstandsmarkierungen bis hin zu einem digitalen Leitsystem über Bildschirme stehen hier viele Möglichkeiten zur Verfügung.


Persönliche Schutzausrüstung

Die persönliche Schutzausrüstung für die Untersuchung eines potenziellen Covid-19-Patienten besteht aus Schutzmaske (FFP2 oder FFP3), Schutzbrille oder Schutzvisier, langärmeliger, wasserdichter Schutzkleidung, unsterilen Einmalhandschuhen sowie optional einer Haube (über Brille und Maske). Diese müssen „gezielt und ressourcenschonend eingesetzt werden“, heißt es dazu in einer Empfehlung der Ärztekammer. Nach anfänglichen Engpässen scheint sich die Versorgungssituation „von Woche zu Wo- che gebessert“ zu haben, bestätigt Glehr. Er könne „zwar nur für die Steiermark sprechen“, hier gäbe es allerdings inzwischen „eine relativ gute Versorgung“.