DFP-FORTBILDUNG & KLINIK | Patientensicherheit

Sicherheitskultur auf allen Ebenen

Hon. Prof. Dr. Gerhard Aigner, Institut für Ethik und Recht in der Medizin; Dr. Brigitte Ettl, ärztliche Direktorin am KH Hietzing, Präsidentin der Plattform Patientensicherheit; Univ.- Prof. Dr. Klaus Markstaller, Leiter der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemei- ne Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien, und Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer.

Foto: VLKÖ/Steffen Saint-Clair

Seit 2015 ruft die Plattform Patientensicherheit zusam- men mit ihren Kooperationspartnern aus Deutschland und der Schweiz einmal jährlich alle Akteure im Gesund- heitswesen auf, mit eigenen Aktionen zur Patientensi- cherheit beizutragen.

Im Jahr 1999 hat die Veröffentlichung der Studie „to err is hu- man“ des U.S.-Instituts für Medizin (IOM) wesentlich dazu beigetragen, dass Patientensicherheit mehr Beachtung im medizinischen Alltag gefunden hat. In diesem Report wurde erhoben, dass zwischen 44.000 und 98.000 Patienten in Amerikas Spitälern jedes Jahr an den Folgen vermeidbarer Fehler (adverse events) sterben. Legt man die Zahlen inter- nationaler Studien auf den österreichischen Krankenhausbe- reich um, muss pro Jahr mit circa 245.000 Zwischenfällen in Krankenanstalten und circa 2.900 bis 6.800 Todesfällen in Krankenanstalten gerechnet werden. Diese Zahlen rechtferti- gen jedenfalls ein konsequentes Vorgehen hinsichtlich der Verbesserung von Patientensicherheit.


Patientensicherheit hat viele Gesichter

Um Sicherheitskultur umzusetzen, bedarf es des täglichen

Engagements aller im Gesundheitswesen Tätigen. Daher hat sich die Plattform Patientensicherheit heuer bewusst für das The- ma „Sicherheitskultur auf allen Ebenen“ entschieden, um den Internationalen Tag der Patientensicherheit in seiner ganzen Viel- falt zu begehen. Der Bogen der Patientensicherheit spannt sich zwischen Führungskräften, Mitarbeitern, Patienten und Ange- hörigen und kann unterschiedlichste Themenschwerpunkte wie Digitalisierung, Kommunikation, Medikationssicherheit, Hygie- ne und Patient Empowerment einschließen.

Der Begriff „Patientensicherheit“ ist im Gesundheitsbereich mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Er hat auch Einzug in viele Gesetze gefunden. In einem immer komplexeren Gesundheitswesen rücken Risikobewusstsein, Fehlermanagement und Fra- gen der Qualität immer mehr in den Mittelpunkt – die Bedeutung der Patientensicherheit ist rasant gestiegen. „Patientensicher- heit spielt überall dort eine Rolle, wo die Patientenversorgung stattfindet. Dem Grundsatz, dass eine Förderung der Patienten- sicherheit nur dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn eine umfassende Evaluierung und Überwachung der relevanten Abläufe und Strukturen erfolgt, wird durch nationale Maßnahmen und diverse Projekte Rechnung getragen“, betont Dr. Brigitte Ettl, Präsidentin der Plattform Patientensicherheit.

In Österreich hat ein konsequentes Vorgehen im Sinne einer verbesserten Patientensicherheit einen hohen Stellenwert und braucht tägliches Engagement aller Beteiligten im Gesundheitswesen. Denn: Patientensicherheit ist auch Mitarbeitersicherheit und steht für eine hohe Behandlungsqualität im Gesundheitssystem – sind sich die Vertreter der Plattform Patientensicherheit, der Medizinischen Universität Wien, der Österreichischen Ärztekammer sowie des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin einig.


Patientensicherheit braucht Forschung

„An der Medizinischen Universität Wien ist es uns wichtig, neue Prozesswege in der Behandlung zu erforschen, um die Sicher- heit der Patienten in einem komplexen Krankenhausbetrieb zu verbessern“, erklärt Dr. Klaus Markstaller, Leiter der Universi- tätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der MedUni Wien/AKH Wien. „Eine besondere Her- ausforderung in diesem Forschungsfeld ist die interdisziplinäre und interprofessionelle Vernetzung, weshalb an der MedUni Wien gemeinsam mit dem AKH Wien eine Task Force und Steuerungsgruppe gebildet wurde, die allen medizinischen Berufs- gruppen wie auch Disziplinen an MedUni Wien und AKH Wien offensteht. Das Ziel ist, mehr Sichtbarkeit zu erzielen und ge- meinsam Best-Practice-Modelle zu entwickeln.“


Einsparungen als Hemmschuh

Studien zeigen, dass 15 Prozent der Kosten in Spitälern der OECD-Länder auf unzureichende Patientensicherheit zurückzu- führen sind. Patientensicherheit leidet durch Einsparungsmaßnahmen, daher braucht sie mehr finanzielle Mittel im Gesund- heitswesen. Dr. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), erklärt: „Die Sicherheit von Patienten wird erhöht, wenn Ärzte entsprechende Dienst- und Ruhezeiten haben. Die Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden war längst überfällig und absolut im Sinne der Patientensicherheit. Das Problem ist, dass zwar die Dienstzeiten in den Kran- kenhäusern verkürzt, das Personal aber nicht analog dazu aufgestockt worden ist. Die Folge ist eine hohe Arbeitsbelastung und starke Arbeitsverdichtung in Spitälern. Eine Fließbandabfertigung ist aber kontraproduktiv in puncto Patientensicherheit. Zu wenig Personal ist ein Faktor, der Fehler begünstigt. Wenn wir eine bessere patientenorientierte Versorgung haben wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen für Ärzte verbessern.“


Regeln und Fehlerkultur erforderlich

In Österreich gibt es keine eigene Kodifikation von Patientenrechten, diese sind jedoch in unterschiedlichen Gesetzen veran- kert. Schon bislang haben zahlreiche nationale medizinrechtliche Regelungen Behandlungssicherheit in den Mittelpunkt ge- stellt, und auch heute ist der Themenkomplex Patientensicherheit auf eine breite Anzahl an Bestimmungen verteilt. Die Wah- rung der Patientenrechte ist ein wesentlicher Garant für Patientensicherheit. „Trotz zahlreicher Maßnahmen und Tools können Fehler in der medizinischen Behandlung passieren. Entscheidend ist in solchen Fällen, wie die beteiligten Personen reagieren. Zweifellos sollen Patienten, denen ein Schaden zugefügt wurde, zu einer entsprechenden Entschädigung und einem Aus- gleich kommen. Auf der anderen Seite gilt es auch den Angehörigen des Gesundheitsberufes, dem der Fehler passiert ist, entsprechend zu unterstützen“, resümiert Dr. Gerhard Aigner vom Institut für Ethik und Recht in der Medizin.



rh