MEDIZIN | Myokardinfarkt

Höhere Mortali- tät für junge Frauen

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Frauen unter 50 Jahren, die einen Myokardinfarkt erlei- den, haben in den folgenden elf Jahren eine signifikant er- höhe Mortalität als Männer im vergleichbaren Alter. Dies zeigte eine Studie, die im No- vember 2020 im European Heart Journal veröffentlich wurde.

Aus Studien ist bekannt, dass Frauen bei der Behandlung eines Myokardinfarkts und im Outcome häufig benachteiligt sind. Ob es ähnliche Unter- schiede auch bei jungen Myokardinfarktpatienten gibt, war die Frage, die sich das Forschungsteam unter der Leitung von Dr. Ersilia DeFilippis und Professor Dr. Ron Blankstein der Harvard Medical School und Kardiologe am Brigham and Women’s Hospital in Boston stellte.


Leitsymptom: Brustschmerz

Die Autoren untersuchten die Daten von 404 Frauen und 1693 Männern mit einem primären Myokardinfarkt, die zwischen 2000 und 2016 am Brig- ham and Women’s Hospital und Massachusetts General Hospital behandelt wurden. Das mittlere Alter der Patienten war 45 Jahre, Frauen und Männer hatten ein vergleichbares Risikoprofil, nur Diabetes kam bei den Frauen etwas häufiger vor (24 % versus 19 %). Das Leitsymptom des Myokardinfarkts war sowohl bei Frauen als auch Männern der Brustschmerz, wobei Frauen häufiger auch andere Symptome wie Dyspnoe, Palpita- tionen und Erschöpfung aufwiesen. Frauen hatten häufiger ein begleitendes Lungenödem und Beinödeme. Ein STEMI fand sich häufiger bei Män- nern als bei Frauen (55 % versus 44 %).

Die Autoren fanden heraus, dass es zwar keinen Unterschied in der Krankenhausmortalität gab. Während des Beobachtungszeitraums von elf Jah- ren, zeigte sich aber, dass die Frauen nach dem Herzinfarkt eine um 60 % erhöhte Gesamtmortalität aufwiesen.

Die Autoren betonten, dass es in jungen Jahren vor allem die Männer sind, die einen Herzinfarkt erleiden. Auch in der vorliegenden Studie lag der Anteil der Frauen bei nur 19 %. Gerade diese Frauen scheinen bereits ein größeres Paket an Risikofaktoren mitzubringen. Sie haben oft ähnliche Beschwerden wie die Männer, leiden häufiger unter Diabetes, haben einen niedrigeren sozioökonomischen Status und allein unter diesen Bedin- gungen eine erhöhte Langzeitmortalität.


Männer früher entlassen

Die Beobachtungsstudie ergab außerdem, dass Frauen generell weniger häufiger einer invasiven Koronarangiografie (93 % versus 97 %) und Re- vaskularisation (82 % versus 93 %) zugewiesen wurden. Nach der statistischen Korrektur für verschiedene Störfaktoren wie Alter, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Serum-Kreatinin, ST-Streckenhebungen und Symptomdauer zeigte sich sogar, dass Frauen nur eine halb so große Chance wie Männer hatten, eine Koronarangiografie zu erhalten. In der Koronarangiografie hatten Frauen häufiger einen inkompletten Verschluss der Koronar- arterien (10 % versus 4 %). Außerdem war bei Frauen häufiger nur ein Gefäß betroffen (63 % versus 56 %). Auffallend war außerdem, dass die Inzi- denz einer spontanen koronaren Dissektion bei Frauen mit 7 % wesentlich höher war als bei den Männern (0,2 %) lag. Während Frauen nach dem Infarkt im Mittel vier Tage im Krankenhaus verbrachten, wurden Männer meist bereits nach drei Tagen entlassen.

Die Säulen der pharmakologischen Dauertherapie, die von der European Society of Cardiology (ESC) und anderen großen Fachgesellschaften für Patienten mit koronarer Herzkrankheit empfohlen werden, umfassen Aspirin, Thrombozytenaggregationshemmer, Beta-Blocker, Kalziumkanalblo- cker, Statine und ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptorblocker (ARBs). Die Studienautoren untersuchten, ob in der Verschreibung dieser Me- dikamente ein Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht wurde. Tatsächlich war es so, dass Männer im Vergleich zu den Frauen signifi- kant häufiger Aspirin (92 % versus 95 %), Beta-Blocker (87 % versus 90 %), ACE-Hemmer/ARBs (53 % versus 64 %), Statine (82 % versus 88 %) oder Thrombozytenaggregationshemmer (77 % versus 83 %) erhielten.

Die Studienautoren hatten keine eindeutige Erklärung für diese Unterschiede, mutmaßten aber, dass sich klassische Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes und psychosoziale Belastungen bei Frauen stärker auf Gefäße und Herz auswirken könnten als bei den Männern. Selbst der schützende Effekt der Östrogene auf das Herz-Kreislauf-System könnte dadurch aufgehoben werden. Frauen erhielten weniger häufig eine Revaskularisations- therapie als Männer, was auch erklären könnte, warum sie weniger häufig die empfohlene duale Plättchentherapie bestehend aus Thrombozyten- aggregationshemmer plus Aspirin erhielten.


Risikofaktoren wirksam behandeln

Dr. Marysia Tweet, Assistenzprofessorin am Mayo Clinic College of Medicine and Science in Minnesota, diskutierte in einem begleitenden Editorial, wie wichtig es auch bei jungen Menschen ist, die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wirksam zu behandeln. „Das trifft in einem besonde- ren Maß auf junge Frauen mit Herzinfarkt und kardiovaskulären Risikofaktoren zu. Hier präventive Maßnahmen zu ergreifen, kann zum entscheiden- den Faktor für die Mortalität dieser Frauen werden. In gleichem Maße darf nicht vergessen werden, dass die nicht-traditionellen Risikofaktoren für Frauen ebenso bedeutsam sind, aber häufig nicht beachtet werden. Beispiele dafür sind die Präeklampsie, der Gestationsdiabetes oder eine Ovarektomie. Depressionen kommen bei Frauen doppelt so häufig vor wie bei Männern und gerade bei Frauen ist eine Depression mit einem sechsfach höheren Risiko für eine koronare Herzerkrankung assoziiert.“ Diese Studie macht deutlich, wie bedeutsam es ist, die Inzidenz und Ent- stehungsmechanismen einer koronaren Herzerkrankung auch bei jungen Menschen zu dokumentieren und weiter zu untersuchen. Das Bewusst- sein für die Besonderheiten eines Myokardinfarkts und mögliche Ungleichheiten in der Behandlung junger Frauen sollte in der Öffentlichkeit und in der Gesundheitsversorgung weiter gestärkt werden.


ja