Fortbildung & Klinik I Wissenschaftspreis 

Foto: Bernhard Werny, istockphoto/ akindo

Intensivmedizin

zwischen Bett und Labor

Als einer der Höhepunkte im Jahreskalender der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg gilt die Ernennung der For- scher des Jahres. PD Dr. Bernhard Wernly, PhD, ist einer von ihnen.

Der junge Wissenschaftler forscht im Bereich Intensivmedizin. Als Facharzt für Innere Medizin liegen seine Schwerpunkte in Kardiologie, Diabeto- logie und Notfall- und Intensivmedizin. Er hat Ärzte EXKLUSIV erzählt, was er in der Forschung für wichtig erachtet.


?Wofür haben Sie den Preis als „Forscher des Jahres“ erhalten?

Den Preis habe ich für meine kumulative Wissenschaftsleistung im Jahr 2020 erhalten. Der Themenkomplex, an dem ich forsche, ist die Intensiv- medizin und die Prognostizierung von kritisch kranken Patienten. Prognosen zu stellen, ist in beide Richtungen erforderlich: Für Patienten mit ho- hem Risiko sollen Probleme früh erkannt werden, damit sie gut behandelt werden können, denn eine Behandlung ist zielführender, je früher sie be-

gonnen wird. Aber auch wenn Heilung und Überleben nicht mehr realistisch sind, müs- sen Entscheidungen getroffen werden, da weitere Behandlungen unethisch wären oder das Behandlungsziel auf Komfort und Qualität reduziert werden muss. Auch dieser As- pekt gehört zur Patientenbehandlung. In manchen Fällen würde es die Würde eines Pati- enten verletzen, die Behandlung fortzusetzen.


?Wird dabei mit der Hospizbewegung oder der Palliativmedizin kooperiert?

Leider ist die Intensivmedizin ein sehr abgekapselter Bereich. Im Akutbereich gibt es derartige Kooperationen nicht. Eine Mitarbeit geschulter Kollegen in einer Intensivstation wäre aber durchaus wünschenswert, denn medizinethisch sind die Kollegen besser geschult.


?Zurück zu Ihrem Preis: Was bedeuten Ihnen Wissenschaftspreise?

Ich strebe nicht gezielt nach Preisen, aber es ist schön, diese Anerkennung zu bekom- men. Ich freue mich sehr darüber. Zudem ist damit auch ein finanzielles „Incentive“ ver- bunden – dank Professor Ludwig Aigner, dem Vizerektor für Forschungsangelegenhei- ten, der sich dafür eingesetzt hat.


?Sie haben eine internistische Wahlarztpraxis und arbeiten in der SALK – was ist Ihnen dabei ein besonders großes Anliegen?

Es bedeutet natürlich eine zeitliche Gratwanderung, sowohl im niedergelassenen Bereich als auch in der Klinik zu arbeiten. Ich kann mich halb- wegs gut organisieren, daher ist das möglich und eine große Bereicherung für mich. In der Klinik ist die Intensivmedizin ein stark abgekapselter Spezialbereich, in dem man auch den Kontakt zur Basis verlieren kann. Daher schätze ich, im Präventionsbereich in der Praxis arbeiten zu kön- nen. Eines profitiert vom anderen – das finde ich sehr wichtig.


?Wie steht es generell um die medizinische Forschung in Österreich? Wo liegen die Stärken, wo die Schwächen?

Vor der Corona-Pandemie verbrachte ich einige Monate in Schweden am Karolinska Institutet in Stockholm, das auf eine große Tradition und ein Top-Renommee verweisen kann, daher maße ich mir an, einen Vergleich anstellen zu können. In Österreich gibt es durchaus relevante medizini- sche Forschung. Die Stärken liegen meiner Ansicht nach ganz klar bei den Wissenschaftlern selbst: Sie sind topmotiviert, obwohl sie nicht auf Tra-

ditionen wie in Schweden zurückgreifen kön- nen, die ihre Forscher problemlos für drei bis sechs Monate freistellen. In Österreich wird dennoch gute Forschung gemacht. Es wäre aber schön, wenn mehr Freiräume dafür ge- schaffen würden, dass also zum Beispiel kurzfristige Freistellungen leichter möglich sind.


?Und wie ist die Forschungslage in der Intensivmedizin?

In der klinischen Intensivmedizin ist Öster- reich sicher top, hier steht alles zur Verfü- gung, was für gute Forschung erforderlich ist – der finanzielle Druck ist noch nicht ausge-

prägt. Das ist für Patienten von Vorteil, aber auch für die Wissenschaft, die in mehreren Arbeitsgruppen hervorragende Arbeit leisten kann. Wün- schenswert wäre jedoch, dass Mediziner aus der Praxis rausgelöst werden können, um auf Basis ihrer Erfahrungen zu forschen. Wir können natür- lich auch Grundlagenforschung betreiben – und manche machen das auch großartig –, aber dafür haben andere Experten, nicht Mediziner, bes- sere Voraussetzungen. Mediziner, die einerseits am Bett des Patienten stehen und andererseits an der Laborbank, könnten eine Brücke bilden. Das sollte gefördert werden.


?Wie steht es um Publikationen? Sind die Publikationen heimischer Forscher international relevant?

Das lässt sich nicht über einen Kamm scheren, weil es dafür zu viele Fachrichtungen gibt und die Erfolge sehr unterschiedlich sind. In Österreich wird aber grundsätzlich im Großen und Ganzen international relevant publiziert.


?Wie bewerten Sie die Forschung an der PMU?

Die PMU sehe ich hier auf derselben Ebene wie andere Unikliniken. Hier funktioniert Forschung ganz gut. Die PMU ist eine junge Universität. Das hat manche Vorteile, etwa dass es leichter ist, neue Ideen und Konzepte umzusetzen. Es hat aber natürlich auch Nachteile, zum Beispiel weil manche Strukturen noch nicht etabliert sind. Grundsätzlich ist die PMU aber mit anderen Unikliniken gut vergleichbar.


?Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Ich möchte sowohl in der Patientenversorgung arbeiten als auch wissenschaftlich tätig bleiben. Ich habe bis letztes Jahr relativ viel Grundlagen- wissenschaft betrieben. Das werde ich aufgeben und mich auf klinisch-medizinische Wissenschaft fokussieren. Im Idealfall kann ich meine klini- schen Erfahrungen in die Wissenschaft einbringen.


?Was würden Sie sich für die medizinische Forschung in Österreich wünschen?

Es wäre schön, wenn sich mithilfe wissenschaftlicher Fellowships nicht nur junge, sondern auch etablierte Mediziner in allen Karrierephasen wis- senschaftlichen Fragen widmen können. Sich für einen überschaubaren Zeitraum aus der klinischen Arbeit herausnehmen zu können, sollte geför- dert werden. Das würde dem Forschungsstandort Österreich sicherlich weiterhelfen.


bw