MEDIZIN Nesselsucht

Schmerz: Forschung in die Praxis bringen

Die Österreichische Schmerzgesellschaft will 2022 Schmerzmedizin erlebbar machen. Eine neue Kampagne setzt auf Bewegung als Schmerzprävention und Schmerztherapie.

Fast zwei Millionen Menschen in Österreich leiden unter chronischen Schmerzen. Eine Verbesserung und Optimierung der schmerzmedizinischen Versorgung ist nach wie vor ein zentrales Thema, an dem die Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) arbeitet. Darüber hinaus sollen die schmerzmedizinische Ausbildung und die Förderung der Schmerzforschung weiter in den Mittelpunkt rücken.


Bewegung trotz Homeoffice

„Bewegung ist eine zentrale therapeutische Maßnahme“, sind sich die Experten der Österreichischen Schmerzgesellschaft einig. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums bewegen sich aber mehr als die Hälfte der österreichischen Erwachsenen und etwa zwei Drittel der Menschen unter 18 Jahren nicht ausreichend. Daher hat die ÖSG gemeinsam mit einer Versicherung die Kampagne „Beweg Dich/Move4you“ ins Leben gerufen. In diesem Rahmen soll mit Plakaten und Foldern in Schmerzambulanzen, Schmerzzentren und Ordinationen über die schmerzreduzierende Wirkung regelmäßiger Bewegung wissenschaftlich fundiert aufgeklärt werden. „Wir wollen auch zeigen, wie sich trotz Homeoffice und Distance Learning

mehr körperliche Aktivität ohne großen Aufwand in den Alltag integrieren lässt."

ÖSG-Präsidentin Dr. Waltraud Stromer zeigt sich erfreut, dass seitens der politisch Verantwortlichen das Thema Schmerz in Österreich durchaus wahrgenommen wird. Mit dem Qualitätsstandard „Unspezifischer Rückenschmerz“ und der „Leitlinie Kreuzschmerz" wurden in den vergangenen Jahren Meilensteine in der Standardisierung gesetzt. „Wir werden uns aber weiter dafür einsetzen, dass diese hohen Qualitätsstandards auch tatsächlich bei den Patienten ankommen können und auf allen Ebenen der Strukturplanung berücksichtigt werden“, so Stromer und ergänzt: „Für eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie unter Covid-Bedingungen braucht es Ideenreichtum und Flexibili- tät.“ So lassen sich Yoga oder Tai-Chi gut zu Hause realisieren, ebenso Meditation oder Entspannungstechniken.

Viele Patienten haben nach Covid Beschwerden – auch Schmerzen in den Gelenken, in Muskeln, Kopf- oder Nerven- schmerzen. Aber nicht alle Beschwerden nach Covid sind auch Teil eines Post-Covid-Syndroms. Schmerzmediziner können dabei helfen, Beschwerden eines Post-Covid-Syndroms von anderen Beschwerden zu unterscheiden“, so Stromer.


Zweitmeinung einholen

Die International Association for the Study of Pain IASP widmet das heurige Jahr dem Thema "Translating Pain Research to Practice". Auch die ÖSG arbeitet heuer zu diesem Thema.

„In Österreich werden auf Basis von Grundlagenforschung in der Bildgebung statt einer Elektrode, wie oft im Ausland, zwei bis zu 1,3 Millimeter dünne Elektroden verwendet, die punktgenau in das Gehirn eingebracht werden. Diese chirur- gische Methode gegen unerträgliche, medikamentös nicht ausreichend behandelbare Schmerzen könne unheilbar schmerzleidenden Menschen nachhaltig helfen“, beschreibt ÖSG-Vizepräsident Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Eisner. Durch diese Eingriffe, die den Endpunkt invasiver Schmerztherapien darstellen, können die Experten die Lebensqualität vieler Schmerzpatienten deutlich verbessern. Als weitere invasive Methoden nennt Eisner auf der Ebene der Wirbelsäule die Verödung schmerzleitender Nerven mittels Kälte oder Hitze.

Die ÖSG rät, vor einem solchen operativen Eingriff eine Zweitmeinung bei Spezialisten aus dem Fachgebiet oder einem benachbarten Fachgebiet einzuholen, um konservative und operative Behandlungsmöglichkeiten im Sinne des Patien- tenwohls abzuwägen. Dabei ist etwa zu klären, ob die konservativen Behandlungsmöglichkeiten wirklich ausgeschöpft sind. Eisner weist auf die Bedeutung medizinischer Leitlinien als Behandlungskorridor für die alltägliche Praxis hin.


rh

FOTOS :ösg