Wenn etabliertepharmazeutische Unternehmenund junge Start-upsgemeinsame Sache machen, istdas gut für Patienten, aber auchden Standort Österreich.
„Nur wenn geforscht wird, können auchneue und innovative Methoden für die Be-handlung von Krankheiten entwickelt wer-den.“
Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig
„Die Impulse, die von Start-ups ausgehen, sind äußerst wertvoll für das Gesundheitssystem generell und für die pharma-zeutische Industrie im Speziellen. Denn neue Ideen, denen von jungen Wissenschaftlern im Rahmen von Start-ups erstesLeben eingehaucht wird, können dank des Engagements etablierter Pharma-Unternehmen zur Reife gebracht werden, in-dem sie sie finanziell unterstützen oder, wie ganz aktuell, für eine Forschungsinfrastruktur sorgen. In letzter Konsequenzprofitieren von dieser gegenseitigen Befruchtung die Patienten durch neue und innovative Behandlungsmethoden“, fasstMag. Martin Munte, Präsident der Pharmig, den Wert dieser Kooperation zusammen. So möchte etwa Boehringer Ingel-heim ausgewählten Start-ups durch Sponsoring die Möglichkeit geben, für einen gewissen Zeitraum rund 1.100 Quadrat-meter neue Laborflächen im Vienna Biocenter zugänglich zu machen. Sie werden ab 2019 bezugsfertig sein und lassendas Unternehmen darauf hoffen, hier neue Produkte und damit Marktchancen zu entwickeln.
Vernetzung fördern
Genau diese Intensivierung der Zusammenarbeit und den Austausch von Know-how hat auch die Biotech-Plattform derPharmig zum Ziel. Sie wurde vor über einem Jahr gegründet, um die Vernetzung der etablierten pharmazeutischen Unter-nehmen und der Biotech-Szene zu fördern. Speziell die Impfstoffentwicklung ist ein Bereich, in dem sich Start-ups enga-gieren. Hier werden häufig vielversprechende Forschungsprojekte von Pharmaunternehmen übernommen. „Die Arzneimit-telentwicklung ist mit extrem viel Zeit, einer aufwendigen Infrastruktur, etwa für die klinischen Prüfungen, und mit hohenKosten verbunden. Durchschnittlich werden bis zu 1,5 Mrd. Euro in die Hand genommen, bis ein Wirkstoff durch den lan-gen Entwicklungsprozess erfolgreich zur Marktreife gebracht und für Patienten verfügbar gemacht wird“, sagt Munte.
Österreich punktet zwar mit einer ausgezeichneten Lebensqualität, einem hohen Bildungsniveau und mit exzellent ausge-bauter medizinischer Infrastruktur. Dem gegenüber stehen jedoch überdurchschnittlich hohe Lohnnebenkosten, arbeits-rechtliche Einschränkungen und eine mangelnde Förderung von Innovation seitens des öffentlichen Sektors. „Das Be-kenntnis der pharmazeutischen Industrie zu Österreich ist da, dennoch sind eine deutliche Senkung der Lohnnebenkostenauf einen europäischen Durchschnitt, ein flexibleres Arbeitszeitrecht sowie mehr politischer und gesellschaftlicher Mut fürNeues notwendig, um den Standort zu stärken. Diese Maßnahmen würden dazu beitragen, die Ansiedlung von Pharmaun-ternehmen zu fördern, anstatt Potenziale unseres Landes zu gefährden“, meint Munte.
Was ein Top-Forschungsstandort braucht
Die aktive heimische Biotech-Szene bringt das Basiswissen aus der Grundlagenforschung zur Anwendung, Biotechnolo-gie trägt umgekehrt dazu bei, Infrastruktur aufzubauen. Es werden dadurch auch neue Jobs beispielsweise für
Post-Doktoranden und PhD-Studenten geschaffen. Das Potenzial an Neugründungen liegt laut einer Erhebung der Wirt-schaftsagentur Wien bei mindestens sechs bis neun Neugründungen pro Jahr. „Das bestehende Angebot ist allerdings beiWeitem nicht ausreichend, auch wenn es eine steigende Zahl an Unternehmen gibt, die sich in Wien niederlassen wollen“,weiß Mag. Eva Czernohorszky, Leiterin der Technologie Services in der Wirtschaftsagentur Wien.
Was für die Zukunft noch fehlt, ist, bei Forschern das Bewusstsein zu verbessern, welche Start-up-Möglichkeiten zur Verfü-gung stehen, so zum Beispiel eine Umwelt zu schaffen, in der Kreativität und Risikofreude gefördert werden. Wichtig wäre,Akademikern Karrieremöglichkeiten auch in der Wirtschaft aufzuzeigen, wofür eine gute Infrastruktur für Start-ups eineGrundvoraussetzung ist. Wollen heimische Spitzenforscher im Rahmen von Start-ups ihre Talente entfalten und bahnbre-chende Ergebnisse zum Nutzen der Medizin erzielen, mangelt es oft an der geeigneten Infrastruktur. Gleichzeitig sind dieMöglichkeiten an Forschungs- und Wirtschaftsförderung durch die Stadt Wien vielfältig: „Von der Grundlagen- bis zur an-gewandten Forschung gibt es viele Förderinstrumente in Österreich. Herausragend ist sicherlich ein Instrument, mit demStart-up-Gründungen mit bis zu einer Million Euro gefördert werden. 2014 wurden in Summe 102 Mio. Euro Förderungenfür Wiener Forschungs- und Entwicklungsprojekte und Investitionsvorhaben in den Life Sciences zugesagt. Rund zwei Drit-tel davon gingen an Forschungseinrichtungen, ein Drittel ging an Unternehmen“, fasst Czernohorszky zusammen. Aller-dings wies die Expertin auch auf fehlende Bausteine hin, um die Start-up-Landschaft noch weiter zu stärken: „Da geht esbeispielsweise darum, schnell und kurzfristig verfügbare Mieteinheiten und Co-Working-Labore zur Verfügung zu haben.Das schnelle Nutzen vorhandener Infrastruktur ist schlicht eine Notwendigkeit. Nicht jeder kann sich eine teure Infrastruk-tur aufbauen.“
Fast track für heimische Forscher
Um den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen, hat die Pharmig daher im Vorjahr eine „Pharmig Biotech Plattform“gegründet, um Jungunternehmer mit etablierten Pharmaunternehmen zusammenzubringen. So soll die Realisierung vonForschungsprojekten im Biotech-Sektor gefördert werden. Im Sinne eines „fast tracks“ können hier schnell und einfachKontakte geknüpft und Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet werden. So soll der Wissenstransfer erleichtert oder auchUnterstützung bei regulatorischen Angelegenheiten geboten werden. Die Pharmig kann aufgrund ihrer Expertise, ihrer Ser-vice- und Netzwerkfunktion dazu beitragen, das Zustandekommen von Forschungsprojekten und damit auch die medizini-sche Innovation für die Behandlung vieler Krankheiten zu fördern.
Die Pharmig Biotech Plattform ist ein Gremium von biotechnologischen Unternehmen und Forschungsinstitutionen. „DieBiotechnologie spielt beispielsweise in der Krebsforschung eine immer größere Rolle. Von einer Förderung dieser interdis-ziplinären Wissenschaft und der heimischen Biotechnologie-Szene profitieren daher letztlich auch die Patienten, denn nurwenn geforscht wird, können auch neue und innovative Methoden für die Behandlung von Krankheiten entwickelt werden.Speziell für Jungunternehmer bietet die Plattform daher eine Hilfestellung auf dem Weg zur Zulassung eines Arzneimittels“,sagt Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig.
„Junge Forscher müssen schnell und ein-fach Kontakte knüpfen und Kooperations-möglichkeiten ausloten.“
Mag. Martin Munte, Präsident der Pharmig
„Wir verzeichnen sechs bis neun Neugrün-dungen pro Jahr, doch das bestehende An-gebot an Infrastruktur ist dafür bei Weitemnicht ausreichend.“
Mag. Eva Czernohorszky, Leiterin der Technologie Services inder Wirtschaftsagentur Wien
Wichtige Kontaktadressen für Start ups
•www.usp.gv.at: Das USP-Unternehmensserviceportal ist der zentrale „One-Stop-Shop“ für Wirtschaftstreibende.