Allergisches
Asthma versus Covid- 19: Unterscheidung in der Praxis
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Oft ähneln sich allergische Erkrankungen und virale Infekte der Atemwege in ihrer klinischen Präsentati- on. Die Beschwerden können leicht verwechselt werden oder zu differentialdiagnostischer Unsicher- heit führen. Zur Vermeidung von Fehldiagnosen gilt es, auf zehn Hinweise zu achten.
Fallbeispiel: Daniel R. (31) ist wegen seines Gesundheitszustandes sehr beunruhigt. Er ist in einer EDV-Firma angestellt und betreibt seit mehreren Wochen Homeoffice. Prinzipiell hält er sich an die Vorgaben zum „Social Distancing“ der Regierung, weswegen er eine Infektion mit dem Coronavi-
rus eigentlich ausschließt. Jedoch hatte er vor einer Woche im Supermarkt eingekauft und als er mit seinem Einkaufswagen an der Kasse stand, hinter sich einen unproduktiven Husten vernommen. Zudem führte er beim Verstauen der Waren in den Pkw einige Telefonate mit dem Handy. An- schließend widmete sich Daniel seinem Garten. Seither bemerkt er zunehmenden unproduktiv-trockenen Husten, einige Male auch Atembeschwer- den, Engegefühl des Thorax und Kratzen im Hals.
Daniel leidet bereits seit längerer Zeit an einer allergischen Rhinitis und seit drei Jahren auch an einem leichten Asthma auf Birkenpollen, üblicher- weise beginnen die Beschwerden jedoch erst im April und nicht schon – wie jetzt – Anfang Februar. Er bittet daher seinen Hausarzt um eine Ein- schätzung der Situation.
Differentialdiagnostische Hinweise
1Unproduktiver trockener Husten ist nicht nur bei Covid-19 ein Leitsymptom, sondern kommt auch bei Asthma bronchiale häufig vor, besonders bei beziehungsweise nach körperlicher Anstrengung. Im Gegensatz zu Covid-19 sistiert dieser Husten meist sehr rasch nach Inhalation eines schnell wirkenden Beta-Mimetikums wie auch eines Kombinationspräparates mit einem inhalativen Kortison.
Typisch für Asthma bronchiale ist bei Exazerbation die Atemeinschränkung, die sich bis zur Atemnot steigern kann, meist verbunden mit giemen- den, pfeifenden, brummenden oder rasselnden Atemgeräuschen sowie einem verlängerten Exspirium und Besserung auf Inhalation eines Beta- Mimetikums.
2Atemnot ist ebenfalls ein oft beschriebenes Symptom bei Covid-19. Diese wird meist verursacht durch eine Sauerstoff-Diffusionsstörung und tritt meist erst mit Beginn der Pneumonie auf. Sie äußert sich durch Kurzatmigkeit aufgrund der Hypoxie, geht nicht mit spastischen Atemgeräuschen einher und wird auch nicht durch die Inhalation von Beta-Mimetika vermindert.
3 Saisonale allergische Beschwerden der Atemwege treten immer zur selben Jahreszeit auf. Ein Zusammentreffen mit der bestehenden Pande- mie ist bei Frühblüherallergie als Zufall zu betrachten. Dass der Patient im Fallbeispiel bereits Mitte März auf Birkenpollen reagiert, ist die Folge des milden Frühlings, da die Pollenzeit der Birke und der Esche bereits früher als sonst begann. Die Blütezeit der Gräser ist Anfang Mai zu erwarten. Auch die Hasel und die Erle produzieren Allergene, welche mit Birkenallergen eng verwandt sind. Diese Pflanzen blühen aufgrund des Klimawan- dels schon im Jänner, gelegentlich sogar im Dezember und können Ursache für ein saisonales Asthma auf Frühblüher sein. Die Hyperreaktivität der Atemwege nimmt kontinuierlich zu, die Symptome werden immer häufiger und intensiver.
Bei ganzjährigen Allergenen (z. B. Hausstaubmilben, Tierhaare) ist das Asthma anamnestisch leicht auf die auslösenden Situationen zurückzufüh- ren (Staubsaugen, Bettenmachen, Tierkontakt etc.). Covid-19 ist dagegen geprägt von einem plötzlichen Krankheitsbeginn. Der Husten und die Atembeschwerden treten daher unabhängig von der saisonalen Allergenbelastung auf, sondern sind ein Teil der viralen Erkrankungssymp-tome.
4 Neben trockenem Husten ist das zweite Hauptsymptom von Covid-19 allmählich oder rapide ansteigendes Fieber, unter Umständen bis über 39 °C oder 40 °C. Bei allergischem Asthma tritt Fieber praktisch nie auf.
5 Bei Covid-19 werden gelegentlich Halsschmerzen und Lymphknotenschwellungen beschrieben. Diese unterscheiden sich deutlich von krat- zenden oder juckenden Rachenbeschwerden im Rahmen eines Oralen Allergie-Syndroms (OAS), das bei Birkenpollenallergie häufig vorkommt (verbunden mit Juckreiz der Konjunktiven, der Gehörgänge, des Gaumens und mit Rhinitis bei Genuss von Stein- und Kernobst, Kiwis oder Nüssen).
6 Die allergische Rhinitis kann sowohl als obstruktive Rhinopathie als auch als Fließschnupfen imponieren, meist einhergehend mit Juck- und Niesreiz, bei begleitender allergischer Konjunktivitis mit Rötung der Conjunctiva palpebrae bzw. bulbi, Fremdkörpergefühl, Brennen der Augenlider oder einfach nur Juckreiz der Carunculae. Die Nasenbeteiligung bei Covid-19 zeigt entweder obstruktiven Charakter ohne Juckreiz oder Niesanfäl- le und Fließschnupfen.
7 Typische virusassoziierte Symptome wie Muskel- oder Gelenkschmerzen treten bei allergischen Erkrankungen der Atemwege nie auf, Stirn- Kopfschmerz findet sich mitunter bei chronischer Sinusitis, in erster Linie bei ganzjährigen Allergien. Kopfschmerzen bei Covid-19 werden eher als helmartig und massiv beschrieben.
8 Geruchs- und Geschmacksverlust treten bei Covid-19 gelegentlich auf, bei allergischen Erkrankungen kann eine Beeinträchtigung des Rich- vermögens bei besonders starker Beteiligung der Nasenschleimhaut vorkommen.
9 Übelkeit und Erbrechen oder Durchfall könnten auch durch Nahrungsmittelallergien oder -intoleranzen ausgelöst werden. Dabei geben das gesamte Krankheitsbild und die Anamnese differentialdiagnostischen Aufschluss.
10 Letztlich ist die abnorm starke Müdigkeit und Abgeschlagenheit auch in Ruhe schon zu Beginn der Viruserkrankung auffällig. Ein schwerer Asthmaanfall kann zu Erschöpfung der Atemmuskulatur führen, im Vordergrund steht jedoch immer der Bronchospasmus. Müdigkeit und Abge- schlagenheit treten bei allergischen Beschwerden nicht selten in Verbindung mit Juckreiz der Nase oder der Konjunktiven auf, besonders wenn dadurch die Nachtruhe gestört wird. Oft führt in diesem Fall die abendliche Einnahme eines Antihistaminikums zu einer deutlichen Verbesserung des Schlafes und dadurch tagsüber auch eine erhöhte Vigilanz.
Empfehlungen zur Kortikosteroid-Therapie
Die Diskussion über den therapeutischen Wert von systemischen Kortikosteroiden bei Covid-19 ist noch nicht eindeutig geklärt. Bei vorbestehen- dem Asthma sollte die bewährte inhalative Kortikosteroid-Therapie nicht abgesetzt werden. Bronchopulmonale Virusinfekte führen häufig auch zur Exazerbation des Asthmas. Eine Reduktion der Therapie um das wichtigste „Asthma-stabilisierende“ Medikament sollte unbedingt vermieden wer- den. Diesbezügliche Empfehlungen und Stellungnahmen wurden auch von der Deutschen und Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie ausgegeben.