MEDIZIN | Mikrobiom

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Ernährung und Darm- Mikrobiom

Ein internationales Team aus Wissenschaftlern um die Mikrobiologen Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr. Alexan- der Loy von der Universität Wien und Prof. Dr. Da- vid Schleheck von der Universität Konstanz hat me- tabolische Fähigkeiten von Darmbakterien untersucht.

Die Forscher haben analysiert, wie Mikroben im Darm den pflanzlichen Schwefelzucker Sulfoquinovose verarbeiten. Die Studie ergab, dass spezia- lisierte Bakterien bei der Verwertung des Schwefelzuckers kooperieren und dabei Schwefelwasserstoff produzieren. Dieses Gas – bekannt für sei- nen Geruch nach faulen Eiern – hat ambivalente Effekte auf die Gesundheit: In niedriger Konzentration wirkt es entzündungshemmend. Große Men- gen Schwefelwasserstoff im Darm werden wiederum mit Erkrankungen wie Krebs in Verbindung gebracht.  Mit dem Verzehr einer einzigen Gemü- sesorte wie Spinat gelangen Hunderte chemischer Komponenten in unseren Verdauungstrakt. Dort werden sie vom Darm-Mikrobiom weiter umge- setzt. Das Mikrobiom im Darm bestimmt damit wesentlich mit, wie sich Ernährung auf unsere Gesundheit auswirkt. Bisher sind die metabolischen Fähigkeiten vieler dieser Mikroorganismen des Mikrobioms aber noch unbekannt. Indem erstmals der mikrobielle Stoffwechsel des Schwefelzu- ckers Sulfoquinovose im Darm erforscht wurde, konnte mehr Licht in diese Blackbox gebracht werden. Die Studie generiert damit Wissen, das not- wendig ist, um die Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Mikrobiom in Zukunft therapeutisch gezielt beeinflussen zu können.


Schwefelzucker aus grünen Pflanzen und Algen

Sulfoquinovose ist ein Schwefelzucker, der als chemischer Baustein vor allem in grünem Gemüse wie Spinat, Salat und in Algen zu finden ist. Aus vorhergehenden Studien der Arbeitsgruppe an der Universität Konstanz war bekannt, dass andere Mikroorganismen den Schwefelzucker prinzipiell als Nährstoff nutzen können. In dieser Studie ermittelten die Forscher über Analysen von Stuhlproben, wie diese Prozesse spezifisch im menschli- chen Darm ablaufen. „Wir konnten nun zeigen, dass die Sulfoquinovose anders als beispielsweise Glukose, die eine Vielzahl von Mikroorganismen im Darm ernährt, das Wachstum ganz spezifischer Schlüsselorganismen im Darm-Mikrobiom stimuliert“, sagt Schleheck. Zu diesen Schlüsselorga- nismen zähle das Bakterium der Art Eubacterium rectale, das zu den zehn häufigsten Darmmikroben bei gesunden Menschen gehöre. „Die E. rec- tale Bakterien fermentieren Sulfoquinovose über einen von uns erst kürzlich entschlüsselten Stoffwechselweg und produzieren dabei unter anderem eine Schwefelverbindung, Dihydroxypropansulfonat oder kurz DHPS, welche wiederum anderen Darmbakterien wie Bilophila wadsworthia als Ener- giequelle dient. Bilophila wadsworthia produziert aus DHPS letztendlich Schwefelwasserstoff über einen ebenfalls erst kürzlich entdeckten Stoff- wechselweg“, erläutert der Mikrobiologe.


Schwefelwasserstoff im Darm

Schwefelwasserstoff wird im Darm sowohl von unseren eigenen Körperzellen als auch von spezialisierten Mikroorganismen hergestellt und hat viel- fältige Auswirkungen auf unseren Körper. „Dieses Gas ist ein janusköpfiges Stoffwechselprodukt“, erklärt Loy. Nach aktuellem Wissensstand kann es positiv, aber auch negativ auf die Darmgesundheit wirken. „Entscheidend ist die Dosis: In niedriger Menge kann Schwefelwasserstoff unter an- derem eine entzündungshemmende Wirkung auf die Darmschleimhaut haben“, sagt Loy. Vermehrte Schwefelwasserstoffproduktion durch Darmmi- kroben ist hingegen mit chronisch entzündlichen Erkrankungen und Krebs assoziiert. Bislang waren hauptsächlich Sulfat und Taurin, das in Folge einer fleisch- oder fettreichen Ernährung vermehrt im Darm vorkommt, als Schwefelwasserstoffquelle für Mikroorganismen bekannt. Die Entde- ckung, dass Sulfoquinovose aus grünen Nahrungsmitteln wie Spinat und Algen ebenfalls zur Produktion des Gases im Darm beiträgt, kam daher überraschend. „ Weitere Studien sollen klären, ob und wie die Einnahme des pflanzlichen Schwefelzuckers gesundheitsfördernd wirken kann.


rh