PRAXEN & IMMOBILIEN | Rohdachböden

Ein Rohdachboden in der Einsiedlergasse im 5. Bezirk. 3SI-Geschäftsführer Michael Schmidt (links) empfiehlt angehenden Bauherren, sich genug Zeit für die Planung zu nehmen.

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Die Umwandlung von Rohdachböden in Wohnraum hilft der Bodenversiegelung entgegenzutreten.

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foto: 3SI, ENGEL & VÖLKERS WIEN COMMERCIAL, WINEGG

Die Königsdisziplin des Bauens

Der Weg vom Rohdachboden zur persönli- chen Traumwohnung über den Dächern ist mit vielen Herausforderungen verbunden. Und nicht unbeträchtlichen Kosten.

Hoch über den Dächern der Stadt zu wohnen in einer Wohnung, die gänzlich nach dem eigenen Geschmack errichtet wurde, gehört sicher zu den größten Träumen vieler Menschen, was auch die starke Nachfrage nach Rohdachböden und teils überambitionierte Preise erklärt. Doch der Weg zur Traum-Dachgeschoßwohnung kann nicht nur in finanzieller Hinsicht steinig sein, sondern ist auch mit etlichen rechtlichen und baulichen Hürden verbunden. Nicht zuletzt mit Hinblick auf den Klimawandel und um der Bodenversiegelung und Ressourcenverschwendung entgegenzutreten, ergibt es jedoch sicher Sinn, sich mit solchen Projekten auseinanderzusetzen. „Die aktuellen Entwicklungen im Bereich des Wohnbaus zielen auf eine weitere Verdichtung im städtischen Raum ab“, bringt es Mag. Christian Sommer, Geschäftsführer von Engel & Völkers Wien Commercial, auf den Punkt. In diesem Zusammenhang würden sich Rohdachböden anbieten, die in hochwertigen Wohnraum umgewandelt werden könnten. Selbst die steigenden Baukosten würden diese Entwicklung nicht verhindern, da die dabei erzielbaren Verkaufspreise weit über den durchschnittlich erzielbaren Preisen lägen.

Das Angebot an Rohdachböden in Wien ist mangels einschlägiger Studien oder Erhebungen nur schwer einzuschätzen. Laut einem aktuellen Marktbericht von Otto Immobilien gab es in der Bundeshauptstadt mit Stichtag 14.1.2022 rund 13.725 klassische

Gründerzeit-Zinshäuser und damit um rund 1.800 weniger als 2009. Dahinter stehe vor allem die Begründung von Wohnungseigentum. Denn zu Abrissen von Gründerzeit- Zinshäusern komme es aufgrund ihrer hohen baulichen Qualität bzw. Adaptierbarkeit eher selten, so die Researcher von Otto Immobilien.


Extremes Dachausbau-Potenzial in Wien

Ing. Michael Schmidt, Geschäftsführer der 3SI Immogroup, geht davon aus, dass in Wien ein paar Tausend Rohdachböden noch nicht ausgebaut seien und hier dahingehend ein „extremes Potenzial schlummere“. „Durch die finanzielle Förderung von Nachverdichtung im Bestand und eventuelle Erleichterungen von Bauvorschriften bei Dachböden und Zinshäusern wäre meiner Meinung nach die Neuschaffung von Hunderttausenden Quadratmetern möglich – und das mit bereits bester Infrastruktur, die nicht extra geschaffen werden müsste“, sagt er. Aktuell werden jedenfalls in Wien viele Projekte realisiert. Die Baupolizei soll jedes Jahr um die 900 Bewilligungen ausstellen.

So groß das Potenzial auch sein mag, nicht von der Hand zu weisen ist, dass mit dem

Ausbau von Rohdachböden nicht wenige Herausforderungen verbunden sind. Vor allem dann, wenn es sich beim betreffenden Haus um ein „Wohnungseigentumshaus“ handelt, wo alle Wohneinheiten unterschiedlichen Eigentümern gehören. In so einem Fall muss bei wesentlichen Eingriffen in die Interessen der Miteigentümer, wozu ein Dachbodenausbau gehört, die Zustimmung aller anderen Eigentümer eingeholt werden. Zumal sich durch die Schaffung zusätzlicher Flächen auch die Miteigentumsanteile am Haus ändern.

Völlig anders ist die Ausgangslage, wenn das Haus im Eigentum einer einzelnen Person ist. Dann steht dem Dachbodenausbau in zivilrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nichts im Wege. Allerdings ist es entscheidend, dass keiner der Mitbewohner oder Mieter Nutzungsrechte am betreffenden Dachboden hat, da ansonsten Streitigkeiten nahezu vorprogrammiert sind. Für gewöhnlich sind Dachbodenflächen nicht an die Wohnungsmieter mitvermietet und bestehen – anders als bei Spielplätzen, sonstigen Gemeinschaftsanlagen oder Stiegenhausflächen, die zum Erreichen der Mietwohnungen notwendig sind – auch keine Mitbenützungsrechte daran, erklärt Dr. Leonhard Göbel, Rechtsanwalt und Partner bei Nepraunik & Prammer. Wurden einem Mieter allerdings doch Nutzungsrechte an den Dachbodenflächen – etwa zur Lagerung von Sachen oder zum Wäscheaufhängen – eingeräumt, bedarf es einer Lösung mit dem Mieter. Die kann so aussehen, dass ihm eine alternative Fläche oder eine Ausgleichszahlung angeboten wird.


Viele Hürden

In baurechtlicher Hinsicht gilt es wiederum, sich an die aktuellen Bauvorschriften zu halten, die im Altbau oft schwierig umzusetzen seien. Das betreffe etwa die verpflichtend umzusetzende Barrierefreiheit vom Eingang bis zum Lift, weil im Eingangsbereich in der Regel Stufen seien. Nachsatz des 3SI-Geschäftsführers: „Hier muss etwa zusätzlich ein Sessellift eingebaut werden.“

Experten bestätigen jedenfalls, dass es beim Ausbau von Dachgeschoßen viele Hürden gibt, die man unbedingt im Vorfeld berücksichtigen müsse. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich baut man ja in der Regel auf ein über hundert Jahre altes Haus und die bestehende Substanz auf. Und was man auch nicht vergessen darf: Meist ist das Objekt auch zum Teil bewohnt, was eine sehr genaue Planung erfordert. „Ebenso ist es essenziell, die Statik des bestehenden Hauses von Beginn der Planung an genau zu kennen und zu berücksichtigen“, fügt Schmidt hinzu.

Dem besonderen Reiz, eine Wohnung hoch über den Dächern der Stadt zu realisieren,

die genau den eigenen Wünschen und Vorstellungen entspricht, tun auch die damit verbundenen Herausforderungen keinen Abbruch. Wichtig ist es jedenfalls, von Anfang an Profis zur Beratung hinzuzuziehen und sich viel Zeit für die genaue Planung zu nehmen. Auch sollte der Sparstift nicht an der falschen Stelle angesetzt werden wie etwa bei der Baufirma. Für Schmidt ist der Dachbodenausbau nicht von ungefähr die „Königsdisziplin des Bauens“. „Hier sollten einem keine Fehler unterlaufen, da das sehr kostspielige Folgen haben könnte.“

Im Zuge der Revitalisierung des 1877 erbauten Gründerzeithauses „The Heritage“ in der Dißlergasse 8 in Wien-Erdberg hat die 3SI Immogroup unter anderem vier exklusive Dachgeschoßwohnungen mit Wohnflächen von 44 bis 162 m2 errichtet. Ein besonderer Fokus wurde auf den Erhalt und die Wiederherstellung der ursprünglichen Bausubstanz gelegt. Wer eines dieser Dachgeschoß- Juwelen sein Eigen nennen möchte muss bis zu 2,32 Millionen Euro auf den Tisch legen.


pb