MEDIZIN | Allergie 

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Update Allergien

Kaum beginnt es im Frühling zu blühen, bricht für Allergiker eine besonders schwierige Zeit an. Aller- gieexpertin Prim. Dr. Andrea Zleptnig kennt aktuelle Erkenntnisse der Allergieforschung und bittet Kolle- gen um Unterstützung, wenn Allergieverdacht besteht.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Karin Buchart vom Euro- päischen Institut für Angewandte Pflanzenheilkunde wid- met sich Prim. Dr. Andrea Zleptnig der Patientenaufklä- rung. So wurde erst kürzlich im Rahmen eines Webinars des forum. ernährung heute über den Unterschied zwi- schen Allergie und Unverträglichkeit referiert und Patienten konkrete Tipps zum Alltag mit Allergien gegeben. Außer- dem sorgt Zleptnig für die Identifizierung von Allergieaus-

lösern und die individuelle Therapie bis hin zur Heilung und Vermeidung von Folgeer- krankungen wie Asthma.


?Sind die Zahlen von Allergikern im Steigen begriffen oder täuscht das – mögli- cherweise weil viele Menschen den Unterschied zwischen Unverträglichkeit und Allergie nicht kennen?

Eventuell wird dem Thema Allergie mehr Aufmerksamkeit als früher geschenkt, da sich Therapie und Diagnostik verbessert haben, und man hat den Eindruck, die Zahlen sind

steigend. Allerdings spielen sicherlich Umweltfaktoren wie Klimawandel, Umweltverschmutzung und Schadstoffe oder übertriebene Hygiene ent- scheidende Rollen. Unverträglichkeiten sind häufig und viele Patienten verwechseln die Begriffe Allergie und Intoleranz, doch auch Allergien kom- men häufig vor – die Lebenszeitprävalenz für beispielsweise allergische Rhinitis, Asthma bronchiale und atopische Dermatitis liegt bei 23 %.


?Nehmen auch Kreuzreaktionen zu? Was ist die Ursache für Kreuzallergien?

Bei Pollen- oder Latexallergikern treten häufig sogenannte Kreuzallergien auf. Bestimmte Nahrungsmittelproteine sind beispielsweise Pollen sehr ähnlich und das Immunsystem „verwechselt“ diese. Die Lebensmittel werden plötzlich auch als „Feind“ betrachtet. Typisch ist das orale Allergie Syndrom (OAS) mit Kribbeln im Mund, juckender Zunge, geschwollenen Lippen. Beispiele hierfür sind bei Baumpollenallergikern Kern- und Stein- obst, Kiwi und Karotte im Rohzustand genossen oder Gewürze und Sellerie bei Beifußallergikern. Hier spricht man vom „Sellerie-Beifuß-Gewürz- Syndrom“.


?Haben sich Allergien im Laufe der Jahre verändert oder sind es noch immer die gleichen Allergene, auf die Menschen reagieren?

Gesundheitlich immer mehr relevant wird die Ausbreitung von Neophyten wie der Ambrosiapflanze oder Beifußblättrigen Traubenkraut, im Zuge des Klimawandels muss man sich mittlerweile mit einem möglicherweise ganzjährigen Pollenflug auseinandersetzen. Auch neue Nahrungsmittel- trends wie exotische Gewürze, Meeresfrüchte und Schalentiere und sogenanntes Superfood lenken die Aufmerksamkeit auf bislang seltene Allergene.


?Was gehört zu den eher ungewöhnlichen oder seltenen Symptomen?

Typische Allergiesymptome sind die allergische Rhinokonjunktivitis, der klassische Heuschnupfen), Atembeschwerden bzw. allergisches Asthma, an der Haut Urticaria, den Magen- Darm-Trakt betreffend Erbrechen. Seltener sind Durchfall und Müdigkeit. Ungewöhnliche Beispiele wären Son- derformen wie die WDEIA, die Weizenabhängige anstrengungsinduzierte Anaphylaxie. Die Weizenallergie tritt nur in Zusammenhang mit verstär- kenden Faktoren wie Sport nach Genuss von Weizen, Alkohol, Stress oder Medikamenten (NSAR) auf. Eher ungewöhnlich ist auch das Alpha-Gal- Syndrom, eine verzögerte Soforttypallergie gegen rotes Säugetierfleisch. Beschwerden treten erst Stunden nach Konsum von Rind-, Lamm- oder Schweinefleisch auf.


?Patienten scheuen häufig die langen „Austestungsphasen“, um einer Aller- gie oder Unverträglichkeit auf die Spur zu kommen. Womit haben sie tatsäch- lich zu rechnen?

Der erste Weg bei Verdacht auf Allergie oder Unverträglichkeit sollte zum Hausarzt oder Kinderarzt führen. Steht eine weitere Abklärung im Raum, empfehlen wir in un- seren Ambulatorien den Patienten, sich nach Terminvereinbarung rund zwei Stun- den Zeit zu nehmen.


?Was sind die Gefahren einer unbehandelten Allergie oder Unverträglichkeit?

Eine unbehandelte Rhinoconjunctivitis, die sich von Saison zu Saison verschlech- tert, kann in ein allergisches Asthma übergehen. Schwere Nahrungsmittelallergien wie „echte“ Nussallergien können unentdeckt auch zum Tod führen. Unverträglich- keiten verlaufen in der Regel nicht so schwer, können aber für Patienten im Alltag sehr belastend sein.

Patienten, die mit Rhinoconjunktivitis vorstellig werden, die sich von Saison zu Sai- son verschlechtert, wenn Antihistaminika nicht mehr ausreichend helfen oder mit

Dyspnoe, sollten unbedingt allergologisch abgeklärt werden. Ebenso, wenn nach Genuss von Nahrungsmitteln Hautausschläge, Schwellungen, Luftnot oder Schluckbeschwerden auftreten, kann in der Allergieambulanz geholfen werden.


?Welche Testverfahren stehen derzeit zur Verfügung?

Die Soforttyp-Allergie wird mittels Hauttests, dem sogenannten Prick-Test, und Serologie der spezifischen IgE-Antikörper nachgewiesen. Intoleran- zen, etwa gegen Laktose und Fruktose, können mittels H2-Atemtests detektiert werden. Histamin ist hierbei ein Sonderfall – die Bestimmung der DAO (Diaminoxidase) ist leider nicht sehr zuverlässig. Es handelt sich vielmehr um eine klinische Diagnose mit Therapieversuch einer Auslassdiät über einige Wochen.


?Was sind die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema? Warum reagieren manche Menschen empfindlich auf harm- lose Substanzen?

Die Genese der Allergien ist multifaktoriell, eine Entwicklung ist in jedem Alter möglich. Einerseits gibt es eine familiäre Neigung zu Allergien, auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle, andererseits schadet verstärkte Hygiene. Laut der „Bauernhof-Theorie“ treten bei der ländlichen Bevölkerung durch frühen Kontakt mit beispielsweise Stallstäuben weniger Allergien auf.


?Was erwarten Sie für die nächsten Jahre für die Allergieforschung?

Seit Dezember 2020 ist die erste standardisierte orale Immuntherapie bei Erdnussallergie für Patienten bis zum 18. Geburtstag zugelassen (Palfor- zia). Ziel ist bei Einnahme von stetig steigenden Dosen in drei Phasen, teils stationär, teils ambulant, um die Wahrscheinlichkeit und den Schwere- grad von allergischen Reaktionen zu mindern. Ich erwarte, dass in den nächsten Jahren auch eine orale und eventuell subkutane Immuntherapie für andere relevante Nahrungsmittelallergene auf den Markt kommen könnte.


rh

Allergieexpertin Prim. Dr. Andrea Zleptnig, Allergieambulatorium Innere Stadt, 1010 Wien,

Allergie-Ambulatorium Rennweg,

1030 Wien

Trigger, die allergische Symptome verstärken


• Alkohol macht die Darmschleimhaut durchlässiger, vor allem alkoholische Getränke mit mehr als zehn Volumenprozent Alkohol.

• Koffein

• Saponine: Diese Pflanzenwirkstoffe setzen die Oberflächen- spannung von Wasser herab, dadurch gelangen größere Protein- bruchstücke durch die Darmschleimhaut. Saponine aktivieren die T-Lymphozyten. Sie kommen vor allem in Hülsenfrüchten vor. Den Schaum nach dem Kochen abzuschöpfen hilft ein wenig.

• Konservierungsstoffe in Lebensmitteln und Speisen stören das Mikrobiom im Darm und verstärken die Immunreaktion.

• Physische und psychische Anstrengung

Nachgefragt bei ...

Dr. Karin Buchart, Europäisches Institut für Angewandte

Pflanzenheilkunde, Lehrbeauftragte der Universität Salzburg,

Ernährungswissenschafterin, Autorin & Kolumnistin

(www.buchart.at) zu Maßnahmen, die allergische Symptome

vermindern.


Gut und lang kochen: Speisen, die lang gekocht wurden, haben meistens ein geringeres

allergisches Potenzial. Proteine werden dabei denaturiert und Polyphenole – zum Beispiel

Flavonoide, die den Lebensmitteln oft rote, violette, blaue oder hellbraune/gelbliche

Farben verleihen – werden herausgekocht und bioverfügbar. Flavonoide wie beispielsweise

Quercetin aus Äpfeln oder Gelber Zwiebel wirken immunmodulierend, also ausgleichend auf das Immunsystem. Quercetin hemmt die Histaminausschüttung. Zudem quellen beim Kochen lösliche Ballaststoffe, zum Beispiel Pektin aus Äpfeln oder Inulin aus Karotten, auf und mindern die Proteinresorption und damit die Allergenexposition.


Magen: Der Magen muss einen sehr sauren pH-Wert von etwa 1,5 erreichen, damit er die Proteine gut zerlegen kann. Wenn der Magen schwächelt und zu wenig Säure produziert oder aufgrund von Protonenpumpenblockern, kommen zu große Proteinbruchstücke in den Darm, werden als körperfremd eingestuft und vom Immunsystem attackiert. Bitterstoffe stärken die Magensaftausschüttung. Fermentierte Lebensmittel und Getränke stärken das Mikrobiom.