KUR & GESUNDHEITSVORSORGE | Arthrose

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Physikalische Medizin in der Behandlung der Coxarthrose

Arthrosen zählen zu den häufigsten Ursachen für Schmerzen, Bewe- gungseinschränkungen und funktionellen Defiziten am Bewegungs- apparat. Arthrotische Gelenke können ubiquitär und sehr häufig auftreten.

Arthrosen sind Gelenksveränderungen, die unter anderem durch die Ausdünnung des Gelenksknorpels, Sklerosezonen in den angrenzenden Knochenanteilen und die Entstehung von Osteophyten charakterisiert sind. Medizinischen Synonyme sind die Begriffe Osteoarthrose, Arthrosis deformans und im englischen Sprachgebrauch als Osteoarthritis oder Osteoarthrosis.


Generation 60+ stärker betroffen

Bei einer telefonischen Erhebung von Gesundheitsdaten, durchgeführt

von der Statistik Austria im Jahr 2014, wurden 38.768 Personen über 15 Jahren unter anderem gefragt, ob sie an einer Arthrose leiden. 8,3 % der Männer und 15,4 % der Frauen gaben eine Arthroseprävalenz an. Bereinigt auf eine ärztlich diagnostizierte Ar- throse waren immer noch 7,0 % der Männer und 13,8 % der Frauen von einer Arthrose betroffen. Besonders stark war die Grup- pe der über 60-jährigen Befragten betroffen. In dieser Alterskategorie haben die Männer bis zu 19,2 % und die Frauen bis zu 38,8 % ärztlich diagnostizierte Arthrosen angegeben.

Neben der am häufigsten diagnostizierten Arthrose, der Gonarthrose, ist auch die Coxarthrose im Spitzenfeld der Nennungen. Die zeigt sich auch bei der Statistik von Hüftgelenksoperationen, die Österreich 2012 europaweit auf den zweiten Platz mit fast 300 Hüftgelenksendoprothesen pro 100.000 Einwohner reiht. Die Osteoarthrose zählt aber nicht nur in Österreich zu den häu- figsten Gelenkserkrankungen, sondern ist laut der Weltgesundheitsorganisation auch die häufigste pathologische Gelenksver- änderung weltweit. Sie bringt für die Betroffenen nicht nur Einschränkungen in der Mobilität, der Teilhabe im Alltag und der Le- bensqualität, sie bedeutet auch für die Allgemeinheit entsprechende Kosten durch Krankenbehandlungen, verminderte Er- werbsfähigkeit und sogar Pflegebedürftigkeit, sodass sowohl die Therapie als auch die Prävention der Arthrose volkswirtschaft- lich gesehen von allgemeinem Interesse und höchster Bedeutung ist.


Einflussfaktoren kontrovers diskutiert

Den Osteoarthritiden der Hüft- und Kniegelenke wird eine multifaktorielle Ätiologie zugeschrieben. Wenn mehrere Risikofaktoren gleichzeitig auftreten, erhöht sich nochmals die Möglichkeit, frühzeitig an einer symptomatischen Arthrose zu erkranken. Die we- sentlichen Risikofaktoren können in beeinflussbare und nicht beeinflussbare Faktoren eingeteilt werden.

Zu den nicht beeinflussbaren Faktoren zählen weibliches Geschlecht, genetische Prädisposition und fortgeschrittenes Alter. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein höheres Lebensalter nicht zwingend zur Entwicklung von Arthrosen führt, vor allem dann nicht, wenn keine biomechanische oder biochemische Risikokonstellation besteht und das Gelenk bis ins höhere Alter eine belastungsadäquate Stabilität und Funktionalität beibehält.

Als potenziell beeinflussbar gelten die Überlastung der muskuloskelettalen Strukturen, Übergewicht und ein erhöhter Body Mass Index BMI, erlittene Verletzungen, Gelenksdeformitäten und die muskuläre Insuffizienz. Auf die Hüfte bezogen, betrifft das die Glutealmuskulatur und hier vor allem den Musculus glutaeus medius. Auch eine unterschiedliche Beinlänge gilt als zusätzlicher Risikofaktor. Kontrovers diskutiert werden hormonelle Einflüsse durch Hormonersatztherapien. Übergewicht und Bewegungs- mangel stellen meist eine korrespondierende Problematik dar, wobei die Inaktivität schmerbedingt getriggert sein kann. Aber auch Angst vor bewegungsinduzierten Schmerzen und Stürzen kann physische Aktivitäten limitieren und damit den Bewe- gungsmangel verstärken.


Bewegung hilft

Die Physikalische Medizin bietet ein vielfältiges konservatives Therapieangebot für Arthrosepatienten, hat aber durchaus auch Aufgaben in der Prävention dieser häufigen Gelenksveränderung. Nicht zuletzt ist auch die stationäre oder ambulante Rehabili- tation nach Gelenksimplantaten ein wesentliches Einsatzgebiet der Physikalischen Medizin.

Im Rahmen der Primärprävention, das heißt der Gesundheitsförderung wird unter anderem das Vermeiden von Übergewicht empfohlen. Besonderer Wert wird auf die regelmäßige Bewegung nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation WHO gelegt. Diese Empfehlungen umfassen 150 Minuten Ausdauertraining mittlerer Belastungsstufe oder 75 Minuten höherer Intensi- tät. In Richtung Arthroseprophylaxe wird aber auch dem schwerpunktmäßigen, zweimaligen Krafttraining pro Woche sehr große Bedeutung zugeschrieben. Speziell ist darauf hinzuweisen, dass moderate Sportausübung keinen Risikofaktor für ein vermehr-

tes Auftreten einer Arthrose darstellt. Ein Ausdauertraining mit zyklischen Belastungen und Entlastungen verbessert die lokale Versorgung in den Ge- lenken und erhöht auf Sicht die Belastbarkeit des Knorpels. Zusammenfas- send ist eine verbesserte Gelenksfunktion durch moderate Bewegung zu erwarten, so dass allgemein zur präventiven Bewegung geraten werden soll.

Definitionsgemäß fällt in den Bereich der Sekundärprävention die frühzeiti- ge Diagnostik und Behandlung von Erkrankungen mit dem Ziel, das Fort- schreiten der Erkrankung zu verhindern. Das Ziel der Tertiärprävention ist es, bei bestehenden Krankheiten, auch in fortgeschrittenen Stadien, die Funktionsfähigkeit und Lebensqualität möglichst wiederherzustellen und zu erhalten.


Multimodale Therapiekonzepte

Multimodale Therapiekonzepte kommen in den meisten Fällen zum Einsatz. Dies bedeutet eine vom Facharzt für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation individuell für den Patienten, seine Beschwerdesymptomatik und die klinischen Untersuchungsergebnisse verordnete Therapiekombina- tion, die im Lauf der Behandlungen an den jeweiligen Therapiefortschritt angepasst wird.

Zum Spektrum der multimodalen Therapien zählen vor allem Bewegungs-

therapie, Hydrotherapie, Trainingstherapie, manualmedizinische Techniken, ergotherapeutische Behandlungen, analgetische und stimulierende Elektrotherapie mit den Schwerpunkten  Niederfrequenz- und Mittelfrequenztherapie, Ultraschallanwen- dungen, Thermotherapie und verschiedenste Massagetechniken. Aber auch  Entspannungsverfahren, Biofeedback und Aku- punktur sind in verschiedensten, auf die Symptomatik des Betroffenen abgestimmten, Kombinationen Teile des multimodalen Therapiespektrums. Allerdings ist nicht jede Therapiemaßnahme für jeden Patienten in gleichem Maße geeignet, sodass auch Kontraindikationen für einzelne Therapiemodalitäten aufgrund von Begleit-oder Grunderkrankungen bestehen können und beachtet werden müssen.

Eine zentrale Therapieform ist, abhängig von der Beweglichkeit und eventueller entzündlicher Veränderungen der Gelenke, die Physiotherapie im Sinne der Bewegungstherapie und die Muskelkräftigung im Rahmen der medizinischen Trainingsthera- pie. Dies vor allem unter dem Aspekt, dass kräftige Muskulatur eine zentrale Rolle bei der Stabilisation der Gelenke spielt.

Studien zeigen, dass kombinierte Bewegungsübungen für das Knie und die Hüfte eine deutlichere Reduktion der Schmerzen und eine Funktionsverbesserung bewirken als isolierte Bewegungsübungen nur für das Kniegelenk.


Bewegungstherapie im Wasser

Die Bewegungstherapie wirkt sowohl im Wasser als auch im Trockenen im Sinne der Schmerzreduktion sowie einer Verbes- serung der Beweglichkeit und schlussendlich der Funktion, wobei der analgetische Effekt durch die Hydrotherapie in Studien größer als in der klassischen Bewegungstherapie war. Die Bewegungstherapie im Wasser kann grundsätzlich auch in einem Heilwasser mit entsprechenden Wirkstoffen wie Sole oder Schwefel durchgeführt werden.

Die Patienten verlieren im Therapiebecken durch die Kraft des Auftriebs, der der Gravitationskraft, also dem Körpergewicht, entgegenwirkt, an belastendem Körpergewicht. Rein rechnerisch gesehen werden die Patienten, abhängig von der Eintauch- tiefe um bis zu 90 % leichter, sodass die Gewichtsbelastung der betroffenen Gelenke deutlich reduziert werden kann.

Zusätzlich bewirkt der hydrostatische Druck in der Wassertherapie einen Rücktransport von Gewebsflüssigkeit ins Gefäßsys- tem und damit eine zentripetale Entstauung. Ein Bad mit einer Eintauchtiefe von 40 cm entspricht ungefähr einem Druck von 30 mm Hg auf die Haut, also einer Kompressionsklasse II, wenn man hier einen Vergleich zu Kompressionsstrümpfen ziehen möchte.

Auch der Widerstand im Wasser wirkt sich positiv aus. Dieser Effekt kann, vor allem mit flächenvergrößernden Hilfsmitteln wie Flossen oder Schwimmbrettern, als zusätzlicher Trainingsreiz zur Muskelkräftigung eingesetzt werden.

Zusätzlich bewirken Bäder je nach Wassertemperatur eine Durchblutungssteigerung und damit eine bessere Versorgung der oberflächlichen Gewebsschichten.


Elektrobehandlungen in der physikalischen Medizin

Das Ziel der Elektrostimulation ist die Zunahme der Muskelkraft oder die Verhinderung oder Reduktion der Muskelatrophie bei zunehmender körperlicher Inaktivität. Für diese Fragestellung werden meist Schwellströme aus dem Niederfrequenzbe- reich angewendet. Bei dieser Muskelstimulation kann und soll der Patient den Hypertrophieeffekt steigern, indem er syn- chron zum elektrischen Reiz den Muskel aktiv anspannt.

Eine andere Zielsetzung haben analgetische Elektrobehandlungen, wie die TENS-Therapie oder die Impulsgalvanisation, die ebenfalls niederfrequente Stromformen sind. Auch Gleichstrombehandlungen wirken hyperämisierend und analgetisch, wo- bei die Iontophorese eine Sonderform darstellt, bei der entzündungshemmende oder schmerzstillende Medikamentenlösun- gen mit Hilfe der Ionenwanderung durch die Haut geschleust werden.

Schallwellen, wie sie bei der Ultraschalltherapie im Einsatz sind, fördern im Sinne einer Mikromassage die Durchblutung. Der Schallkopf wird im Gelenksbereich bewegt. Die ausgesendeten Schallwellen werden über ein Gel als Kopplungssubstanz ins Gewebe eingebracht.

Aber auch neuere, innovative Verfahren wie die fokussierte oder radiale Stoßwelle, also Schallwellen höherer Intensität, und die Kältekammertherapie bei minus 110° Celsius finden immer häufiger als Zusatzangebot ihren Einsatz in der Behandlung. Eine weitere Option stellt die lokale Anwendung von autologem Blutplasma mit erhöhtem Anteil von Wachstumsfaktoren dar, wobei es weit mehr wissenschaftliche Daten zur Anwendung des Plasmas bei der Gonarthrose als der Coxarthrose gibt. Im Rahmen der Rehabilitation werden die erwähnten Physikalischen Therapien durch psychologische bzw. psychotherapeuti- sche Unterstützung und diätologische Informationen begleitet.


Zusammenfasung

Zusammenfassend muss man festhalten, dass entsprechend der Grundprinzipien der Physikalischen Medizin auch bei der Coxarthrose ein multimodales Therapieregime zur Verfügung steht, das stets an die individuelle klinische Beschwerdesym- ptomatik angepasst werden muss. Diese Physikalischen Therapiemodalitäten sind bei fachlich richtiger Verordnung und An- wendung nebenwirkungsfrei und ein wichtiger Bestandteil der interdisziplinären und multiprofessionellen Betreuung von Ar- throsepatienten.


Literatur beim Verfasser

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