PRAXIS | Ordinationsgründung

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Der Weg zur eigenen Ordination

Wer sich selbstständig macht, sollte sich bewusst sein, dass

künftig die Arbeit im wahrsten Sinne der

Wörter „selbst“ und „ständig“ wartet.

Eine Ordination zu gründen ist ein spannender und herausfordernder Schritt im Leben eines Mediziners. Unabhängig davon, ob Sie künftig als Wahl- oder Kassenarzt tätig werden, alleine oder in einer Ordinationsgemeinschaft: Vom Moment der Entschei- dung zur Gründung ist nichts mehr, wie es vorher war. Die Gründung einer Ordination zählt zu einem lebensverändernden Event, das die Weichen sowohl für die private als auch die berufliche Zukunft neu stellt. Das finanzielle und unternehmerische Risiko ist groß, denn auch wenn der Markt boomt und die Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen hoch ist, heißt das noch lange nicht, dass ein guter Arzt auch ein guter Unternehmer ist.

Bevor Sie also auf die Suche nach einem Standort, einem Finanzberater oder Kooperationspartnern gehen, sollten Sie sich erst einmal auf sich selbst und Ihre Eigenschaften besinnen. Die zentrale Frage lautet: Bin ich überhaupt eine Unternehmerpersön- lichkeit? Diese Frage gilt es abgekoppelt von der Frage, ob Sie ein guter Arzt sind, zu beantworten. Sollte sich herausstellen, dass Sie zwar gerne in ihrem Beruf arbeiten, aber sich um wirtschaftliche, personelle, logistische oder rechtliche Fragen gar nicht gerne kümmern möchten und Ihre Risikobereitschaft gegen Null geht, dann sollten Sie ein Anstellungsverhältnis vorziehen. Was es hingegen braucht, wenn Sie selbstständig arbeiten möchten, ist eine „treibende Kraft“, die oft nicht rational erklärbar oder anhand von Scores bewertbar ist. Es ist dieser innere Wunsch, in der ersten Reihe stehen zu wollen, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Ausdauer, Urvertrauen, Einsatzwille sind gefragt. Wenn Sie jetzt denken: „Das alles braucht ein Chir- urg, der im OP steht und für einen Patienten verantwortlich ist, auch“, dann haben Sie schon recht. Viele Eigenschaften, die ein Unternehmer braucht, sind dem Mediziner sozusagen in die Wiege gelegt. Die meisten Ärzte, wenn sie nicht gerade in der Grundlagenforschung oder in der Labormedizin arbeiten, müssen immer am Patienten rasch, kompetent und risikobreit arbeiten. Aber es braucht in der eigenen Ordination noch mehr: eine Vision zu haben, wohin es in den nächsten Jahren gehen soll, das Einstehen für eigene Ideen sowie das Zupacken und Umsetzen – in guten wie in schlechten Zeiten.


Betriebswirtschaftliche Basis

Jede Ordination muss, um auf Dauer bestehen zu können, ein Geschäft sein. Als niedergelassener Arzt leiten Sie einen mehr oder weniger großen Betrieb mit all den dafür erforderlichen Aufgaben wie Organisation, Budgetplanung, Personalführung oder Krisenmanagement. Vieles davon haben Sie vermutlich in Ihrer Ausbildung nicht gelernt, daher braucht es, wenn Sie zur Grün- dung aus vollem Herzen „ja“ gesagt haben, zuerst die richtigen Berater. Mittlerweile ist der Markt voll von Unternehmens-, Wirt- schafts-, Finanz- und Versicherungsberatern, die Gründern beistehen wollen. Hier gilt: Wählen Sie unbedingt jemanden aus, der auf dem Gesundheitssektor Erfahrung mitbringt. Branchenkenner können Sie nicht nur kompetent beraten, sondern wissen auch um die Stolpersteine Bescheid, die gerade bei der Ordinationsgründung „anders“ sind als in anderen Klein- und Mittelbetrieben. Viele sehr spezielle Vorschriften sind einzuhalten und so manche böse Überraschung bei der Gestaltung von Mietverträgen, dem Umbau von Geschäftslokalen oder der Anstellung von Ordinationspersonal können Sie sich ersparen, wenn ein Branchen- experte unterstützt. Das gilt nicht nur für die Finanzierung, sondern auch für die Wahl des Steuer- und Versicherungsberaters und des Rechtsanwaltes, etwa bei der Errichtung von Kooperationsverträgen in Gemeinschaftspraxen.


Finanzen im Griff

Der nächste zentrale Schritt ist die Finanzplanung. Dabei geht es nicht nur darum, ob genug Geld für die Einrichtung der Praxis- räumlichkeiten da ist, sondern auch um eine kurz-, mittel- und langfristige Liquiditätsplanung. Wer zum Start auf Kreditmittel zu- rückgreifen muss, bekommt von Banken meist großzügige Zusagen. Danach – also etwa, wenn Sie ausbauen müssen oder pri- vate Investitionen anstehen –, sieht die Sache nicht mehr so einfach aus. Denn: Ihr privates Geldleben ist vom Tag der Gründung mit ihrem beruflichen Geldleben untrennbar verbunden.

Vergleichsweise spät im Rahmen all dieser Überlegungen stellt sich schließlich die Frage nach dem passenden Standort. Diesen zu finden und zu prüfen, Personal einzustellen, Kaufverträge für Geräte und Ausstattung zu verhandeln, Business-Pläne zu erar- beiten und Verhandlungen mit Krankenkassen zu führen sind dann die nächsten Schritte. Und hier sehen Sie schon, dass es ne- ben den vielen Fertigkeiten vor allem eines braucht: Durchhaltevermögen! All diese Entscheidungen können nicht in wenigen Ta- gen getroffen werden. Oft heißt es „zurück an den Start“, wenn sich die passende Immobilie dann doch als Flop erweist oder die Partnerschaft in einer Gemeinschaftsordination glücklos läuft. Ständige Korrekturschleifen und Anpassungen an die Entwicklung und die laufenden Erfahrungen, zum Beispiel in der Gestaltung der eigenen Dienstleistung oder den Öffnungszeiten (und damit der eigenen Freizeit), sind erforderlich. Eine starke Unternehmerpersönlichkeit lässt sich davon aber nicht entmutigen, sondern sieht genau das als Ansporn! „Jetzt erst recht“ heißt die Devise für jeden Arzt, der auch Unternehmer ist, und das jeden Tag aufs Neue!


rh