GVA, Kur & Reha

Rehabilitation – Gesundheitsvor- sorge Aktiv – Kur: Wo liegt der Unterschied?

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Mit der politischen Willenserklärung „Rehabi- litation vor Pension“ wurden auch für die bis dahin gängigen Kuraufenthalte neue Akzente gesetzt. Gesundheitsvorsorge Aktiv und Kur waren die Folge des Paradigmenwechsels.

AUTOR:

Prim. Priv.-Doz. Dr. Johann Altenberger

Rehabilitationszentrum

Großgmain der PVA

www.rz-grossgmain.at

Die Rehabilitation ist neben der Prävention und der akutmedizinischen Versor- gung die dritte Säule des Gesundheitswesens, somit ein eigenständiger Teil des gesundheitlichen Versorgungssystems. Der Auftrag an die Pensionsversi- cherungsträger, Rehabilitationsmaßnahmen durchzuführen, ist im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) verankert. Darin wird Rehabilitation in fol- gende Teilbereiche unterschieden:

1. Medizinische Rehabilitation

• Stationäre Rehabilitation (Phase 2)

• Ambulante Rehabilitation (Phase 2 und 3)

• Telerehabilitation (Phase 3)

2. Berufliche Rehabilitation

3. Soziale Rehabilitation

Ein besonderer Fokus wird auf Früherkennung und frühzeitige Einleitung gezielter Maßnahmen bei besonderen beruflichen und/oder psychosozia- len Problemlagen gelegt.


Medizinische Rehabilitation

Liegt in der kurativmedizinischen Akutversorgung der Schwerpunkt klar auf der Heilung bzw. Beseitigung organbezogener Krankheiten, so verfolgt die medizinische Rehabilitation einen holistischen Ansatz, der den Menschen als aktiven Teil der Gesellschaft definiert (bio‐psycho‐soziales Mo- dell). Unter medizinischer Rehabilitation werden Maßnahmen verstanden, die das Ziel verfolgen, die Leistungsfähigkeit, die Aktivität und die Teilha- be von Menschen nach Erkrankungen oder Operationen so weit wiederherzustellen, dass sie im beruflichen und wirtschaftlichen Leben und in der Gemeinschaft einen angemessenen Platz möglichst dauerhaft ohne Betreuung und Hilfe einnehmen können. Behinderungsbedingte Pensionierun- gen und Pflegebedürftigkeit sollen verhindert oder zumindest aufgeschoben werden.


Die Phasen der Rehabilitation

Man unterscheidet grundsätzlich eine Phase 2, das Anschlussheilverfahren oder Rehabili- tationsheilverfahren, von einer Phase 3, dem Erhalt des Rehabilitationserfolges. Die Phase 2 kann stationär oder ambulant erbracht werden. Die Phase 3 erfolgt ambulant und kann neuerdings auch als Telerehabilitation durchgeführt werden. Die Indikation Neurologie ver- folgt ein alternatives Phasenmodell (Phase A-E), wobei die Phasen C und D die Kriterien für die Anschlussheilbehandlung, stationär oder ambulant und die allgemeine Rehabilitati- on erfüllen. Die Zuweisung in ein Reha-Zentrum erfolgt indikationsspezifisch und unter an- derem auch nach geografischen Kriterien.


Aufnahmeprozess im Reha-Zentrum

Nach Bewilligung eines Rehabilitationsantrages wird den Patienten ein passendes statio- näres oder ambulantes Rehabilitationszentrum zugewiesen und ein Aufnahmetermin ver- einbart. Der Aufnahmeprozess umfasst eine pflegerische, diätologische und ärztliche Auf- nahme. Bereits am Aufnahmetag erfolgt eine Leistungskategorisierung. Dazu wird der Barthel-Index erhoben, die Leistungsfähigkeit mittels Ergometrie oder Sechs-Minuten-Geh-

test erfasst und der Schweregrad von Funktionseinschränkung nach prädefinierten ICF-Coresets definiert. Aus diesen Bausteinen mit entspre- chend hinterlegten Cut-Offs werden Patienten einer Leistungskategorie 1 bis 3 zugeteilt. Eine orientierende Erfassung von psychosozialen Pro- blemlagen wird mittels eines Fragebogens (PHQ-4) erhoben. Bei Rehabilitanden, die noch aktiv im Erwerbsleben stehen, wird das Vorhandensein von beruflichen Problemlagen abgefragt. Dies erfolgt mittels des SIMBO-C-Fragebogens und der Erhebung des WAI (Work-Ability-Index) sowie ei- nes Gesprächs mit dem Entlassungs- und Teilhabeberater (ETB).Die Rehabilitationsdiagnostik umfasst ein Ruhe-EKG sowie ein Aufnahmelabor und wird bei Bedarf, etwa bei kardiologischen Patienten, um Ultraschalluntersuchungen wie zum Beispiel einen Herzultraschall erweitert.


Ablauf der Rehabilitationstherapie

Die Planung der Rehabilitationstherapie richtet sich nach mit den Patienten vereinbarten Rehabilitationszielen. Rehabilitationsziele im Sinne des ICF-Modells beschreiben aktivitäts- und teilhabebezogene Tätigkeiten, die durch eine detaillierte Anamnese und Befragung der Rehabilitanden im Sinne der betroffenen Lebensumstände und Lebensbereiche evaluiert werden. Die medizinische Rehabilitation kann sich über einen längeren Zeit- raum erstrecken. Ziel ist, eine größtmögliche Selbstständigkeit trotz einer eventuellen Behinderung oder Einschränkung zu erreichen.

Die Rehabilitationstherapie wird modular je nach Erfordernis und abgestimmt auf das Rehabilitationsziel ärztlicherseits verordnet. Aktivtherapien kommen als Gruppentherapien oder als spezifische therapeutische Einzelleistungen aus den Gebieten der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopä- die, Psychologie oder der Diätologie zur Anwendung. Krankheitsrelevante Informationen werden als Schulungen und Seminare angeboten. Ergän- zend kommen je nach Zielsetzung und Bedarf passive Therapien im Sinne von physikalischer Therapie und Rekreationstherapie dazu.

Rehabilitanden mit besonderen beruflichen Problemlagen werden aktiv herausgefiltert. Dies erfolgt bereits bei der Aufnahme durch die Fragebö- gen (SIMBO-C und WAI) und den Entlassungs- und Teilhabeberater sowie im Weiteren durch die Einschätzung der betreuenden Ärzte. Im Falle ei- ner besonderen beruflichen Problemlage wird die Gesamtkonstellation der Patienten in der sogenannten PV RehaJET®-Besprechung interdiszipli- när im Reha-Team besprochen und der weitere Verlauf der Therapie festgelegt sowie ein Nachsorgekonzept entworfen. Dazu stehen verschiedene Reha-Pfade zur Verfügung. (siehe Abbildung 2)


PV RehaTRAIN® und PV RehaJET®: neue Angebote in der Rehabilitation

Häufig ist ein singuläres Anschlussheilverfahren ausreichend, damit Patienten wieder ins Erwerbsleben zurückkehren können (Return to work). Fer- ner besteht die Möglichkeit für ein Wiederholungsheilverfahren oder eine ambulante Phase- III-Rehabilitation, um die Rehabilitationsmaßnahmen zu wiederholen oder fortzuführen. Genau dafür wird auch gerade die Möglichkeit der Telerehabilitation (PV RehaTRAIN®) aufgebaut; sie ist in Pilotein- richtungen bereits umgesetzt.

Ein besonderes Angebot stellt das PV RehaJET®-Verfahren dar. Dabei wird Patienten mit besonderer beruflicher Problemlage ein weiteres dedizier- tes, auf den Beruf abgestimmtes Reha-Verfahren in der Dauer von sechs Wochen angeboten. Dabei werden Arbeitstage in einem Arbeitssimulati- onstraining simuliert und Defizite in Funktion und Teilhabe, die speziell für den Arbeitsprozess relevant sind, adressiert. PV RehaJET®-Verfahren gibt es für die Indikation Bewegungs- und Stützapparat sowie peripher neurologische Störungen in den Rehabilitationszentren Gröbming, Bad Schallerbach, Laab im Walde, Bad Hofgastein sowie im ZAR Graz.

Ein besonderes Angebot steht mit dem PV RehaJET®-Verfahren Psychokardiologie im RZ Felbring zur Verfügung. Rehabilitanden, die aufgrund einer psychischen Erkrankung – ver- anlasst durch ein kardiologisches Ereignis (z. B. Herzinfarkt, Herzoperation) – eine beson- dere berufliche Problemlage aufweisen, können in Felbring erneut ein Rehabilitationsverfah- ren durchlaufen, wobei ein spezieller Fokus auf die psychische Problematik und den Ar- beitsprozess gelegt wird.


Berufliche Rehabilitation

Berufliche Problemlagen können aber auch Maßnahmen aus der sogenannten beruflichen Rehabilitation erforderlich machen. Dazu erfolgt die Zuweisung zu Reha-Beratern aus der jeweiligen Landesstelle der PVA, die in engem Kontakt mit den Reha-Zentren stehen und Patienten direkt vor Ort beraten und danach weiter betreuen können. Dies erfolgt etwa

durch Kurse zur Berufsfindung, Schulungsmaßnahmen, Arbeitsplatzadaptierung etc. (siehe unter Punkt 2). Letztlich gibt es leider auch Patienten, die nicht mehr ins Berufsleben zurückkehren können und den Weg in die Berufsunfähigkeits- oder Invaliditätspension beschreiten.  Jedenfalls ist es wichtig, während des Reha-Aufenthaltes die Angebote im Blick zu haben und die Patienten in die jeweiligen Pfade zu weisen.

Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation dienen der Berufsfindung und ermöglichen etwa Reha-Vorbereitungslehrgänge, Kurse zur Auffrischung des Schulwissens und Ausbildungen für einen neuen Beruf. Weiters wird Arbeitstraining angeboten. Im Falle von Behinderungen kann eine behin- dertengerechte Arbeitsplatzadaptierung sowie Einschulung in Betrieben bei Gewährung von Lohnkostenzuschüssen an den Dienstgeber ermög- licht werden. Auch Darlehen zur beruflichen Existenzgründung oder für die Anschaffung besonderer Hilfsmittel (z. B. Blindenführhund) können zur Verfügung gestellt werden. Weiters werden gegebenenfalls auch begleitende Maßnahmen (Arbeitsplatzausrüstung, Fahrtkosten, Ausbildungsmate- rial, SV-Beiträge usw.) angeboten.


Soziale Maßnahmen der Rehabilitation

Über die genannten medizinisch rehabilitativen Maßnahmen und die berufliche Rehabilitation hinaus können auch soziale Maßnahmen in Anspruch genommen werden. Dazu zählen Darlehen für den Wohnungsankauf oder auch für behindertengerechte Adaptierungen. Bei Unzumutbarkeit, öf- fentliche Verkehrsmittel zu benützen, können Zuschüsse zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerbefugnis oder Darlehen zum Ankauf bzw. zur Adaptierung eines Pkw übernommen werden. Dies gilt auch für Taxikosten vom Wohnort zum Arbeitsplatz und zurück. Gegebenenfalls können Rei- se- und Nächtigungskosten von nahen Familienangehörigen des Behinderten für den Besuch im Reha-Zentrum bei langer Aufenthaltsdauer erstat- tet werden. Unter soziale Rehabilitation fällt auch die Betreuung und Beratung von Menschen mit Behinderungen vor und nach Erreichung der Rehabilitationsziele.


Gesundheitsvorsorge Aktiv

Gesundheitsvorsorge Aktiv (GVA) versteht sich – wie der Name schon sagt – als Gesundheitsvorsorgeangebot und bietet mit Aktivtherapien und angepasstem Sport eine medizinische Basis. Entgegen der klassischen Kur werden wesentlich mehr aktive als passive Therapien angeboten. Da- mit kam es zu einem Paradigmenwechsel, weg vom Gedanken, die Kur als Urlaub oder Wellnessaufenthalt zu betrachten.

Verglichen mit der bisherigen Kur werden Patienten umfassendere Gesundheitsinformationen vermittelt, zudem wird die Bedeutung der Eigenver- antwortung betont. Die GVA dient auch als Erstfilter für Patienten mit psychischen Problemen. Je nach individuellem Erfordernis wird der Fokus auf Bewegung, mentale Gesundheit oder gesunde Ernährung gelegt.

Die Therapieinhalte können modular zusammengestellt werden. Dabei sollte besonders darauf geachtet werden, die Therapiezusammenstellung zielorientiert zu gestalten. Die Ziele sollten besonders auf die Teilhabe fokussieren und das Therapieprogramm demnach möglichst teilhabeorien- tiert zusammengestellt werden. Nach dem bio-psycho-sozialen Modell werden bestehende Erkrankungen nicht nur als medizinische Diagnosen er- fasst, sondern die damit einhergehenden und für die Patienten relevanten Defizite in der Funktion, der Aktivität und der Teilhabe charakterisiert. Der Schwerpunkt liegt im Erhalt der Erwerbsfähigkeit.


Klassische Kur

Bei der „klassischen“ Kur (Gesundheitsvorsorge) handelt es sich im Gegensatz zu den „wiederherstellenden“ Rehabilitationsmaßnahmen um medi- zinische Maßnahmen zur vorbeugenden Erhaltung und Festigung der Gesundheit bzw. zur Linderung von chronischen Leidenszuständen. Der lan- ge Zeit bestehende Fokus auf den Einsatz natürlicher, ortsgebundener Kurmittel (z. B. Moor, schwefelhaltiges Heilwasser, Thermen, Heilklima) im Rahmen von Kurmaßnahmen ist in den letzten Jahren gegenüber aktiven Therapien in den Hintergrund gerückt. Zur Erlangung des Behandlungs- zieles ist lediglich eine Basisdiagnostik erforderlich. Die Personalausstattung ist gegenüber Einrichtungen der Rehabilitation in der Regel deutlich geringer.1 Der Kuraufenthalt ist aus Sicht der Sozialversicherung eine Vorsorgemaßnahme und dient dazu, bei Berufstätigen die Erwerbsfähigkeit zu erhalten und Krankenstände zu reduzieren.2

Die klassische Kur, die in der Mehrzahl aller Fälle auf Probleme des Stütz- und Bewegungsapparat abgezielt hat, wurde zwischenzeitlich weitge- hend von der Gesundheitsvorsorge Aktiv abgelöst. Die klassische Kur gibt es nur noch für wenige Indikationen, nämlich Asthma in leichter Ausprä- gung, Stoffwechselerkrankungen sowie chronische Hauterkrankungen wie Psoriasis und Neurodermitis.


Frühzeitiges Erkennen problematischer Gesundheitszustände

Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) ist gemäß ASVG für die Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation ihrer Versicherten zuständig. Frühzeitiges Erkennen problematischer Gesundheitszustände sowie besonderer beruflicher Problemlagen zählt daher zu den Hauptaufgaben der PVA im Ge- sundheitsbereich. Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation mit dem Fokus auf berufliche Wiedereingliederung werden dazu aktiv angeboten. An- gebote zur beruflichen Wiedereingliederung/Beschäftigung wirken sich grundsätzlich ebenso positiv aus. Ein Zitat aus dem OECD Better Life In- dex unterstreicht diese Aussage: „Wer eine Arbeit hat, sichert nicht nur seine wirtschaftliche Existenz, sondern bleibt auch mit seinen Mitmenschen in Kontakt, steigert sein Selbstwertgefühl und erwirbt Qualifikationen und Kompetenzen. Länder mit einem hohen Beschäftigungsniveau sind gleichzeitig wohlhabender, politisch stabiler und gesünder.“3

Die Bedeutung der Arbeit als Gesundheitsfaktor wurde auch wissenschaftlich untermauert. In der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ (Maria Jahoda et al.) wurde gezeigt, dass Erwerbsarbeit identitäts- und sinnstiftend wirkt. Im Umkehrschluss kann der Wegfall von Arbeit einen signifikan- ten negativen Einfluss auf die psychische Gesundheit bewirken. Psychische Erkrankungen wie z. B. eine Depression erhöhen das Risiko für kardio- vaskuläre Krankheiten wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall.

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QUELLEN:

1. Österreichischer Rehabilitationsplan 2020

2. Müller R., Wiesinger G. (2010): Handbuch Kur, Kneippverlag

3. OECD Better Life Index: www.oecdbetterlifeindex.org/de/topics/jobs-de/