Zuletzt hatte ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss die Ab- schaffung des derzeit praktizierten Wahlarzt-Systems gefordert und dabei das „Modell Deutschland“ ins Spiel gebracht. Dort betreuen Kassenärzte auch Pri- vatpatienten, eine Mischung, die sich bewährt hat und als Adaptierung durchaus auch für Österreich ange- dacht werden könnte. „Das wäre auch für die jungen österreichischen Ärzte ein modernes und attraktives Zukunftsmodell und eine Verbindung der positiven Seiten beider Systeme. Durch einen Kassenvertrag wäre jedenfalls eine finanzielle Grundabsicherung ge- währleistet und die Vorteile der Privatmedizin würden den Anreiz verstärken, dieses Kassenmodell der Zu- kunft zu nutzen“, sagt Dr. Peter Niedermoser, Präsi- dent der Ärztekammer für Oberösterreich.
In Österreich bietet die soziale Krankenversicherung in Krankenhäusern sowie im niedergelassenen Bereich eine medizinische Versorgung auf sehr hohem Niveau. Dennoch wünschen sich immer mehr Patienten dar- über hinaus gehende Leistungen sowie ein Mehr an Service und Komfort. In öffentlichen Krankenhäusern werden Privatpatienten traditionell gut integriert, davon profitiert auch das Spitalswesen. „Im niedergelasse- nen Bereich existiert hingegen eine Art Parallelsystem, weil hier die öffentliche Versorgung sehr streng von der Privatmedizin getrennt ist. Genau diese Trennung befeuerte zuletzt aber die Diskussionen um die Aufga- ben der Wahl- bzw. Kassenärzte in der medizinischen Gesamtversorgung der Bevölkerung“, so Niedermoser.
Zahl der Kassenärzte stagniert
Seit 2000 stagniert in Österreich die Zahl der Kassenärzte, während sich die Zahl der Wahlärzte mehr als verdop- pelte. Auch in den letzten zehn Jahren ist diese Entwicklung deutlich zu sehen. Offensichtlich nimmt die Attraktivität der Kassenverträge ab und es entscheiden sich Ärzte immer häufiger, als Wahlarzt zu arbeiten. Neben gesell- schaftspolitischen Konsequenzen besteht daher die Gefahr, dass Mittel in der öffentlichen Versorgung fehlen, da diese in den privaten Bereich fließen.
Kassenstellen sind immer schwerer zu besetzen. Um weiter eine lückenlose Versorgung durch Vertragsärzte ge- währleisten zu können, muss vorrangig der Beruf des Kassenarztes wieder attraktiver werden. Eine wichtige Maß- nahme wäre hier eine stärkere Verzahnung zwischen wahlärztlichem und kassenärztlichem Bereich. Dazu müssten Vertragsärzte aber eine ausgeweitete Möglichkeit zur Behandlung von Privatpatienten erhalten. Von einer solchen Neuerung würden sowohl Patienten als auch Mediziner profitieren. Wenn man die Kassenverträge attraktiv gestal- tet, werden wieder mehr Ärzte den Weg als Kassenarzt gehen.
Doch besteht in der österreichischen Bevölkerung überhaupt der Bedarf oder Wunsch nach einer privaten Kran- kenversicherung, die nicht nur den Wahlarzt, sondern auch den Kassenarzt abdeckt? Auch hier zeigt eine market- Umfrage ganz deutliche Ergebnisse. Das Potenzial liegt etwa bei knapp einer Milliarde Euro pro Jahr, die die Bevöl- kerung bereit wäre, mehr zu bezahlen. Wenn man bedenkt, dass aktuell knapp unter drei Milliarden Euro an die Kassenärzte fließen, wäre dies eine Steigerung von knapp einem Drittel der bisherigen Summe.
Kassenärzte zeigen sich aufgeschlossen
„Eine Umfrage unter Kassenärztinnen und -ärzten brachte 2019 ein klares Ergebnis. Prinzipiell können sich 84,1 % der Ärzte vorstellen, unter gewissen Umständen in höherem Ausmaß auch Privatpatienten zu behandeln. Fast die Hälfte der Befragten sieht darin die Möglichkeit, Kassenarztstellen zu attraktivieren. Die Hauptgründe für eine Zu- stimmung liegen darin, Spezialisierungen und Behandlungsmethoden anwenden zu können, die von der Kasse derzeit nicht bezahlt werden. Dazu ist der Faktor „Zeit für die Patienten“ ein wichtiger. 70 % sehen zusätzliche Ein- künfte als Vorteil“, sagt OMR Dr. Thomas Fiedler, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Oberösterreichi- schen Ärztekammer. Dieses Geld könnte auch zu steigenden Investitionen in den Praxen führen, das würde wieder- um die Qualität der Behandlungen verbessern. Mehr als die Hälfte der Befragten zeigte sich interessiert, unkompli- ziert Privatpatienten zu behandeln. Auf die Frage nach den Voraussetzungen für eine erleichterte Behandlung gab es folgende Antworten: Rechtssicherheit (81,3 %) sowie Rückersatz durch die Kassen analog zum Wahlarzt (76,6 %).
Auf die Frage nach den Vorteilen antworteten 70 % mit der „Anwendung von Spezialisierungen, die nicht von der Kasse bezahlt werden“, sowie 68,8 % mit „die Möglichkeit, ohne Zeitdruck Patienten behandeln zu können.“ Auch knapp 30 % der Wahlärzte wäre Befragungen zufolge bereit, ins System einzusteigen. Würde man überdies für Wahlärzte die Übernahme von Teilzeit-Kassenstellen ermöglichen, wäre die Bereitschaft mit Sicherheit noch deut- lich höher.
Vorteile liegen auf der Hand
Eine Verschränkung beider Bereiche würde nicht nur den Privatversicherten selbst, sondern auch allen Versicher- ten bessere Rahmenbedingungen ermöglichen. Denn steigende Einnahmen bei den Ärzten würden auch zu bes- seren Investitionen führen. Die Folge dieses Investitionsschubs wäre eine bessere und effizientere Infrastruktur in den Ordinationen. Das würde wiederum allen Patienten zugutekommen. Zudem stünden mehr Ärzte dem System zur Verfügung, wodurch derzeit offene Kassenstellen wieder besetzt werden könnten. Im besten Fall wäre sogar ein Ausbau des Kassenstellen-Plans denkbar.
Neues Modell attraktiv
„Rechtlich ist es derzeit zwar möglich, dass Privatpatienten auch von Kassenärzten betreut werden, es gehört den- noch eine Reihe von Hindernissen beseitigt. Aktuell bekommt nämlich ein Patient, der privat behandelt wird, keinen Rückersatz der Kosten. Die Idee wäre, dass ein Kassenarzt das Kassenhonorar abrechnet. Die Differenz zum hö- heren Wahlarzt-Honorar soll durch eine Aufzahlung erfolgen. Dazu muss aber das ASVG geändert werden. Diese Änderung ist dringend notwendig, um Kassenstellen wieder attraktiver zu gestalten“, so Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner, Kammeramtsdirektor in der OÖ Ärztekammer.
Wenn – so wie in Deutschland vorgesehen – Kassenärzte zusätzlich auch Privatpatienten betreuen könnten, dann wäre dies ein positiver Anreiz. Das Angebot an Kassenärzten würde sich flächendeckend enorm verbessern, die Flucht in den Wahlarzt-Bereich wäre durch einen positiven Anreiz gestoppt. Durch eine Steigerung des Honorarvo- lumens könnte der Stellenplan sogar ausgebaut werden und in weiterer Folge auch zu einer Spitalsentlastung bei- tragen, weil moderne Leistungen von der Kasse bezahlt werden würden und nicht mehr nur im Spital erbracht wer- den.
rh
FOTOS: AEKOOE.AT, ISTOCKPHOTO/ SHAPECHARGE, AEKOOE.AT