Psychische Erkrankungen verursachen viel persönliches Leid. Ge- sundheitspolitisch und volkswirtschaftlich gehören sie zu den gro- ßen Herausforderungen. Frühzeitige Behandlung ist besonders wichtig, um Chronifizierung und deren Folgen zu vermeiden.
1997 wurde im Rahmen einer Novelle des Sozialversicherungsgesetzes die rechtliche Grundlage für die Rehabilitation bei psychischen Erkran- kungen geschaffen. Nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Bedeutung psychischer Erkrankungen bei der vorzeitigen Erwerbsunfähigkeit wur- den seither etwa 1.500 überwiegend stationäre Behandlungsplätze ge- schaffen. Bei weiblichen Angestellten ist das mittlerweile die häufigste Ursache für die vorzeitige Erwerbsunfähigkeit. Im Jahr 2020 werden es rund 2.000 sein. Im urbanen Raum stellt die ambulante Form eine alter- native Möglichkeit dar. Häufig ist das Heraustreten aus dem Lebensum-
feld jedoch sinngebend.
Zielgruppe der stationären psychiatrischen Rehabilitation
Das Angebot der stationären Rehabilitation richtet sich in erster Linie an Betroffene, die im Berufsleben stehen und grundsätz- lich arbeitsfähig sind. Psychische Erkrankungen zählen europaweit zu den wichtigsten Ursachen für Krankenstandstage und vorzeitige Erwerbsunfähigkeit. Der Verlust der Arbeitsfähigkeit stellt einen eigenen Risikofaktor für die Krankheitsprognose dar. Die häufigsten Krankheitsbilder im Rahmen der stationären Rehabilitation sind das Burn-out-Syndrom, depressive Störungen, Angststörungen und somatoforme Störungen, besonders die somatoformen Schmerzstörungen.
Rehabilitationsvoraussetzungen und Behandlungsziele
Der Zugang zum sechs- bis achtwöchigen Aufenthalt erfolgt über ärztliche Antragstellung beim zuständigen Versicherungsträ- ger, entweder im Rahmen eines sogenannten Anschlussheilverfahrens nach einer stationären Behandlung oder über Antragstel- lung aus dem niedergelassenen Bereich. Das primäre Rehabilitationsziel ist die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und der sozialen Teilhabe (Mobilität, Wohnen, selbständiges Leben). Diese beiden Faktoren wirken förderlich auf die Genesung und ver- bessern die langfristige Krankheitsprognose. Sie stehen daher im Mittelpunkt der therapeutischen Bemühungen während eines Rehabilitationsaufenthaltes.
Ein Blick in die Praxis
Die Rehaklinik Gars am Kamp ist ein Best-Practice-Modell für die stationäre Rehabilitation psychischer Erkrankungen. Mit der Eröffnung 2011 kam es zu einer Erweiterung des Psychosomatischen Zentrums Waldviertel, einer erfolgreichen Private-Public- Partnership („PPP“) des Landes NÖ und der VAMED. Bereits seit 2006 sind das Land NÖ und VAMED am Standort Eggenburg mit 100 Betten in der psychosomatischen Krankenbehandlung erfolgreich tätig. Sichtbarer Ausdruck des Best-Practice-Modells sind das hervorragende Qualitätsmanagement, mit doppelter Zertifizierung der Garser Klinik über QMS Reha und ISO 9001:2015, sowie die Höchstzahl von fünf PVA-Logos, verliehen durch den Kostenträger, die PVA.
Abgestimmt auf die persönliche Situation und das Krankheitsbild werden am Beginn des Aufenthaltes gemeinsam mit dem Be- troffenen die Rehabilitationsziele festgelegt. Diese werden laufend überprüft und bei Bedarf angepasst. Dabei bestimmen Psy- che und Körper, besonders in ihren wechselseitigen Bezügen, das Therapieprogramm. Psychotherapeutische Einzelgespräche stellen die persönliche Situation in den Mittelpunkt, Gruppengespräche erweitern eigene Sichtweisen und Erfahrungen. Psycho- edukativ orientiertes gesundheits-psychologisches Wissen wird ebenso vermittelt wie Techniken zur Entspannung. Wichtige Be- handlungselemente sind Bewegung im Ausmaß von mindestens vier Stunden pro Woche und gesunde Ernährung. Kreative Pro- zesse in der Ergo- oder Musiktherapie sind hochwirksame, überwiegend nonverbale Behandlungsangebote. Die Therapie ist kein Trainingsprogramm, es geht um das Wiederfinden psycho-physischer Balance durch bewusstes Erleben des prozesshaf- ten Geschehens im Therapieverlauf. Besondere Beachtung finden dabei die individuell vorhandenen Ressourcen und die Stär- kung der Resilienz, um neuerliche Krankheitsepisoden zu vermeiden.
Qualität der Beziehung und Behandlung
Veränderungen auf der Symptomebene, der subjektiven Befindlichkeit, der Lebensqualität oder auch der Teilhabefähigkeiten werden laufend computergestützt erhoben. Die Ergebnisse werden mit den Patienten besprochen, auch grafisch dargestellt, und in die Therapieprozesse eingebracht. Das Forschungsteam der Klinik nützt die gewonnenen Erkenntnisse für Publikationen,
bei Fachdiskussionen und zur Therapieprozessforschung. Der reflexive, er- gänzende Einsatz dieser Instrumente ist ein wertvoller Zugang für die Be- handlungspraxis. Doch gerade im Bereich der Psyche wird die Frage nach der Messbarkeit, die in den letzten Jahrzehnten auch unser Fachgebiet in- tensiver erreicht hat, kontrovers diskutiert. Das bringt der Gegenstand mit sich. Ist „nah beim Menschen sein“ messbar? Geeignete Verfahren können auch hierüber Orientierung geben, doch entscheidend sind immer wieder die Atmosphären in den unmittelbaren Erlebnissen, den konkreten Begeg- nungen, oft auch auf einer nonverbalen Ebene. Sie entstehen bereits beim Betreten der Klinik, beim ersten Kontakt mit der Rezeptionistin. Es ist das „Sich-als-Mensch-willkommen-fühlen“, das den Unterschied zwischen pro- fessionell freundlich und professionell und nah beim Menschen sein aus- macht. Das Vertrauen, das sich im ärztlich-therapeutischen Gespräch ent- faltet, wenn sich der Patient wirklich verstanden fühlt, wenn dieses „Sich- angenommen-fühlen“ wirksam wird.
Die Zufriedenheit der Betroffenen ist hoch. Über 95 % der Patienten würden bei Bedarf wieder in die Garser Klinik kommen und die Einrichtung weiter-
empfehlen. Die Anzahl der Krankenstandstage reduziert sich im Jahr nach der Reha ebenso deutlich wie die der Spitalsaufent- halte. Die Effekte der wiedergewonnenen Stabilität sind auch nach einem Jahr noch nachzuweisen. Eine Metaanalyse über zahlreiche Studien zur Wirksamkeit wurde vom Forschungsteam der Garser Klinik kürzlich erstellt und ist online bereits publi- ziert. Die Herausforderungen, psychisch gesund zu bleiben bzw. wieder zu werden, sind in unserer globalisierten, beschleunig- ten Welt mit nahezu ständiger Reizanflutung groß. Psychiatrische Rehabilitation kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.
Foto: Lebens.Med Zentrum Bad Erlach